Tampons und Binden sind keine Luxusgüter – und sollten auch nicht so besteuert werden

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Politik

Tampons und Binden sind keine Luxusgüter – und sollten auch nicht so besteuert werden

Tampons und Binden werden in Österreich besteuert wie Luxusgüter. Kaviar hingegen nicht. Das illustriert die Problematik der Unterrepräsentation von Frauen in politischen Positionen.

Update: #aufstehn hat nun eine Petition gestartet. Hier könnt ihr den Appell an den Finanzminister unterzeichnen. 

Kaviar und Austern gelten in Österreich nicht als Luxus. Antiquitäten, Blumensträuße, Theater- oder Museumsbesuche auch nicht. Einmal im Monat zu bluten hingegen schon – zumindest, wenn man nach Steuersätzen geht. Denn Frauenhygieneprodukte sind bei uns gleich hoch besteuert wie Champagner oder Schrotflinten. Sie gehören in Österreich nicht zu Gütern des täglichen Bedarfs und werden daher nicht mit 10, sondern ganz regulär 20 Prozent besteuert – anders als eben Kaviar, Austern oder Blumen.

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Rechnet man alle Tage zusammen, an denen Frauen die Regel haben, wären es auf ein durchschnittliches Leben gerechnet zirka sechs Jahre. In diesem Zeitraum verbrauchen wir zwischen 10.000 und 17.000 Tampons und Binden; zusätzlich unzählige Tabletten gegen Bauch-, Kopf- oder Rückenschmerzen.

Tampons und Binden nicht als Produkte des täglichen Bedarfs zu sehen, ist also mehr als unsinnig. Oder anders: Ich würde gerne wissen, wie eine Welt aussähe, in der Frauen darauf verzichten würden. Und am allerliebsten würde ich die Gesichter der Männer sehen, denen wir verdanken, dass wir dafür 20 Prozent Steuern zahlen müssen. Frauen zahlen jährlich somit Steuern in Milliardenhöhe, die für Männer nicht gelten. Alleine in Kalifornien zahlen Frauen jährlich 20 Millionen Dollar Steuern für Frauenhygieneprodukte.

Die "Tampon-Steuer" zeigt, welche Auswirkung mangelnde Repräsentation von Frauen in der Politik hat.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung kommt nicht drum herum, jeden Monat mehrere Tage Frauenhygieneprodukte zu benutzen. Zwölfmal im Jahr, an die 35 Jahre ihres Lebens. Aber im Gegensatz zu Australien, den USA oder Malaysia (neben anderen Ländern) wird diese Debatte in der österreichischen Politik überhaupt nicht geführt. So zahlen Frauen Steuern dafür, dass sie die Periode haben. In Großbritannien sollen Mädchen aus Familien mit geringem Einkommen sogar die Schule schwänzen, während sie ihre Periode haben, weil sie sich keine Tampons und Binden leisten können.

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Weltweit entsteht zunehmend Bewusstsein für diese Problematik. Eine Vorreiterrolle spielte 2011 Kenia: Damals entschied das dortige Parlament, Frauenhygieneprodukte nicht mehr zu besteuern. Vier Jahre später folgte Kanada. Eine Petition mit mehr als 74.000 Unterschriften führte dazu, dass dort im Juli 2015 die sogenannte "Tamponsteuer" aufgehoben wurde. Manche Bundesstaaten in den USA haben sie ebenfalls abgeschafft.

"Liquor is a choice and a luxury, and human biology is not."

In Kalifornien wird derzeit überlegt, die Einnahmen, die durch die Abschaffung der Steuer fehlen, durch eine höhere Besteuerung von hartem Alkohol wieder reinzuholen. "Liquor is a choice and a luxury, and human biology is not," erklärte die US-amerikanische Politikerin Cristina Garcia den Vorschlag Anfang März. Als Frau geboren worden zu sein, sollte nicht zu Steuern führen. Es sei schlimm genug, unterbezahlt, unterbewertet und unterschätzt zu werden, so Garcia.

In Frankreich zahlten Frauen bis Ende 2015 wie in vielen Ländern weltweit 20 Prozent auf Frauenhygieneprodukte. Das Parlament stimmte damals mehrheitlich für eine Senkung der Steuer. Statt 20 sind es jetzt nur noch 5,5 Prozent. Niedriger geht in der EU kaum, denn laut EU-Vorschrift müssen Hygieneprodukte mit mindestens 5 Prozent besteuert werden.

2016 titelten schließlich sämtliche europäischen Tageszeitungen, die EU habe die "Tamponsteuer" gekippt. Die Staats- und Regierungschefs hätten die Absicht der EU-Kommission, "Mitgliedsstaaten die Möglichkeit zu geben, die Mehrwertsteuersätze für Hygieneprodukte auf null zu setzen" begrüßt. Das hatten sie auch. Nur ist seither nichts passiert.

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Als die Steuer im malayischen Parlament besprochen wurde, begannen die Abgeordneten zu lachen.

Auch in Spanien und den Niederlanden wurden die Steuern auf Frauenhygieneprodukte in den vergangenen Jahren gesenkt. Das ist ein großer und wichtiger Schritt. Aber er wurde erst gemacht, nachdem Hunderttausende Frauen sich in Petitionen gegen die Steuer ausgesprochen hatten.

Die "Tamponsteuer" zeigt, welche Auswirkungen mangelnde Repräsentation von Frauen in der Politik hat. Und vor allem: welche Dinge als irrelevant angesehen werden, weil sie ausschließlich Frauen betreffen. Als eine Online-Petition, die sich gegen die Steuer aussprach, im malayischen Parlament besprochen wurde, begannen die Abgeordneten zu lachen. In Malaysia sind nur 10 Prozent der Abgeordneten weiblich.

In Österreich ist der Prozentsatz höher, aber auch hier besteht der Nationalrat nur zu 30 Prozent aus Frauen. 2016 stellten die Grünen einen Antrag, den Steuersatz auf 10 Prozent zu senken. Der Antrag liegt derzeit im Finanzausschuss. In einem offenen Brief forderte die Plattform erdbeerwoche das Finanzministerium vergangenes Jahr auf, die Steuer auf zumindest 10 Prozent zu senken. Die Antwort des Finanzministeriums war ernüchternd:

"Eine Bevorzugung von Hygieneartikeln für Frauen wäre im Vergleich zu anderen potentiell begünstigungswürdigen Leistungen/Produkten nicht zu rechtfertigen."

Man habe derzeit nicht vor, den Umfang der begünstigten Leistungen zu erweitern. Solange nicht von uns lautstark Veränderung gefordert wird, wird die Regel auch weiterhin als Luxus gelten. Ob das nun die Lebensrealität von Frauen widerspiegelt oder nicht.

Hanna auf Twitter: @HHumorlos.

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