FYI.

This story is over 5 years old.

News

Akzeptiere deine Eltern, auch wenn sie schwul oder lesbisch sind

Wir können die Debatte über die Homo-Ehe und -Adoption nicht mehr hören. Was sagen eigentlich deren Kinder dazu? Wir haben mit Samuel gesprochen, der einen schwulen Vater hat.

Letzte Woche kündigte Justitzministerin Beatrix Karl an, dass Homosexuelle bald auch in Österreich die Kinder ihres Partners adoptieren werden dürfen. Das Urteil des EMGR (Europäischer Menschenrechtsgerichtshof) soll nach Karl noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden.

In Ländern wie den Niederlanden, Frankreich, Norwegen, Spanien, Belgien, Argentinien, Südafrika und Kanada (und außerdem sechs Bundesstaaten der USA) und neuerdings auch Deutschland, ist dies bereits möglich.

Anzeige

Alle sprechen mit Homosexuellen über ihre Rechte, aber wir wollten stattdessen auch mit den Kindern reden. Samuel (Name geändert, er will anonym bleiben) ist heute Mitte 20 und erzählt, wie es war, von einem schwulen Vater großgezogen zu werden.

„Am Anfang war es schon ein bisschen komisch. Aber ich habe es dann akzeptiert”, sagt er. Wir sitzen in seiner Wohnung bei einer Tasse Ingwertee. „Das ist eine Erfahrung fürs Leben, weil du lernst, deine Eltern so zu akzeptieren, wie sie sind.”

VICE: Fällt es dir schwer, darüber zu reden?
Samuel: Nein, es macht mir nichts aus. Ich kann über alles reden.

Wann hast du bemerkt, dass dein Vater schwul ist?
Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Ich war 14. Meine Mutter und mein Vater sind geschieden. Ich wohnte zusammen mit meinen Geschwistern bei meiner Mutter in der Nähe von Frankfurt. Als wir dann meinen Vater in Berlin besuchten, wusste ich noch nicht, dass er schwul ist. Er lebte aber mit einem anderen Mann zusammen, der ziemlich schwul rüberkam. Er hieß George. Er kam zu mir und sagte: „Hallo! Wie geht's dir?” Da wusste ich sofort, OK, dieser Typ ist schwul. Langsam wurde mir klar, dass mein Vater auch schwul war und ich fing an, es zu akzeptieren. Das war ein schleichender Prozess. Aber jeder hat das Recht zu lieben, wen er will.

Ging es anderen Kindern an deiner Schule genauso wie dir?
Ich traf mal einen Typen, der war so alt wie ich und mir erzählte, dass sein Vater schwul sei. Er hatte ein Problem damit. Die anderen Schüler wussten Bescheid und mobbten ihn die ganze Zeit. Ich habe das nie so erlebt—ich akzeptierte meinen Vater und war mit toleranten und intelligenten Menschen befreundet. Aber für ihn war das ein ziemliches Drama.

Anzeige

Warst du am Anfang verwirrt?
Ein bisschen verwirrt war ich schon. Aber wenn dir alles klar wird, musst du es einfach so akzeptieren. Zu der Zeit habe ich meinen eigenen Weg finden müssen und ich sah, dass mein Vater das auch getan hatte. Ich liebe ihn trotzdem.

Hast du ihn jemals darauf angesprochen?
Darum ging es nicht, die Dinge waren einfach, wie sie waren.

Sollten Schwule heiraten dürfen?
Ich finde, jeder sollte heiraten dürfen, wen er will. Die Liebe ist das Wichtige, nicht das Geschlecht! Ich mag diese Debatte nicht—Männer sollten einfach Männer heiraten dürfen und das Gleiche gilt für Frauen. Ich muss bei dem Thema immer an Liebe denken und nicht an Politik. Wenn du mal drüber nachdenkst, geht es in der Politik auch immer nur um Emotionen. Also, wenn es den Menschen durch das Heiraten besser geht, sollt der Staat es auch erlauben.

Hast du von der Situation Vor- oder Nachteile gezogen?
Ich versuche, aus jeder Situation etwas Positives zu ziehen. Es kommt darauf an, was du daraus machst, egal ob deine Eltern homosexuell sind. Ich bin an der Situation gewachsen. Wenn du von Anfang denkst, dass du dadurch Nachteile hast, dann kommt das auch so. Aber wenn du an der Situation wachsen willst, dann wächst du auch daran. Dafür habe ich mich entschieden.

Daran zu wachsen” ist für dich also etwas Positives?
Ich denke schon. Es ist immer gut, wenn du als Mensch emotional etwas daraus lernen kannst.

Anzeige

Hast du dich mit den Partnern von deinem Vater anfreunden können?
Ja, ich hab einen meiner besten Freunde so getroffen: Er heißt Giuseppe und ist ein toller Musiker. Er hatte mal was mit meinem Vater und so haben wir uns kennengelernt. Das war Schicksal.

Bist du schwul?
Nein, ich bin hetero. Ich liebe Frauen.

Hast du daran mal gezweifelt?
Ja, als ich jünger war. Dazu gibt's eine witzige Geschichte. Einmal war ich mit zwei Mädchen und einem Typen auf einem Festival. Da war ich 19 oder so. Der Typ war sehr attraktiv und hat mich die ganze Zeit angemacht. Daraufhin hatte ich einen Traum, wo wir zusammen im Bett liegen und ficken wollen. Plötzlich wusste ich—nein, ich kann nicht mit diesem Typen schlafen! Ich hab in dem Moment gecheckt, dass ich einfach nicht schwul war.

Wie findest du es, dass Homosexuelle die Kinder ihres Partners adoptieren dürfen?
Darüber hab ich noch nie nachgedacht. Darüber müsste ich mir wirklich erst eine Meinung bilden.

Was würdest du Kindern sagen, die wie du mit homosexuellen Eltern aufwachsen?
Das Beste ist wirklich, seine Eltern so zu akzeptieren, wie sie sind. Egal wie sie dich behandeln, du solltest sie respektieren. Schließlich haben sie dich auf die Welt gebracht. Mein Problem war, dass ich meine Eltern zuerst abgelehnt habe und dadurch wurde ich depressiv. Das passiert automatisch. Am besten respektierst du deine Eltern und gehst dann deinen eigenen Weg. Tust du das nicht, weil sie homosexuell sind oder dich scheiße behandelt haben, trägst du das für immer mit dir herum. Dann kannst du nicht frei sein.

Der arabische Mystiker und Poet Khalil Gibran hat in seinem Buch Der Prophet geschrieben: Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch. Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht. Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken. Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.”

Es kommt so oft vor in der Welt, dass Menschen Kinder haben, ohne sie zu lieben. Das Wichtigste ist, dass Kinder ihren Eltern dafür dankbar sind, dass sie ihnen das Leben geschenkt haben. Manchmal kann das sehr schwer sein.