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Ihre Basler Nicht-Demo outet Pegida als die Loser der Schweizer Rechten

Die Pegida-Kundgebung mit genau null Teilnehmern war nur das grosse Finale eines Dramas in zu vielen Akten.

Selbst der Höhepunkt einer Nicht-Demo von Pegida hat nichts mit Pegida zu tun. Alle Fotos von Luke Robinson

Was haben sie sich gefreut! Mitte Januar verkündete Pegida Schweiz auf ihrer Facebook-Seite stolz, dass zum ersten Mal in der Geschichte des Universums eine ihrer Kundgebungen auf Schweizer Boden genehmigt wurde. Was sie damals noch nicht wusste: Am heiss ersehnten 3. Februar versammeln sich genau null (für Zifferfetischisten: 0) Pegida-Anhänger auf dem Basler Marktplatz.

Zwischen diesen beiden Extremen der pegidistischen Euphorieskala ist einiges passiert: Die Polizei entzog der Pegida- und der Gegenkundgebung wegen befürchteten Ausschreitungen die Bewilligungen, Pegida kündigt mit etwas zu viel verletztem Stolz an, illegal auf die Strasse zu gehen, Pegida mobilisiert rechtsextreme Hooligan-Schlägertrupps als Schutzstaffel gegen „linke Störer", Pegida will doch nicht mehr illegal nach Basel, weil dort Schlägertrupps das Schweizer Volk in Gefahr bringen könnten (wir haben das Wirrwar hier zusammengefasst).

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Bei einem solchen Nicht-Andrang wie am 3. Februar fällt es natürlich schwer, in Sprechchören das „Wir" mit dem „Volk" zu verbinden. Ohne angemessene Anzahl an Flaggen und grölenden Kehlen lässt sich nun mal keine Stimmung für besorgte Bürger erzeugen. Und so bleibt es einzig am rechtsextremen Eric Weber—der als Grossrat ins Rathaus am Marktplatz darf—, die 350 Gegendemonstranten mit einem „Hallo, hallo, hallo! Ihr seid wegen mir hier!" zu provozieren.

Trotzdem konnte das doch sehr einseitige Ausfallen des Aktivisten-Happenings nicht wirklich überraschen. Schliesslich ist das Hin und Her um die Basler Kundgebung nur einer der Gründe, die dafür sorgen werden, dass es Pegida Schweiz—wenn überhaupt—nur in der Rubrik „Wie du dir mit einer rechtsextremen ‚Volks'-Bewegung den Ruf ruinierst" in die Geschichtsbücher schaffen wird:

Pegida braucht Eric Weber

Nicht Pegida, sondern unser alter Bekannter Eric Weber war es, der die Kundgebung in Basel bewilligen liess. Erst nachdem diese ihr behördliches „Go!" erhielt, rief Eric die Kameraden von Pegida zu Hilfe und sichert sich mit diesem geschickten Move neben Pegida-Vorstandsmitglied Tobias Steiger und Pegida-Chef Mike Spielmann einen der—zugegebenermassen nicht sonderlich begehrten—Plätze am Mikrofon und auf dem Facebook-Banner der Kundgebung.

Erics Redner-Kollegen liessen die Öffentlichkeit zwar gleich von Beginn weg wissen, dass seine Ansichten „nicht zu 100 Prozent deckungsgleich mit den unsrigen" seien (in weniger euphemistischen Worten: „Eigentlich haben wir nichts mit ihm am Hut, aber was bleibt uns schon anderes übrig?!"). Doch ganz rechtsaussen darf man ja nicht sonderlich wählerisch sein und schliesslich ist auch Eric mehr oder weniger Patriot, Europäer und kämpft als bodenständiger Politiker mit Ausrufezeichen und in Grossbuchstaben gegen alles und irgendwas.

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Wie wir heute wissen: Die Kundgebung endete dann doch damit, dass Eric als einziger den Gegendemonstranten Buh-Rufe entlocken durfte. Und mittlerweile gehen er und Pegida wieder getrennte Wege—„nicht zu 100 Prozent" bedeutet eben auch am rechten Rand vor allem nicht ansatzweise foreverever. Das führt uns zum nächsten Punkt:

Genehmigungen und Pegida: ein Drama in zu vielen Akten

Vor der angekündigten Kundgebung in Basel geisterte Pegida Schweiz das letzte Mal im August 2015 durch die Medien. Wir erinnern uns: In einer sehr wirren Aktion umstellten zehn Patriotische Europäer im Guantamo-Häftlingslook einen Stand des Islamischen Zentralrats Schweiz, schrien „Wir wollen keine Salafisten-Schweine!", wurden deswegen kurzerhand von Passanten verjagt und als Sahnehäubchen ihrer misslungenen Polit-Impro-Show noch von Vermummten verprügelt.

Zu dieser Aktion schwirren immer noch sehr viele Fragen durch meinen Kopf: Wie schafft man es, im Land des Minarettverbots gegenüber Passanten schlechter dazustehen als fundamentalistische Muslime? Ist Pegida Schweiz vielleicht ein ausgeklügeltes Polit-Kunst-Projekt, das wir erst auf dem Totenbett verstehen werden? Inwiefern ist Eric Weber Teil dieses Projekts? Hatte Eric damals schon seine Finger im Spiel?

So sah die Nicht-Demo von Pegida in Basel aus

Vieles deutet auf ein Ja als Antwort auf alle diese Fragen hin. Warum sonst sollten die Guantanamo-Pegidisten dieses Lehrbuchbeispiel misslungener PR filmen, ins Internet entlassen und so die ganze Schweiz über sich lachen lassen?

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Der Wahrheit näher kommen wir auch, wenn wir die Aussagen des Pegida-Chefs Mike Spielmann etwas genauer anschauen: In einem Artikel betonte er: „Die SVP tut eben viel zu wenig, um die Schweiz zu schützen." Eine Organisation, die zu trottelig ist, um sich Genehmigungen für Demos zu besorgen, tut also mehr für das „Volk" als die wählerstärkste Partei der Schweiz—ich mein ja nur. Auf Facebook verkündete Mike trotzdem siegessicher: „Wir wissen, die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter uns." Und schenkt uns damit Einblicke in ein sehr individuelles und interessantes Konzept von Realität, in dem bereits 0.1 Prozent der Schweizer eine Mehrheit bilden. Genau so viele waren es, die ihre Kreuzchen an den Nationalratswahlen 2015 bei der Pegida-Partei DPS setzten.

Doch nun soll ja alles grösser, professioneller und besser werden. Pegida will gewinnen! Für die angekündigten Kundgebungen in Bern, Aarau, Frauenfeld, Zürich und Luzern überlässt sie das komplizierte administrative Zeug deshalb einem Anwalt. Anwälte kennen sich schliesslich aus mit Formularen und Gesetzen. Das Problem dabei: der Ihrige anscheinend nicht.

„Buuh, Eric!"

In Luzern wurde das Gesuch für eine Pegida-Kundgebung am 5. März abgelehnt. Für einen gestandenen Anwalt gibt's da nur nur eine denkbare Antwort: Rekurs! Den hat er laut Pegida auch eingelegt. Doof nur, wenn dieser Rekurs nie bei der Stadt Luzern ankommt. Sicherlich ist auch die so schweizerisch zuverlässig daherkommende Post bereits von subversiven Muslimen unterlaufen. So dürfte also auch zukünftig alles beim Alten bleiben: Genehmigte Pegida-Kundgebungen existieren nur in der Realität der 0.1-Prozent-Mehrheit.

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Der Ex-Posterboy Ignaz Bearth hat Pegida Schweiz den Rücken gekehrt

Man kann Ignaz Bearth vieles vorwerfen. Dass er die Fame-Bitch von Pegida ist zum Beispiel. Oder dass er diesen Fame zu einem grossen Teil auf Facebook-Likes aufbaut, die auf irgendwelchen nicht besonders europäisch-patriotischen Like-Farmen in Indien vor sich hinvegetieren. Oder dass schwachsinnige Hetze gegen alles da oben und alles da draussen die Basis seiner Karriere sind. Oder auch nur, dass er ohne Anzeichen von Ironie solche Fotos ins Internet entlässt:

Eines aber, das muss man ihm lassen: Er hat rechtzeitig mit Pegida Schweiz abgeschlossen.

Zwar unterstützt er seine Schweizer Kameraden hie und da mal mit Service-Dienstleistungen wie einem Post, den er seiner Facebook-Community (auch den Indern) zur freien Like- und Share-Verfügung stellt, hauptsächlich scheint er aber damit beschäftigt, mit seinem „Rapefugees not Welcome"-Kumpanen und Pegida-Übervater Lutz Bachmann in ein deutsches Mikrofon nach dem anderen zu brüllen. Er hat erkannt: Das Casting zu „Pegidas Next Top-Demagoge" findet nicht in der Schweiz statt.

Mit einer Bewegung, die sich nie bewegt, lässt sich eben nichts bewegen—nicht einmal die eigene Karriere. Und so haucht, wer als aufrechter Eidgenosse mit seiner Meinung Karriere machen will, Pegida Schweiz ein letztes „Lebet wohl, Kameraden" zu und zieht gen SVP oder Deutschland.


Wir durften bereits Erfahrungen mit Eric Weber sammeln:

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Zusammenfassend: Auch wenn ich mich sehr darüber gefreut hätte, persönlich den absurden Worten der stolzen eidgenössischen Europäern zu lauschen, deuten alle genannten Punkte in eine andere Richtung: Pegida in der Schweiz, das wird nichts mehr. Würde man die inhaltliche Dimension ausblenden, bliebe kaum etwas anderes übrig, als Mitleid mit diesem traurigen Haufen zu haben. Doch Pegida ist eben Pegida. Und Pegida besteht selbst nach all diesen Misserfolgen noch darauf, Pegida zu sein.

Sebastian auf Twitter: @sele_royale

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