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Der VICE-Shopping-Guide zu den hässlichsten Dingen von Wien (und Mariazell)

Es gibt ja Dinge, die sind so unglaublich scheußlich, dass man sich deren Faszination einfach nicht entziehen kann. Ungefähr so wie David Hasselhoff. Hier einige Tipps, wie ihr euch etwas ebenso Abscheuliches nach Hause holen könnt.

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Karoline Stiefel

Es gibt ja Dinge, die sind so unglaublich scheußlich, dass man sich deren Faszination einfach nicht entziehen kann. Ungefähr so wie David Hasselhoff. Oder eigentlich mehr wie David Hasselhoffs USA-Unterhemd bei seinen letzten Festival-Auftritten, in dem er den Bauch einzieht wie William Shatner auf der Enterprise, während vier spastisch zuckende Background-Tränzerinnen versuchen, ihn und sein Outfit begehrt wirken zu lassen. Und weil wir ihn insgeheim alle gern auf dem Nova Rock gesehen hätten und natürlich am allerliebsten unsere eigenen Bäuche in das wunderbare Unterhemd stecken würden, hier einige Tipps, wie und von wo ihr euch etwas genauso Abscheuliches nach Hause holen könnt.

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1. Der Markt der bösen Dinge, Sonntag 6. Juli, Hofmobiliendepot Wien, Andreasgasse 7

Wenn euch noch eine ästhetische Totalverirrung fürs Wohnzimmer fehlt, werdet ihr hier ziemlich sicher fündig. Während der Dauer der Ausstellung „Böse Dinge—Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks“ konnten Besucher nämlich ihre eigenen geschmacklichen Fehltritte aller Art (außer „Objekte, die leuchten, Krach machen, Schmutz verursachen, schlecht werden können, zum Anziehen sind oder noch leben“) einfach vorbeibringen.

Die Aktion nannte sich „Bring dein Ding“, was viele wohl auch mehr als wörtlich nahmen und überproportional viele Mitbringsel unterschiedlichster Funktionalität in Penisform anschleppten. Die meisten dieser und anderer bösen Dinge wurden dann mit einem netten Kärtchen mit Name des Spenders und dem Grund versehen, warum derjenige sein Ding unbedingt loswerden wollte—was für sich genommen schon sehr unterhaltsam ist. Anfangs Teil der Ausstellung in einem gesonderten Regal, wurde anscheinend so viel böser Kitsch vorbeigebracht, dass auch mehrere große Tische im Foyer bereits mit den herrlichsten Abscheulichkeiten vollgestellt sind.

Und das Beste: All diese mitgebrachten Skurrilitäten und politischen Unkorrektheiten werden nun am Sonntag von 10:00 bis 18:00 Uhr beim Markt der bösen Dinge verkauft. Ihr könnt also nicht nur geschmackliche Jahrhundertverbrechen zum Spottpreis erwerben, nein, der Erlös geht sogar an das neunerhaus, das sich um Obdachlose kümmert. Und Eintritt kostet es auch keinen.

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Hier eine kleine Auswahl der schönsten Überflüssigkeiten:

·      Die Geschlechtskrankheiten-Tasse: Fotos von Analwarzen und eitrigen Penissen auf weißem Porzellan. „Von: Chilli, Weil: als Geschenk für einen verrückten Freund gedacht aber dann doch als zu böse empfunden!“

·      Der Nussknacker in Form eines Außerirdischen vom Technischen Museum. „Weil: funktioniert nicht! Nuss bleibt stecken!“

·      Die Tasse mit Penis-Henkel. „Von: Corinna, Weil: wenn man daraus trinkt fühlt man sich benutzt!“

·      Diverse Porzellanfiguren von gut-hässlich bis nicht-einmal-mehr-mit-Ironie-erträglich-hässlich. Zum Beispiel „Von: Familie Meisinger, Weil: Gute Frage. Aber mein Gefühl sagt mir, dass es böse ist.“

·      Die Adam & Eva-Aufklärungsunterricht-Holzfiguren. „Von: Jerry + Linda Wien, Weil: Für den Aufklärungsunterricht nicht geeignet (Mann hat nur einen Hoden)“

·      Die grauenhaftesten, pseudoexotischsten Souvenirs die ihr euch vorstellen könnt. „Von: Judith, Weil: Nicht alles schön ist, was man aus Bali mitbringt.“

·      Eine „Father Time Animated Action Clock“, bei der ein debil grinsender nackter Weihnachtsmann als Pendel im Sekundentakt eine blonde Frau fickt.

·      Eine im krassen Gegensatz dazu sehr unschuldiger, aber ebenso unnützer Teekannenwärmer in Form eines wuschligen rosa Wollschweins.

Aber das ist wirklich nur eine winzige Auswahl, hier ist wirklich für jeden schlechten Geschmack etwas dabei. Außerdem gibt es noch diese schrägen Sissi & Franz-Badeenten im Museumsshop.

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2. Installateur Josef Reider, Zieglergasse 22, Wien

Von einem Sammelsurium der Geschmacksfehler nun zu einem Spezialitätengeschäft: Hier gibt es Klobürsten im Schaufenster zu bestaunen, an denen man einfach nicht vorbeigehen kann, ohne in dieser Faszination des ästhetisch Unzulänglichen zu schwelgen: Klobürsten, die in fein gearbeiteten Tieren aus echtem Porzellan stecken. Eine Klobürsten-Katze, ein Mops, ein Dinosaurier, ein Leopard, Ente, Hund, Robbe, Schildkröte, Schnecke, sogar ein Fisch. Kostenpunkt: Je nach Größe zwischen 36 und 45 Euro.

3. Der ganze erste Bezirk im Allgemeinen und die Hofburg im Besonderen

Da der erste Bezirk wie ein Freiluftmuseum überdimensionalen Ausmaßes funktioniert, ähneln analog dazu eigentlich alle Geschäfte Museumsshops, die immer eine ausgezeichnete Quelle für Kitsch und bizarre ästhetische Fehltritte sind. Im Besonderen die Hofburg sei hier lobend erwähnt, mit einer besonders hohen Konzentration an Hurra-Kaiserzeit-Kitsch.

4. Kaiser Stuck, Kaiserstraße 32, Wien

Mitten zwischen Stuck am laufenden Meter, „4 Engel im Set“ und handgefertigten Alabasterfiguren auf Marmorsockeln gibt es hier den „Arsch mit Ohren“, der den pausbäckigen Engelsköpfen mit Flügeln daneben im Schaufenster erstaunlich ähnlich sieht. Und deshalb auf den ersten Blick gar nicht auffällt.

Den beohrten Arsch aus Gips gibt es in unterschiedlichen Größen, natur zum selbst verzieren oder bereits in allen möglichen Farbvarianten, die Preise liegen zwischen 17 und 36 Euro. Nicht ganz erkennbar, ob die Absicht dahinter ernst, ironisch oder ein pseudo-lustiger Künstlerscherz sein soll, aber definitiv ein herausragender Geschmacksfehltritt.

5. Die Standl an der Basilika in Mariazell

Hier gibt es Devotionalien-Kitsch aus erster Hand. Nicht so einen nachgemachten, überteuerten, pseudohippen Ramsch, der bereits mehrfach ironisch verstümmelt wurde, sondern das Original mit langer Tradition. Das Sortiment reicht von Muschel-Madonnen und leuchtenden Marienfigürchen bis zu Kristallglaskreuzen, Papsttassen, Heiligenbildern, Basilikaschneekugeln und glitzernden Rosenkränzen. Um noch mehr Illusion von Individualität in eurem Wohnzimmer zu erzeugen, könnt ihr die Figuren noch mit greller Sprühfarbe und Glitter verschönern.

Und wenn ihr immer noch nicht genug von den ganzen unverfrorenen Geschmacksverirrungen habt: Bis Sonntag könnt ihr euch noch die „Böse Dinge“ Ausstellung selbst ansehen, wo ihr merken werdet, dass die Leute auch schon vor über 100 Jahren auf Geschmacklosigkeiten standen. Wer sich dabei auf total intellektueller Ebene näher mit dem guten-schlechten und schlechten-schlechten Geschmack beschäftigen will, über den es sich so vortrefflich streiten lässt, kann sich dort auch den 1912 von Gustav Pazaurek entwickelten, ausgefeilten Kriterienkatalog von Geschmacksfehlern zu Gemüte führen (die Kategorien selbst sind schon erheiternd, wie „Material-Vergewaltigung“ oder „Dekor-Übergriffe“).

Alternativ kann man sich natürlich auch einfach ordentliche Dinge ins Wohnzimmer stellen. Denn, wie Pazaurek ein bisschen verzweifelt und vor allem vergeblich gesagt hat: „Aber gerade deshalb, weil Staatsgesetze und Polizeiverordnungen uns nicht zu Hilfe kommen, müssen wir umso eifriger auf Selbsthilfe bedacht sein und dürfen bei Übertretungen gegen den guten Geschmack kein Auge zudrücken.“