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Was Schweizer Vornamen über Generationen aussagen

Namen sind eine Mischung aus funktionalen Etiketten und aktuellen Trends. Deshalb mögen die jungen Mechthilden, Walthers und Fritz' nichts weniger, als Vorstellungsrunden am ersten Schultag.
Bild von markus53

Namen sind eine Mischung aus funktionalen Etiketten und aktuellen Trends. Neben dem Vorteil, dass du dich durch sie phonetisch von anderen unterscheidest, ordnen sie dich auch ziemlich eindeutig in eine Generation ein. Deshalb mögen die jungen Mechthilde, Walthers und Fritze nichts weniger als Vorstellungsrunden am ersten Schultag.

Der Zeitgeist hat sich verändert und in Korrelation mit ihm auch die Namensgebung. Eine Jenny hätte man vor 60 Jahren wahrscheinlich noch gemobbt, während Ursula die Queen der Klasse war. Hans war der Stecher des Schulhofs und Luca hiessen nur Leute, die Hans „Tschinggen" genannt hat.

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Lesen: Was österreichische Vornamen über Generationen aussagen

Beim Schweizer Bundesamt für Statistik haben wir die beliebtesten Namen der Schweiz seit 1925 recherchiert und darüber sinniert, welche Spleens der jeweiligen Generation man aus ihnen rauslesen kann.

Deine Grosseltern (1925-1950)

Foto von Jan Ramroth; Flickr; CC BY 2.0

Mädchen: Maria, Ruth, Elisabeth, Anna, Verena, Ursula, Margrit, Marie, Gertrud, Rosmarie, Erika, Rosa, Heidi, Marianne, Rita, Katharina, Silvia, Hedwig, Edith, Martha

Buben: Hans, Peter, Walther, Werner, Josef, Ernst, Paul, Kurt, Rudolf, Heinz, Johann, Alfred, Jean, Bruno, René, Franz, Fritz, Robert, Karl, Max

Analyse: Irgendwie klingen die Namen deiner Grosseltern nach Monokel, Kopfhaube und Konversationslexikon—staubig und prestigeträchtig. Aber auch eine Spur Bauernhof schwingt mit (Heidi, Fritz). Insgesamt kann man Namen sowie Eltern mit den Kriterien futuristisch/konservativ und bürgerlich/proletarisch unterscheiden. Maria, Anna, Paul und Max haben Surrealismus, Albert Einstein und Landigeist überlebt während Walther, Werner, Franz und Hedwig zeitgleich mit der Einführung der AHV starben. Johann, Rosmarie, Elisabeth und Ernst bekamen zum Geburtstag Dürrenmatt-Romane und die Eltern von Fritz, Heinz und Gertrud durften eine Stunde länger Radio hören, wenn sie den Kuhmist anständig weggemacht hatten.

Auffallend viele Jungs erhielten altbackene Namen. Bei den Mädchen legte man offenbar mehr Wert auf Akustik und Ästhetik. Erhoffte man sich dadurch bessere Heiratschancen? Für Gertrud, Rosmarie und Hedwig hat es jedenfalls schon damals schlecht ausgesehen …

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Deine Eltern (1960-1980)

Foto von Simon; Flickr; CC BY-SA 2.0

Mädchen: Maria, Sandra, Claudia, Monika, Barbara, Karin, Andrea, Daniela, Nicole, Christine, Susanne, Brigitte, Silvia, Manuela, Ursula, Cornelia, Gabriela, Anita, Franziska, Corinne

Buben: Daniel, Thomas, Markus, Andreas, Martin, Christian, Peter, Michael, Stefan, Patrick, Urs, Marco, Marcel, Roger, Roland, Beat, René, José, Hans, Antonio

Analyse: José? Antonio?? Auf den ersten Blick zeichnet unsere Eltern ein aufkommender Hang zum Exotismus aus. So sympathisch das auch sein mag, so falsch ist es gleichzeitig. Der wirtschaftliche Höhenrausch der 60er Jahre kurbelte die Migration an. Vor allem Italiener, aber auch Spanier kamen als Gastarbeiter in die Schweiz und das hatte nicht nur die Gründung einer „Anti-Italiener-Partei" (ohne Scheiss), sondern auch eine Vielfalt der Namensgebung zur Folge. Aber auch die anderen Namen haben eine leichte Revolution hinter sich: Walther, Werner, Hedwig und Heidi sind Schnee von gestern, vielleicht hat der Kontakt mit Nichtschweizern neben latentem Fremdenhass auch eine Spur Modernität mit sich gebracht. Ein Restfunken Nostalgie bleibt aber: Peter, René, Hans und Ursula halten sich hartnäckig. Letzterer vermutlich aufgrund des Schweizer Bond Girls Ursula Andress, Symbol für die vermeintliche Internationalität und den Erfolg der Schweiz. Ausserdem zeichnet sich bereits der aufkommende M-Fanatismus—so viele Namen beginnen mit dem Buchstaben—ab, der deine Generationskumpanen und vielleicht auch dich auszeichnet.

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Du (1980-2000)

Foto von Saskia Kolasinski; Flickr; CC BY-SA 2.0

Mädchen: Sarah, Sandra, Nicole, Sabrina, Laura, Andrea, Melanie, Daniela, Jessica, Fabienne, Nadine, Martina, Claudia, Stefanie, Vanessa, Sara, Maria, Manuela, Jasmin, Céline

Buben: Michael, Daniel, Marco, David, Thomas, Simon, Patrick, Stefan, Christian, Pascal, Andreas, Fabian, Marc, Nicolas, Lukas, Kevin, Martin, Manuel, Luca, Florian

Analyse: Die Swissness hat Antonio und José wieder vertrieben, aber man hat immer noch die Wahl zwischen Lukas und Luca. Von Burim und Blerim fehlt noch jede Spur, obwohl so viele Leute Überfremdungs-Panik haben. Stattdessen haben Kevins, Sabrinas, Melanies und Marcs Hochkonjunktur. Man assoziiert die Namen unwillkürlich mit VIVA und Arschgeweihen und allem sonstigen Trash, den 90er und Millennium zu bieten haben. Versprich mir, dass du deine Kinder anders nennen wirst.

Deine Kinder (2000-2013)

Foto von epSos; Flickr; CC BY 2.0

Mädchen: Laura, Lara, Sara, Julia, Anna, Sarah, Lea, Nina, Chiara, Emma, Lena, Elena, Lisa, Leonie, Alina, Mia, Vanessa, Alessia, Sophie, Jana

Buben: Luca, Noah, David, Simon, Samuel, Tim, Jan, Jonas, Nico, Lukas, Matteo, Nicolas, Gabriel, Leon, Robin, Leandro, Fabio, Joel, Marco, Fabian

Analyse: Schlugen uns in den 80ern S-e und M-e nur so um die Ohren, haben sich nun L-e auf die Beliebtheitsskala geputscht und propagieren die Konformität weiter. Offensichtlich ist das einzige, was uns von der Vorgängergeneration unterscheidet, die Präferenz der Anfangsbuchstaben. Wenn du ein Mensch bist, der Wert darauf legt, nicht mit der Masse zu schwimmen, dann solltest du dein Kind jetzt Gertrud taufen. Oder Walther. Dann kannst du einerseits sicherstellen, dass sich jeder den Namen deines Kindes merken kann und andererseits, dass dein Kind dich bis ans Ende seines Lebens hassen wird. Die aktuelle Namensgebung zeigt, wie die angestrebte Individualität in ihr komplettes Gegenteil führt. Exotismus und Bürgertum haben sich verabschiedet, den Massstab für geeignete Namen, politische Einstellungen und Klamotten liefert das Mittelmass.

ViceSwitzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild von markus53; Pixabay; CC0 1.0