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Wie die ,Kronen Zeitung‘ mit einer vermeintlichen „Niqab-Kindergärtnerin“ Angst schürt

Die Zeitung hat Fotos eine verschleierten „Kindergärtnerin" veröffentlicht. Die Hintergrundinfos sind aber genau so falsch wie die Aussage, religiöse Kleidung wäre mit Kindergartenpädagogik unvereinbar.

Screenshot von krone.at

Die Kronen Zeitung hat am Mittwoch einen kleinen Skandal aufgedeckt—zumindest ihrem Begriffsverständnis nach: Eine vermeintliche Kindergartenpädagogin war angeblich im Niqab, also ganzkörperverschleiert, mit einer Kindergruppe am Wiener Naschmarkt unterwegs.

Eine Leserin hat Bilder der Frau und der Kindergruppe geschossen und fragt sich nun, wie denn nur von einer solchen Kindergarten-Tante „unsere Werte" vermittelt werden können. Und was sagen eigentlich die Behörden dazu? Die User-Kommentare im Artikel wurden zu unser aller Seelenfrieden deaktiviert.

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Die Information, dass es sich bei der abgebildeten Person im Niqab tatsächlich um eine Kindergärtnerin handle, erweist sich nach unserer Recherche jedoch als falsch. Fuat Sanac, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, hat beim betroffenen Kindergarten nachgefragt.

Gegenüber VICE sagt er: „Bei der verschleierten Person handelt es sich nicht um eine Kindergartenbetreuerin, sondern um eine Familienangehörige." In diesem konkreten Fall soll es sich außerdem lediglich um eine Verwandte aus Ägypten gehandelt haben. Auf Anfrage erklärt man uns auch in besagtem Kindergarten, dass es unter den Kindergärtnerinnen keine Personen mit Niqab gäbe.

Fuat Sanac habe außerdem mit der Kronen Zeitung ein längeres Gespräch darüber geführt, letztlich seien in dem Bericht aber nur jene Zitate verwendet worden, die den Krone-Bericht nicht widerlegen würden.

Wir haben auch bei fünf weiteren muslimischen Kindergärten, die die Islamische Glaubensgemeinschaft auf ihrer Seite empfiehlt, angefragt. Nirgendwo sind die Pädagoginnen verschleiert, sondern tragen höchstens ein Kopftuch.

Im Artikel wird weiters angeführt, die Kindergruppe komme aus einem islamischen Privatkindergarten in der Arnethgasse in Ottakring. Florian Klenk, Chefredakteur beim Falter, hat am Donnerstagabend auf Facebook gepostet, er habe herausgefunden, dass es sich bei den Kindern auf dem Bild um keine Gruppe aus diesem konkreten Kindergarten handelt, wie in der Kronen Zeitung behauptet.

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Beim zuständigen Amt der Stadt Wien für Jugend und Familie, der MA11, sagt man uns in Bezug auf die Kleiderordnung in öffentlichen Kindergärten: „Die Sichtbarkeit des Gesichtes ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Erwerb von emotionalen, sozialen und sprachlichen Kompetenzen bei Kindern ist und steht demnach in engem Zusammenhang mit der pädagogischen Bildungsarbeit. Falls bei Kontrollen durch die MA 11 Bekleidungen bemerkt werden, welche eine Verschleierung des Gesichtes zur Folge haben, wird dies dem Betreiber des Kindergartens im Hinblick auf die Umsetzung der pädagogischen Bildungsarbeit zur Kenntnis gebracht."

Gleichzeitig sei dies aber in der Praxis kaum ein Problem, wie uns seitens der Öffentlichkeitsarbeit der MA11 gesagt wird: „Generell ist es nirgends ein Thema, wie man sich aus religiös motivierten Gründen kleidet, solange man den Bildungsplan umsetzt und österreichische Werte vermittelt. Sonst gäbe es in Kindergärten ja auch keine Nonnen."

Verena auf Twitter: @verenabgnr

Thomas auf Twitter: @t_moonshine

Update: Eine frühere Version des Artikels beinhaltete den Satz: „Die Story erweist sich nach unserer Recherche jedoch als falsch." Dieser wurde hier durch folgende Formulierung ersetzt: „Die Information, dass es sich bei der abgebildeten Person im Niqab tatsächlich um eine Kindergärtnerin handle, erweist sich nach unserer Recherche jedoch als falsch." Zusätzlich haben wir die Stellungnahme der MA11 um das erste Teilzitat ergänzt.