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Sex

Dieser deutsche Politiker macht Wahlkampf auf Tinder

Über sich selbst sagt Alexander Freier, er sei ein Kandidat "zum Liebhaben". Sein Ziel: Politik zum "Anfassen und Mitmachen".

"Ich bin ein unorthodoxer Kandidat, einer zum Liebhaben", sagt Alexander Freier, Kandidat für das Berliner Abgeordnetenhaus. Das Ziel des 29-Jährigen sei, "Politik zum Anfassen und Mitmachen" zu machen. Nun sind das, wenn man so mag, zweideutige Worte. Denn Alexander Freier macht Wahlkampf auf einer Plattform, über die sonst Menschen eine Nacht lang der Einsamkeit der Großstadt zu entfliehen versuchen oder einen Partner für einen Dreier suchen. Tinder. Dort sammelt Alexander Freier seit Mitte Juli Matches. Matches, die zu neuen Wählern werden sollen. 200 hat er bislang.

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"Mittlerweile werde ich auch auf der Straße erkannt. Die Leute sagen: 'Hey, ich habe dich auf Tinder gesehen'", sagt er zu VICE. Zwei Mädchen auf dem CSD zum Beispiel, Nicole und Nicole hießen die. "Ich finde das super", sagt Freier. Seine Sucheinstellungen: Frauen und Männer von 18 bis 99. Also alle, die als Wähler in Frage kommen. Sein Umkreis: zwei Kilometer. So hat er besonders viele Matches in seinem Wahlkreis, wo er sich oft aufhält.

Freier wischt bei jedem nach links. "Außer, wenn jemand offensichtlich rechtsradikal wäre, dann würde ich ihn nicht matchen." Die Gruppe, die er mit Tinder erreichen kann, ist trotzdem eingeschränkt. Er kann Matches haben mit hetero- und bisexuellen Frauen und homo- und bisexuellen Männern. Bei heterosexuellen Männern und homosexuellen Frauen taucht er als Mann gar nicht erst in den Vorschlägen auf.

Ziel der Kampagne: Die Leute zu erreichen, die er mit Flyern und klassischen Wahlkampfveranstaltungen nicht erreicht. Und wo sind diese ominösen jungen Leute? Neben Facebook, Instagram und Twitter eben auch auf Reddit, Snapchat und Tinder. Er ist nicht der Erste, der so was probiert. Donald Trump hostet morgen auf Reddit eine "Ask me anything"-Session, in der Schweiz erntete die Grüne Aline Trede letztes Jahr Medienaufmerksamkeit, nachdem ihr Tinder-Wahlkampfprofil zeitweise gesperrt wurde.

Was gibt es genau zu lesen von dem Berliner SPD-Politiker auf Tinder? "Fragen zur Kindertagesbetreuung, wie man am besten einen KITA-Platz bekommt, oder zu TTIP", sagt Freier. Ernsthaft? Keine anzüglichen Anfragen? "Nein, mein Profil ist ja offensichtlich eine Wahlkampfkampagne, das nehmen die Leute auch so wahr."

Ein bisschen intimer als mit Fragen zu TTIP und KITA wird es aber schon auf seinem Tinder-Account. Die Matches duzen ihn. "In der SPD duzen sich alle und das ist auch darüber hinaus OK", sagt Freier. Manche Leute schreiben sehr regelmäßig, er antwortet ihnen dreimal am Tag. "Sie interessieren sich dafür, wo ich war, was ich gemacht habe", sagt er. Manchmal verweise er nach einer Weile auf seine Facebook-Seiten. "Da gibt es meine Seite als Politiker und einen halb privaten, halb politischen Account." Auf dem privaten Account findet sich zum Beispiel ein Bild aus der Bar, Getränk in der Hand, Bildunterschrift: "Keine Termine und leicht einen sitzen (Harald Juhnke)".

Letztes Jahr hieß es von der SPD auf die Frage, ob man sich einen Wahlkampf auch auf Dating-Plattformen vorstellen könnte, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk noch: "Eine Präsenz auf Flirt-Portalen kommt nicht infrage." Marisa Strobel, Pressesprecherin der Berliner SPD, sieht aber kein Problem. Zur B.Z. sagte sie: "Die Kandidaten sind frei in ihrer persönlichen Wahlkampfführung, solange sie nicht gegen Recht und Gesetz oder gegen das Parteistatut verstoßen." Freier hat seine Idee ohne Rücksprache trotzdem durchgezogen. Die Kollegen finden es gut. "Die Rückmeldung ist positiv", sagt er. Kollegen würden sich eher ärgern, dass sie die Idee nicht selbst hatten.