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Tomorrow Comes Today

Wir haben Generationen-Vorurteile von Oma, Mutter und Tochter analysieren lassen

Sophie, Elisabeth und Sybille haben mit uns über die Klischees ihrer jeweiligen Generation gesprochen.

Alle Fotos: Matti Aki Wulfes

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Raiffeisen.

Früher war alles besser. Oder sagen wir, einfacher. In den 1960ern wurden feiernde Menschen auf den Äckern von Woodstock gleich mal zum Symbol eines ganzen Jahrzehntes erklärt. Langhaarig, sympathisch verpeilt und am besten dauerbekifft, während sie für den Weltfrieden und freie Liebe demonstrierten und dabei zum Inbegriff der Provokation wurden. Gut, zwei Personen sind dabei auch gestorben und auf dem Gelände wurde während des Festivals der Ausnahmezustand verhängt, aber wer wird denn historisch so genau sein.

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Und heute? Heute blickt niemand mehr so richtig durch. Zuschreibungen, mit denen junge Menschen charakterisiert werden, ändern sich wöchentlich: egoistisch, beziehungsunfähig—durch Facebook, Tinder und Whatsapp zwischenmenschlich verwahrlost, aber trotzdem an FOMO leidend; und dabei zwischen ständigen Aussteiger-Gedanken und stockkonservativer Karriereplanung schwankend. Zugegeben: ein bisschen trifft es ja schon zu. Wenn nicht auf uns selbst, dann zumindest auf irgendwen im Freundeskreis.

Etwas, dass sie in ihrer Jugend jedoch alle verband—die Veteranen, die Boomer und die Generation Y—ist das Vorurteil, sie würden keine Gedanken an Morgen verschwenden, geschweige denn in Krisenzeiten vorsorgen. So war das damals bei den 68er Sexrevoluzzern, die heute unsere Eltern sind, denen wir wiederum irrsinnigen Vorsorge- und Planungswahn unterstellen. Und so geht es auch der heutigen, softeren Variante jugendlicher Rebellen—der Generation Y. Man schreibt uns hinsichtlich unserer Zukunftsvisionen völlige Unbekümmertheit bei gleichzeitiger Depression zu.

Weil sich ohnehin genug Sozialwissenschaftler und Lifestyle-Kolumnisten darüber den Kopf zerbrechen, welche Wörter sich nach Generation anfügen lassen—Generation plus eine aktuelle Hype-App gehen immer—, haben wir einen Selbstversuch gestartet.

Wir haben drei Frauen aus drei Generationen an einen Tisch gebracht und mit ihnen geredet—über Zukunftsplanung, ihre Ängste und was sie über die Altersgruppe der jeweils anderen denken.

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Sophie ist 25, vor kurzem mit dem Studium fertig geworden und jetzt Berufseinsteigerin als Sales-Managerin. Mama Elisabeth ist 48 und ehemalige Vermögensberaterin. Oma Sybille war 40 Jahre lang in der Werbung tätig und ist jetzt Pensionistin.

VICE: Wann habt ihr euch zum ersten Mal konkrete Gedanken, um eure Zukunftsplanung gemacht?
Sophie: So mit 18, nach der Matura. Da habe ich mich gefragt, was ich künftig beruflich machen will, was mich überhaupt interessiert.
Elisabeth: Mit 14. Da habe ich mir wohl zum ersten Mal konkret meine Zukunft vorgestellt. Also mich gefragt, wo ich beruflich und familiär hinwill.
Sybille: Ich hatte auch mit 14 das erste Mal konkrete Berufsideen. Ich wollte damals Kindergärtnerin werden.

Ich wusste nicht, ob ich weiterstudieren, oder arbeiten sollte. Ob ich überhaupt einen Job bekommen würde und welchen ich überhaupt will.

Gab es Zeiten, in denen ihr beruflich, finanziell oder sonst irgendwie Sorgen über eure Zukunft hattet?
Sophie: Bei mir war das nach dem Bachelor-Abschluss. Zu dieser Zeit war ich Single und hatte Angst, dass ich alleine bleibe. Ich wusste nicht, ob ich weiterstudieren, oder arbeiten sollte. Ob ich überhaupt einen Job bekommen würde und welchen ich überhaupt will.
Elisabeth: Ich hatte nie konkrete Ängste, ehrlich gesagt. Ich habe immer darauf vertraut, dass sich schon etwas ergeben wird. Wichtig war mir nur, eigenständig zu sein.
Sybille: Ich habe auch keine Angst gehabt—ich war schon immer sehr optimistisch, wusste immer ungefähr eine Richtung, in die ich gehen wollte. Dass ich später einmal vielleicht keinen Job finde, darüber habe ich mir jedenfalls nie Sorgen gemacht.

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Was beschäftigt dich hinsichtlich deiner Zukunft momentan am meisten
Sophie: Was ich bis zu meiner Pension mache. Ich lebe zwar immer im Moment, aber ich frage mich, ob mich mein Job immer erfüllen wird, ob ich den gleichen Beruf mein Leben lang ausüben will.
Elisabeth: Meine drei Töchter sind am besten Weg ihre Ausbildungen abzuschließen, ich bin Privatier und habe nun mehr Zeit für mich. Mein nächster großer Fokus ist wohl das Dasein als Großmutter.
Sybille: Nun ja, ich bin immerhin im guten letzten Drittel angekommen—das muss man einfach mal sagen. Im Prinzip will ich künftig einfach so lange wie möglich gesund bleiben. Ich wünsche mir noch gute 20 Jahre, ist vielleicht ein bisschen unbescheiden, aber wünschen darf man sich es ja.

Sybille, was war ein früher Berufswunsch deiner Tochter?
Sybille: Dazu hat sie sich nie geäußert. Sie war immer gut mit Zahle und hat letztendlich technische Mathematik studiert.
Elisabeth: Was mich eigentlich interessiert hätte, wäre Kinderärztin, aber das habe ich mich nicht getraut. Sophie wollte Primaballerina, Filmstar oder Topmodel werden.
Sophie: (lacht) Ärztin wollte ich auch mal werden.

Sophie ist jetzt 25 und hat ihre Sorgen schon geschildert, was waren eure größten Zukunftssorgen mit 25?
Elisabeth: Als ich 25 war, war Sophie ein Jahr alt und ich war schwanger mit meinem zweiten Kind. Meiner Sorgen waren praktischer Natur: wie finde ich einen Kindergartenplatz, wie organisiere ich unseren Alltag und so weiter.
Sybille: Mit 25 musste ich zwei Kinder und den Haushalt alleine führen—aber das hat mich nie gestört, ich war damals sehr optimistisch.

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Eurer Generation geht es so gut, wie keiner anderen Generation davor. Da können schon mal Unzufriedenheit aufkommen und die Frage, was man wirklich will.

Für unsere "Generation" steht Selbstverwirklichung oft im Vordergrund. Wie war das bei euch?
Elisabeth: Das ist wohl vor allem eine Geld- und Zeitfrage. Ich habe jung geheiratet, für solche Gedanken war da gar kein Platz. Aber ich hatte niemals das Gefühl, etwas zu versäumen.
Sybille: Eurer Generation geht es so gut, wie keiner anderen Generation davor. Da können schon mal Unzufriedenheit aufkommen und die Frage, was man wirklich will.
Elisabeth: Modern ist es ja, dass sich Schüler nach der Matura eine Auszeit nehmen—ich frage mich da immer: Wovon denn? Was hat man denn bisher geleistet?
Sophie: Ich finde das gar nicht so schlecht, erst mal eine Weltreise zu machen. Natürlich wenn es finanziell möglich ist. Mir persönlich wäre ein Jahr Auszeit aber einfach zu fad.

Ihr habt euch sicher schon einmal gedacht, dass ihr auf keinen Fall so werden wollt, wie eure Mutter. Was waren das für Eigenschaften, die euch gestört haben, die ihr nun angenommen habt?
Sophie: Mir persönlich ging immer sehr auf die Nerven, dass meine Mutter so ein Routine-Mensch ist. Und außerdem würde ich meinem Kind nie etwas verbieten, das habe ich beim Babysitten gelernt. Wenn du nein sagst, machen sie es erst recht.
Elisabeth: Bei mir waren es auch eher Dinge, die mit Kindererziehung zu tun hatten—Phrasen, die ich meinen Kindern nie auftischen wollte und es trotzdem getan habe.

War es für euch jemals eine Option, keine Kinder zu haben?
Sophie: Ja schon, das denke ich mir immer, wenn ich auf Reisen bin: Ich kann machen, was ich will, ohne Verantwortung für jemanden zu tragen. Aber natürlich könnte ich mir vorstellen, später Kinder zu haben, mich fortzupflanzen (lacht).
Elisabeth: Nein, überhaupt nie. Ich habe mir als junge Frau dann doch eher die Frage gestellt: Was ist, wenn ich keine kriegen kann? Dann hätte ich welche adoptiert. Mein Kinderwunsch war präsenter und wichtiger als alles andere. Gereist sind wir damals auch zu fünft durch die ganze Welt. Man reist natürlich anders mit Kindern. Es ist eine Willensfrage.


Alle Fotos: Matti Aki Wulfes