Drogen

Wir haben einen Zollbeamten gefragt, wie im Hamburger Hafen Kokain gefunden wird

Zuletzt wurden 4,5 Tonnen beschlagnahmt – in Sporttaschen.
Ein Zollbeamter mit Helm
Foto: Hauptzollamt Hamburg

Während Berghain-Fans vielleicht gerade panisch ihre Dealer leer kaufen, gibt es im Hauptzollamt Hamburg einen Grund zum Feiern. Vor etwa zwei Wochen hat der Zoll am Hamburger Hafen 4,5 Tonnen feinstes Kokain beschlagnahmt. Der Straßenverkaufswert: knapp eine Milliarde Euro.

Bei dem Fund handelt es sich um die größte Kokainlieferung, die in Deutschland jemals entdeckt wurde. Die Ermittler fanden die Drogen in 211 schwarzen Sporttaschen, als sie einen Frachtcontainer mit Sojabohnen kontrollierten. Das Schiff war von Südamerika über Hamburg nach Antwerpen unterwegs.

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Wir haben Oliver Bachmann, Pressesprecher des Hauptzollamts in Hamburg, gefragt, ob Konsumierende jetzt nichts mehr zum Ballern haben und wie der Zoll verdächtige Container überhaupt erkennt.

VICE: Herr Bachmann, der Zoll hat mit einem Schlag halb so viel Kokain gefunden wie im Vorjahr. Können Sie jetzt den Rest des Jahres Urlaub machen?
Oliver Bachmann: Natürlich nicht. Wir müssen weitere Risikoanalysen durchführen und schauen, was wir noch finden können. Es geht ja nicht immer nur um Betäubungsmittel. Wir beschäftigen uns auch mit Feuerwerkskörpern, fingierten Berechnungen oder Lebensmitteln. Ein großer Fund bedeutet noch lange nicht, dass wir uns auf die faule Haut legen können.

Wie und wo wird ein so großer Koksfund verwahrt?
Es gibt gewisse Lagerkapazitäten und Lagerräume. Mehr darf ich Ihnen dazu nicht sagen.

Der Fund ist bereits vernichtet worden. Wieso so schnell?
Die große Masse ist als Beweismittel nicht notwendig, deshalb haben wir das Kokain verbrennen lassen. Natürlich haben wir für mögliche Verfahrensabläufe eine kleine Referenzmenge behalten, die sauber verwahrt wird.

Auf was achten sie da in der Beweissicherung?
Wir schauen bei der Beweissicherung sowohl auf die Taschenmarke und Aufdrucke als auch auf die chemische Zusammensetzung.

Wie erkennt der Zoll denn verdächtige Container?
Wir führen eine Risikoanalyse durch. In dem Fall handelte es sich um ein Schiff, das aus Südamerika kam und laut Manifest Sojabohnen geladen hatte. Es gibt bestimmte Waren, die häufiger als Tarnwaren benutzt werden, Sojabohnen gehören dazu. Wir schauen aber nicht nur, inwiefern Fracht und Standort zusammenpassen, sondern auch, welche Firmen beteiligt sind und welche Häfen bereits angefahren wurden oder noch angefahren werden sollen. Manche Firmen sind uns bereits bekannt.

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In dem konkreten Fall kamen mehrere Parameter zusammen. Es ging also nicht nur um die Bohnen, das wäre ja ein Generalverdacht. Wir haben jedoch entschieden, uns das Ganze genauer anzusehen. Grundsätzlich dürfen wir alle Container durchsuchen. Dann würden wir das Schiff jedoch für lange Zeit lahmlegen. Deswegen gehen wir zielgerichtet an bestimmte Container ran.

Wie viele Container öffnet der Zoll und findet nichts darin?
Dazu führen wir keine Statistiken. Es geht ja nicht immer nur um Rauschgift, sondern mitunter auch um Unterfakturierung, also falsche Zollanmeldungen, um verbrauchsteuerpflichtige Waren oder Waffen. Wenn man das alles mit einbezieht, haben wir eigentlich eine hohe Trefferquote.

Der Straßenwert des Kokains wird auf eine Milliarde Euro geschätzt. Wie berechnen Sie das?
Den Straßenwert machen wir vom Reinheitsgrad des Kokains abhängig. Erfahrungsgemäß kann mit einem Kilo zwischen 28.000 und 70.000 Euro erzielt werden. Der Reinheitsgrad dieser Lieferung war sehr hoch. Das Kokain hätte man mindestens noch zwei oder dreimal strecken können. Da kommen dann solche Zahlen her.

In diesen Sporttaschen wurde das Kokain gefunden.

In diesen Sporttaschen wurde das Kokain gefunden.

Im Frühjahr 2017 machte der Zoll im Hamburger Hafen gleich drei Großfunde. Seitdem liegen immer wieder mehrere Monate zwischen Großfunden. Wird man da als Zoll unruhig?
Nö, wieso? Manchmal sind unsere Funde ja auch kleiner und werden nicht so hochgradig an die Presse getragen wie in diesem Fall. Unsere Arbeitsergebnisse geben uns Recht, dass wir mit der Risikoanalyse richtig verfahren. Auch ein kleiner Aufgriff ist ein guter Aufgriff.

Wenn Sie die Drogen mal nicht finden, sind sie vermutlich angekommen, oder?
Es geht letztendlich ja nicht nur um uns hier in Hamburg, sondern um den Drogenschmuggel im Allgemeinen. Wenn es Aufgriffe in anderen Häfen gab, dann greifen die Risikoanalysen ja trotzdem. Mal läuft das etwas mehr über Hamburg, mal mehr über Antwerpen. Es gibt genügend Häfen in Europa, an denen die Waren ankommen können. Es ist also kein Grund für uns, nervös zu werden, wenn wir einige Monate keinen Großfund hatten.

Im November 2018 wurden 300 Kilo in der Rückbank eines VW-Bullis gefunden, war das für sie der bislang ungewöhnlichste Fund?
Zumindest der optisch mit ansprechendste Fund. Die Drogenschmuggler haben genügend Fantasie. Die machen sich manchmal die Arbeit und höhlen ganze Europaletten aus. Manchmal werden die Drogen auch in Reifen verarbeitet oder statt den Motoren eingebaut. Man muss den Drogenschmugglern schon zugestehen, dass sie das handwerklich sehr geschickt machen.

Glauben sie, dass Kokain-Konsumierende nach dem neuesten Riesenfund jetzt vergebens auf ihre Lieferungen warten?
Ich befürchte Nein. Den Markt beeinflusst der Fund nach Einschätzungen des Fahndungsamtes kaum. Ich habe keine genauen Zahlen dazu, wie viel Kokain in Deutschland vermutet wird. Laut dem Leiter des Zollfahndungsamts wurden 2018 in den Niederlanden, Belgien, Spanien und Frankreich rund 90 Tonnen Kokain sichergestellt. Das ist eine Tendenz dahin, dass Kokain immer mehr wird. Die Produktion in Südamerika kann damit umgehen, selbst wenn sie so große Verluste hat.

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