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Frauenrechte

Warum wir aufhören sollten, Nicki Minaj als feministische Ikone zu bezeichnen

Die Rapperin will Frauen beibringen, wie sie zum "Boss" werden und guten Sex kriegen. Aber nur, wenn sie nach Nickis Regeln spielen.
Foto: imago | ZUMA Press

Nicki Minaj wedelt ihren Fans weder mit platinbesetzten Feminismus-Faust-Fahnen vor der Nase herum, noch schreibt sie Punchline-Manifeste darüber, wie brutal sie das Patriarchat ficken will. Trotzdem zelebrieren viele Journalisten und Journalistinnen die 35-jährige Rapperin als Ikone der popkulturellen Frauenbewegung: Minaj inszeniere sich als kluge, erfolgsorientierte Schwarze Frau, die sexuell emanzipiert ist und damit zahlreiche andere Frauen empowert. Zweifellos machen Nickis Kampferklärungen an enttäuschende Liebhaber und eine sexistische und rassistische Musikindustrie sie zu Recht zur Inspiration zahlreicher Fans. Doch viel zu oft trifft die Rage der Minaj nicht die, die es verdient hätten – sondern vor allem andere Frauen.

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Eigentlich ist es ironisch, dass Menschen Nicki Minaj ständig als Ikone des Feminismus bezeichnen, denn die Rapperin tut es nicht einmal selbst. Als sie in einem Vogue-Interview 2015 gefragt wurde, wie sie zur feministischen Bewegung stehe, erklärte Minaj, sie wolle sich kein Label aufdrücken lassen: "Ich tue Dinge, die Feministinnen nicht mögen, und welche, die sie gut finden." Und tatsächlich: Während Minaj von sich sagt, sie helfe anderen Frauen dabei, sich zu holen, was ihnen zusteht, und deutsche Feuilleton-Artikel sie dafür feiern, dass sie sich aussucht, mit wem sie Sex hat, sind viele ihrer Aktionen fragwürdig bis ziemlich unfeministisch.

Frauen, die Nicki Minaj kritisieren, landen in einem Shitstorm

Für Menschen, deren Streaming-Playlisten aus 90er-Jahre-Britney-Songs bestehen, mag es überraschend sein, aber: Beef gehört zum HipHop und Battle-Rap wie der lizenzfreie Anfangs-Jingle zu einem mittelmäßigen YouTube-Account. Allerdings scheinen Streit und negative Energien auch abseits von Diss-Tracks zu Nicki Minajs Leidenschaften zu gehören: Es gibt von Cardi B über Remy Ma bis hin zu Lil' Kim kaum eine weibliche Rapperin, mit der Minaj keinen öffentlichen Konkurrenz-Kampf ausgetragen hat. Zwar bekundete Minaj erst vergangene Nacht in ihrer VMA-Dankensrede ihre Liebe zur Girlgroup Fifth Harmony, und sicherlich mag Streit mit anderen Künstlerinnen auch Teil einer verkaufsfördernden Geschäftsstrategie sein. Wenn Minaj allerdings nur Frauen unterstützt, die ihr in ihren Verkaufszahlen nicht in die Quere kommen, ist das nicht wirklich feministisch.

Doch auch Frauen, die nicht selbst rappen, laufen Gefahr, von Königin Minaj und ihren Fans den Kopf abgerissen zu bekommen. Und dafür müssen sie machmal nur wagen, Kritik auszuüben: Erst Ende Juni attackierte die Rapperin die Musikjournalistin Wanna Thompson per Twitter-Privatnachricht, nachdem diese getwittert hatte, dass Nicki Minaj reifere Themen in ihren Tracks verarbeiten solle. In einem epischen schriftlichen Wutanfall bezeichnete Minaj Thompson daraufhin als "hässliche, eifersüchtige, eierlutschende Hoe". Selbst als die Journalistin Screenshots davon veröffentlichte und manische Minaj-Fans ihr laut eigener Aussage Morddrohungen schickten, rückte die Rapperin nicht von ihrer latent cholerischen Position ab und ließ die "Barbz" weiter wüten.

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In einem Essay erkennt die Journalistin J'na Jefferson an, dass es gut sei, wie Minaj ihre Plattform für Body Positivity nutzt und auf die Probleme von Schwarzen Frauen hinweist. "Aber es ist nicht OK, dir auszusuchen, wann du welche Art von Feministin sein willst", so Jefferson, "und es ist schon gar nicht OK, jemanden runterzumachen, der weniger erfolgreich ist als du, nur weil du dich bedroht fühlst."

Nicki empowert Frauen – und macht gleichzeitig andere nieder

Nicki Minajs durchaus wichtige Beiträge zum Support anderer Frauen (und ja, sogar der von Männern!) lassen sich nicht leugnen: Im vergangenen Jahr startete die Rapperin den Hashtag #StudentoftheGame und bezahlte ausgewählten Fans die Studienbeiträge, wenn diese ihr Fotos von ihren guten Zeugnissen schickten. Auch dieses Jahr wählte sie 37 glückliche Gewinner und Gewinnerinnen, um diese bei ihrer Ausbildung zu unterstützen.

Im Interview für die Juli-Ausgabe von Elle erklärte Minaj, wie wichtig es ihr sei, nicht von einem Mann abhängig zu sein und selbst entscheiden zu können, wann sie wofür wie viel Geld ausgibt. Ein Statement, für das ihr wahrscheinlich nicht nur die feministische Twitter-Bubble anerkennend Herzchen schickte. Doch Empowerment bedeutet bei Minaj oft auch, Frauen niederzumachen, um andere daran kontrastreich emporzuheben: Im gleichen Interview sagt die Rapperin, eine der Messages ihres Albums Queen sei, dass Frauen "ihre Beine auch mal geschlossen halten" könnten.

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Auch bei VICE: Die Black Women's Defense League kämpft mit Waffen gegen Rassismus und Frauenfeindlichkeit


"Ich habe nicht gemerkt, wie viele Frauen moderne Prostituierte sind", so Minaj, "egal, ob du Stripper oder Instagram-Girl bist – diese Frauen haben so viel zu bieten. Aber ich habe herausgefunden, dass man ihnen ein paar tausend Dollar geben und Sex mit ihnen haben kann." Es ist sicherlich alles andere als falsch, Frauen beizubringen, dass sie mit Typen, die alle Frauen außer Mutti als "Schlampen" bezeichnen, nicht vögeln müssen. Doch besonders mit dem überraschend konservativen Vorwurf, Frauen würden mit dem Verkauf von Sex an Wert verlieren, entwertet die "Anaconda"-Interpretin Sexarbeit – und macht sich zur Scheinheiligen. Viele von Minajs Songs drehen sich darum, wie Typen sie für ihre sexuellen Talente mit teuren Taschen beschenken. Doch dass Frauen mit der von Minaj gepredigten sexuellen Freiheit auch ihre Monatsmiete finanzieren, scheint für die Rapperin unverständlich zu sein.

Sie arbeitet mit einem verurteilten Sexualstraftäter zusammen

Angesichts der Tatsache, dass Nicki Minaj mit fast jeder weiblichen Rapperin Beef hat oder hatte, war es sicher keine leichte Aufgabe, für ihre bevorstehende Tour mit Future Hendrix eine Frau als Support Act heranzuholen. 6ix9ine, der kürzlich angekündigte Nebenkünstler der "NickiHndrxx"-Tour, ist aber nicht einfach ein weiterer Typ: Er ist ein verurteilter Sexualstraftäter. Im Jahr 2015 bekannte sich 6ix9ine schuldig, sexuellen Kontakt mit einer zu dem Zeitpunkt 13-Jährigen gehabt und Videos davon online verbreitet zu haben.

Warum es problematisch ist, sich für ihre Tour und einen Track auf ihrem Queen-Album einen solchen Mann an die Seite zu holen, scheint Nicki Minaj nicht nachvollziehen zu können: "Ihr könnt über ihn sagen, was ihr wollt", sagte die Rapperin vergangene Woche im Interview mit der Musik-Plattform Genius, "aber ich sah etwas in 6ix9ine, das ich wirklich mochte".

6ix9ine als Support zu wählen, ist nur eine von vielen fragwürdigen Aktionen, die Nicki Minaj mit ihrem subjektiven Empfinden rechtfertigt. Was die Herrscherin aus dem Bauch heraus gut findet, scheint sie nicht in Frage zu stellen. Was ihr allerdings missfällt, straft die Königin des Rap auf Social Media mit der Cyber-Guillotine. Dass Nicki Minaj sich damit teilweise zum wandelnden Widerspruch macht, entschuldigt sie damit, dass sie sich kein Label aufdrücken will. In einer Autokratie mag das eine zulässige Erklärung sein. Im Feminismus, in dem zwar niemand perfekt, aber grundsätzlich bereit sein sollte, sich zu hinterfragen, ist eine solche Einstellung aber nur eins: unreflektiertes Arschloch-Verhalten.

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