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Dokumentation

Wenn du diesen Film schaust, kannst du bis zu 4.000 Euro sparen

Die Doku 'Der Motivationstrainer' ist ein Einblick in die Welt von Jürgen Höller. Den Mann, den Menschen teuer bezahlen, damit er sie anschreit.
Screenshot aus dem Film "Der Motivationstrainer"

Der beste Witz des Films kommt gleich am Anfang. Jürgen Höller tritt auf den Balkon eines Alpenhotels wie auf eine Bühne, breitet die Arme vor dem Panorama aus und sagt laut und deutlich: "Ich lebe in Heiterkeit, Freude und Leichtigkeit." Insgesamt dreimal sagt der Motivationstrainer das, und das Absurde daran wird einem erst am Ende des Filmes klar – wenn man Höller über eine Stunde beobachtet hat und mittlerweile weiß, dass der Mann so viel Heiterkeit, Freude und Leichtigkeit in sich trägt wie eine Predator-Drohne.

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Falls du noch nie von Jürgen Höller gehört hast, dann liegt das wahrscheinlich daran, dass du kein "Gewinner" bist. Nein, Scherz, wahrscheinlich liegt es daran, dass du kein mittelständischer Unternehmer bist und generell keinen Zugang zur Welt der Business-Coaches, Motivations-Seminare und "Sales-Bootcamps" hast. Dann hast du Glück gehabt, denn es ist eine gruselige Welt – und eine Welt, in der Jürgen Höller eine Legende ist. Um sie kennenzulernen, solltest du unbedingt den Film Der Motivationstrainer schauen, der am Dienstagabend um 23.45 Uhr in der ARD läuft (in der Mediathek kannst du ihn jetzt schon sehen).

Höller war in den Neunzigern der absolute Star unter den deutschen Motivationstrainern. Mit seiner Energie und seinem ziemlich einfachen Rezept – "Du kannst alles erreichen, wenn du an dich glaubst" – füllte er Hallen in ganz Europa. Niemand verkörperte diese Mantra besser als Höller selbst, der es mit dem Coaching zum Millionär gebracht hatte – bis er endgültig die Bodenhaftung verlor, seine Firma mit einem größenwahnsinnigen Börsengang-Versuch ruinierte und schließlich 2003 wegen Untreue und vorsätzlichen Bankrotts zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Höller war erledigt.

Und fing dann einfach wieder von vorne an. Seitdem hat der Trainer es geschafft, sich sein Imperium Stück für Stück wieder aufzubauen – und scheint mittlerweile auf dem besten Wege, seinen alten Höhepunkt wieder einzuholen. Die beiden Filmemacher Julian Amershi und Martin Rieck haben ihn die vergangenen eineinhalb Jahre dabei begleitet. Herausgekommen ist ein faszinierender Film über Gier und Glaube.

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Ein Mann im dunklen Hemd in einer voll besetzten großen Halle

Höller heizt einer Konzerthalle bei einer "Power Days"-Veranstaltung ein.

Der Film zeigt Höller immer wieder in voller Aktion auf der Bühne. Sein Programm, mit dem er ganze Konzerthallen füllt, scheint hauptsächlich aus sehr viel Plattitüden ("Geh deinen eigenen Weg, erfolgreichen Menschen ist egal, was andere über sie denken") und sehr viel Show zu bestehen: Höller hüpft, Höller klatscht, Höller brüllt "Ich schaffe es!" ins Mikro und tanzt dann zu den Power-Balladen, die aus den Lautsprechern dröhnen. Das Publikum liebt das: Männer und Frauen mittleren Alters, die irgendwie alle aussehen, als würden sie als selbständige Steuerberater arbeiten, springen von den Stühlen auf, jubeln und tanzen. Selbst die Seminare, die sozusagen als Intensiv-Kurse für Motivations-Fans verkauft werden und die im kleineren Rahmen in Hotels oder Kongresszentren stattfinden, scheinen hauptsächlich daraus zu bestehen, dass die Teilnehmer hinter Schreibtischen stehen und gemeinsam immer wieder "Ich ziehe Geld an wie ein Magnet!" brüllen. Der Höhepunkt eines explizit als "Sales-Bootcamp" vermarkteten Seminars mit Höllers Co-Trainer Mike Dierßen ist allen Ernstes, dass Dierßen die Teilnehmer reihenweise über glühende Kohlen laufen lässt.

Noch spannender sind aber die Szenen dazwischen, in denen man Höller beim Fitnesstraining, im Büroalltag als Chef seiner Firma (der "Jürgen Höller Academy"), beim Entspannen in Luxushotels und beim Feiern begleitet. Höller, der immer perfekt angezogen und frisiert ist und ein bisschen aussieht wie der humorlose Bruder von Christoph Waltz, geht alle diese Dinge mit derselben Energie an: zu hundert Prozent konzentriert, immer extrem angespannt. (Höller schafft es, selbst mit geschlossenen Augen im Whirlpool liegend so auszusehen, als würde er gleich vor Anspannung platzen.) Über seine Techniken als Motivationstrainer erfährt man von ihm nicht viel. Stattdessen ist Höllers Lieblingsthema vor allem eins: sein eigener Erfolg.

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Ein Mann im dunklen Hemd schlägt energisch die Hände vor einer Projektion zusammen

Höller bei einem "Lifing-Seminar". Es lohnt sich, den projizierten "Text" zu lesen

Tatsächlich merkt man, dass der Mann völlig getrieben ist von der Besessenheit mit seinem Erfolg. Er erzählt selbst, das "einschneidende Erlebnis" in seinem Leben sei gewesen, als er einmal mit vier Jahren auf einem Kindergeburtstag ausgelacht wurde. Er hatte gesagt, er wolle später "Millionär" werden. "Ich glaube, dass das damals etwas bei mir ausgelöst hat. Diese Wut darüber, da ausgelacht zu werden", erklärt Höller, und man glaubt es ihm sofort.

Aber genau das ist das Paradoxe und gleichzeitig Faszinierende an diesem Mann: dass er tatsächlich so viel Erfolg damit hat, anderen Leuten ins Gesicht zu schreien, dass er sehr viel Erfolg haben will. Dass es ihm nur um Geld geht, erklärt Höller den Teilnehmern eines Seminars ganz offen: "Mich interessiert es nicht, ob ich ein Spitzen-Trainer bin", bellt er die Leute an. "Ich will Spitzen-Verdiener sein!" Und die Menschen, die ihm zwischen 1.500 und 4.000 Euro pro Kopf für die Teilnahme an solchen Seminaren zahlen, sind begeistert. "Ich gehe hier jedes mal mit richtig viel Energie raus", sagt ein selig lächelnder Mann, der schon zum vierten Mal zu Höllers Show kommt.

Seit seinem Aufstieg begleitet Höller der Vorwurf, er sei ein Dampfplauderer, manche haben ihn sogar als Scharlatan bezeichnet. Aber solche Kritik verkennt, was Höller den Menschen da verkauft. Es sind nur vordergründig Motivationstricks und die Fähigkeit, über Kohlen zu laufen. In Wahrheit ist es ein Stück seiner eigenen Besessenheit.

"Der Motivationstrainer" könnt ihr hier in der Mediathek sehen. Oder am Dienstagabend um 23.45 Uhr in der ARD.

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