Auch auf VICE:
Meist wird die Plattform als "FPÖ-nah" bezeichnet – nicht nur, weil namhafte FPÖ-Politiker und -Politikerinnen immer wieder für die Plattform schreiben (und sie von einem gegründet wurde), sondern weil auch die Themensetzung wie eine praktische Ergänzung zum FPÖ-Wahlprogramm erscheint. Sie möchte die Sympathisanten und Wähler tagtäglich daran erinnern, dass sie auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Laut Impressum ist die Seite "demokratisch, kritisch, polemisch und selbstverständlich parteilich".Nachdem lange Zeit nicht restlos geklärt war, inwieweit die FPÖ tatsächlich eine aktive Rolle bei unzensuriert spielt, hat ein Bericht von RTL, für den sich eine Reporterin undercover bei der Plattform bewarb, das Offensichtliche bestätigt. In der Redaktion, die sich im selben Haus wie die Burschenschaft Gothia im achten Wiener Gemeindebezirk befindet, wurde sie von Chefredakteur Alexander Höferl begrüßt, der am Dienstag als zukünftiger Sprecher von Innenminister Herbert Kickl gehandelt wurde. Auf die Frage, was das Ziel der Plattform sei, erklärte Höferl, dass es das Medium nicht gebe, weil ihnen so viel am unabhängigen Journalismus gelegen sei, sondern weil die Seite politische Bewegungen wie die FPÖ und die AfD mit reiner Positiv-Berichterstattung unterstützen wolle.
Auch bei VICE:
Laut eines Berichts des Verfassungsschutzes, der sich das Portal im Zuge einer Überprüfung der Tagung der "Verteidiger Europas" in Linz im Oktober 2016 näher ansah, seien die Inhalte zum Teil "äußerst fremdenfeindlich und weisen antisemitische Tendenzen auf". Auch Verschwörungstheorien und pro-russische Propaganda seien auf dem Portal regelmäßig zu finden. Immer wieder zielt die Berichterstattung des Portals, das laut oe24 immer wieder mit "eigenwilligen" Storys auffällt, auch auf Journalisten ab.Das Magazin profil untersuchte Ende 2016 124 Texte, die auf unzensuriert erschienen sind, und kam zu dem Schluss, dass sich 21 Prozent der Artikel gegen Migranten richten. An zweiter Stelle der beliebtesten Feindbilder stehen die etablierten Medien, die mit 18,5 Prozent der Berichterstattung von unzensuriert bedacht wurden. Auch Muslime, die EU und das "Establishment" sind beliebte Hassthemen für unzensuriert.
Die Feindbilder von unzensuriert in Artikelform: Berliner Dealer, Kinder namens Mohammad und andere #Einzelfälle
Am 11. Dezember wird im #Einzelfall-Ticker über eine Messerattacke berichtet, die sich vor dem Ernst-Kirchweger-Haus im zehnten Wiener Bezirk zugetragen haben soll. Das EKH ist ein besetztes Haus, benannt nach Ernst Kirchweger, der als erstes Todesopfer einer politisch motivierten Tat nach 1945 gehandelt wird. Kirchweger wurde im Jahr 1965 von einem rechtsextremen RFS-Mitglied bei einer Demonstration so schwer verletzt, dass er starb.Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Artikel auf unzensuriert erscheint, weiß man nichts über den noch flüchtigen Täter, der einen 31-jährigen Kellner niedergestochen haben soll. Dennoch lässt unzensuriert es sich nicht nehmen, Sätze wie "Zu der Attacke am Sonntag kam es gegen 2:00 Uhr nahe dem 'Ernst-Kirchweger-Haus', einem berüchtigten Zentrum gewaltbereiter Linkslinker ('Schwarzer Block'), in dem auch viele Ausländer verkehren" zu schreiben und suggeriert in Kombination mit dem Framing des #Einzelfall-Tickers eine eindeutige Schlagrichtung.Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Artikel auf unzensuriert erscheint, weiß man nichts über den noch flüchtigen Täter.
Passend zum Thema:
Anders als bei der Berliner Ausstellung, wo die Tonalität, in der unzensuriert berichtete, auch der vieler anderen Medien entsprach, stand das Portal bei einem Bericht über die junge Wiener Schülerin, die vom Time Magazine für ihren Einsatz für die Einführung eines Kopftuch-Emojis geehrt wurde, eher allein da: Während Medien wie der Standard und selbst das Boulevardmedium oe24 nüchtern berichteten und zum Teil die Leistung des Mädchens hervorhoben, sprach unzensuriert in ironischem Kontext von "Bereicherung" und von einer "Initiative Richtung Cyber-Legalisierung von weiblicher Diskriminierung". Außerdem wird die Vermutung in den Raum gestellt, die Schülerin sei "von ganz anderer Seite instrumentalisiert" worden. Welche Seite das sein soll, wird nicht konkret erläutert.
Bei Horaczek handelt es sich um jene "FPÖ-Expertin", die auf die Tränendrüse drückte, weil sie am Wahlsonntag im Oktober 2015 im FPÖ-Zelt als persona non grata galt und nicht eingelassen wurde. Über Twitter echauffierte sie sich darüber, dass "kritischen Medien" der Zugang verwehrt worden wäre.
Ein "Kampfblatt" mit einem entspannten Verhältnis zu Fakten
Grundsätzlich steht unzensuriert für Weidinger auf den Standpunkten der FPÖ, würde diese jedoch "den Online-Gepflogenheiten entsprechend weiter zuspitzen und insbesondere in Sachen Rassismus – vornehmlich gegen Muslime und AsylwerberInnen – und Verschwörungsphantasien noch niedrigere Schamgrenzen als der durchschnittliche Freiheitliche" aufweisen. Aber nicht nur vom "durchschnittlichen Freiheitlichen" unterscheidet sich die Ausrichtung von unzensuriert ein wenig.Denn obwohl die Plattform Gemeinsamkeiten mit dem österreichischen Boulevard aufweist, was die reißerische Art der Berichterstattung angeht, gibt es laut dem Experten auch hier Unterschiede, wie er im Gespräch mit VICE erzählt: "Anders als jene, die ihren Kurs entlang von Inseratenvolumina und gekränkten Eitelkeiten des Chefredakteurs zu ändern pflegen, betreibt unzensuriert seit Anbeginn schlicht Propaganda für die FPÖ – teils explizit, teils durch Bespielung freiheitlicher Themen im freiheitlichen Sinn. Auch ist das Verhältnis zu Fakten als noch deutlich entspannter zu bezeichnen.""Die Aufmachung wirkt zunächst, als handele es sich um ein Nachrichtenportal – in Wirklichkeit ist dies jedoch eine optische Täuschung."
Schon länger ein schwieriges Thema: Die FPÖ und der Journalismus
Die Tatsache, dass FPÖ-nahe Themen von unzensuriert bewusst großgeschrieben werden, ist laut Frühbrodt ein beliebtes Spiel, das man auch von rechtspopulistischen Medien aus Deutschland kennt: "Die Geldgeber und Betreiber stammen zwar aus dem Dunstkreis einer bestimmten Partei, aber die Plattform fungiert nicht als offizielles Parteiorgan. Also können die Betreiber behaupten, sie müssten doch gar nichts kenntlich machen, denn die klassischen Medien berichteten doch auch tendenziös. Wobei der entscheidende Unterschied darin besteht, dass diese eben nicht von mehr oder minder gut getarnten Strohmännern finanziert werden und nicht eine ganz bestimmte parteipolitische Agenda verfolgen."Unzensuriert macht seine Sache für die eigenen Maßstäbe wahrscheinlich gar nicht mal so schlecht: Die Agenda der FPÖ wird einem breiten Publikum unter dem Deckmantel des Journalismus schmackhaft gemacht, Artikel werden durch die Themenauswahl und das Hervorheben von Informationen wie der Nationalität eines Beteiligten mehr oder weniger subtil in eine bestimmte Richtung gelenkt. Diese Richtung löst bei den Lesern so strake Emotionen aus, dass Kleinigkeiten wie fehlende Autorennamen oder fragwürdige und fehlende Quellen gar nicht mehr so auffallen. Bernhard Weidinger von Dokumentationsarchiv Österreichischen Widerstands beschreibt diese Emotionen so:
Verena auf Twitter: @verenabgnrFolge VICE auf Facebook, Instagram und Twitter."Unzensuriert bietet Ressentimentgeladenen, was ihnen kurzfristig guttut: Es erklärt ihnen, dass die Welt genauso ist, wie sie ohnehin dachten, nur noch schlimmer. Und dass jene, die sie hassen, genauso sind, wie ihr Hass sie ausmalt, nur noch böswilliger und hinterhältiger."