FPÖ-Funktionäre kümmern sich seit Jahren um ein Nazi-Grab am Zentralfriedhof
Markus Ripfl (l.) und Gernot Schmidt (m.) beim Gedenken am Zentralfriedhof 2017 | Foto: John Sobek

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FPÖ-Funktionäre kümmern sich seit Jahren um ein Nazi-Grab am Zentralfriedhof

Das Wiener Grab des NS-Offiziers Walter Nowotny ist eine Pilgerstätte der extremen Rechten. FPÖ-Funktionäre sind seit Jahren ganz vorne mit dabei.

Es ist wahrscheinlich das umstrittenste Grab am Wiener Zentralfriedhof. Mitten unter den Ehrengräbern, Reihe 14C, höchstens 100 Meter von der Bundespräsidentengruft entfernt. Ringsherum liegen die Gräber vieler bedeutender Persönlichkeiten, die meisten davon PolitikerInnen aus der ArbeiterInnenbewegung. Viele dieser Menschen haben unter dem Faschismus gelitten, auf ihren Gräbern stehen Kränze mit roten Schleifen.

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Das Grab Nummer 12 in dieser Reihe sticht aber heraus. Hier ist Walter Nowotny begraben, Offizier der NS-Luftwaffe, Kampfflieger für das NS-Regime und Mitglied der NSDAP. Nach zahlreichen Einsätzen wurde Nowotny 1944 abgeschossen. Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) würdigte sogar das NS-Zentralorgan, der Völkische Beobachter, den Offizier. Er hätte "als junger Führer der Hitler-Jugend trotz aller Verfolgungen in der Verbotszeit begeistert und unentwegt Adolf Hitler die Treue" gehalten, heißt es da.

Wenig verwunderlich, dass dieses Grab bis heute ein Wallfahrtsort für Nazis, FaschistInnen und Rechtsextreme ist. Einmal im Jahr, zumeist rund um Nowotnys Todestag am 8. November, kommen sie hier zusammen, um ihres Helden zu gedenken.

"Nowotny hat als junger Führer der Hitler-Jugend trotz aller Verfolgungen in der Verbotszeit begeistert und unentwegt Adolf Hitler die Treue gehalten."

Für die offene NS-Szene war in der Vergangenheit etwa Naziführer Gottfried Küssel bei Nowotny-Gedenkfeiern anwesend – in der zweiten Reihe übrigens sein damaliger Jungspund Martin Sellner, heute Vorzeige-Kamerad der rechtsextremen "Identitären Bewegung". Das belegt der Blog "Küssels Kameraden" mit Bildern.

Warum sich das Grab als Wallfahrtsort der Rechten eignet, wird bereits auf den ersten Blick offensichtlich. Auf dem großen Granitblock, der als Grabstein dient, prangt ein "Eisernes Kreuz". Darunter die Inschrift "Major der Luftwaffe Walter Nowotny". Er sei "Träger des Eichenlaubes mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz des eisernen Kreuzes", erklärt die Inschrift. Mit der in Nazi-Kreisen üblichen "Algiz"-Rune wird Nowotnys Geburtsdatum angezeigt. Dann das Sterbedatum, der 8. November 1944. Schließlich die eingravierte Losung: "Ewig ist der Toten Tatenruhm".

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Führend beteiligt an den Aktivitäten rund um Nowotnys Grab sind seit Jahren FunktionärInnen der FPÖ. Bis 2003 war die Begräbnisstätte ein Ehrengrab der Stadt Wien, die Pflege wurde von der Stadt bezahlt. Nach Protesten gegen die Aufmärsche am Grab wurde dieser Status schließlich aberkannt. Faktisch aber änderte sich nichts. Das Grab verblieb in der Ehrengräbergruppe – und die Pflege und der Erhalt wurden laut ORF einfach vom Innenministerium übernommen.


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Ab 2012 übernahm dann ein privater Verein die Pflege, der 2003 gegründet worden war. An der Vereinsgründung beteiligt war laut Bericht des ORF etwa der damalige Wiener Stadtrat und heutige zweite Landtagspräsident Johann Herzog von der FPÖ. Herzog ist aktuell stellvertretender Obmann, der ehemalige FPÖ-Landesparteisekretär und Bundesrat Hans-Jörg Jenewein Schriftführer. Als Obmann fungiert Gerhard Pendl, der bereits 2008 nach einer umstrittenen Rede am Nowotny-Grab als Uni-Rat abtreten musste. Die Medizin-Uni Wien erklärte damals laut Presse: "Seine die Zeit des Nationalsozialismus glorifizierende Einstellung war allgemein bekannt." Als weiterer Stellvertreter fungiert Walter Seledec, FPÖ-Politiker und früherer ORF-Chefredakteur. Dazu kommen laut Vereinsregisterauszug noch einige weitere Personen.

Für den Aufmarsch im Jahr 2017 hat der Blog Rechtsdrall insgesamt bereits 14 Personen identifiziert, die laut Rechtsdrall der FPÖ zugeordnet werden können. Darunter Markus Ripfl, bis vor Kurzem Vorsitzender der FPÖ-Studierendenorganisation RFS in Wien, jetzt eine der Zukunftshoffnungen der FPÖ Niederösterreich.

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"Seine die Zeit des Nationalsozialismus glorifizierende Einstellung war allgemein bekannt."

Ripfl bekennt sich auf Facebook und Twitter auch ganz offen zur Teilnahme: "Ich war beim Gedenken an einen Fliegerhelden, welch Schande über mich. Nowotny war und ist ein Held, dem gedacht werden muss." Ripfl selbst wurde bereits in der Vergangenheit immer wieder auffällig, unter anderem als er vor einer Keltenkreuz-Fahne posierte und weil er den Kühnen-Gruß zeigte, der als Ersatz für den Hitlergruß gilt. Am Aufmarsch für Nowotny trug Ripfl auch stolz die Kappe seiner Verbindung, der einschlägig bekannten Burschenschaft Olympia.

Die Olympia in der Wiener Gumpendorfer Straße kann als einer der wichtigsten Rechtsaußen-Verbindungen im gesamten deutschsprachigen Raum bezeichnet werden. Unter anderem trat in den Verbindungsräumen einst Michael Müller auf, der laut DÖW in der Neonazi-Szene mit der Abwandlung eines Liedes von Udo Jürgens populär wurde: "Mit 6 Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an, bis 6 Millionen Juden, da ist der Ofen an. […] Wir haben reichlich Zyklon B. […] Bei 6 Millionen Juden, ist noch lange nicht Schluss."

Neben Ripfl nahmen auch mehrere andere Olympen mit FPÖ-Verbindung an der Gedenkveranstaltung teil. Unter ihnen Gernot Schmidt, stellvertretender Vorsitzender des RFS an der Universität Wien. Für die Mutterpartei hielt unter anderem Michael Niegl das Banner hoch, Abgeordneter zum Wiener Gemeinderat. Neben ihm eine ganze Reihe weiterer FunktionärInnen der FPÖ aus Wien und Niederösterreich.

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Der Fotograf Peter Palme, der gerade einen Prozess gegen Martin Sellner verloren hat, besucht immer wieder Treffen rechtsextremer Gruppierungen, um das Geschehen vor Ort zu dokumentieren. Er schildert die Szenerie folgendermaßen: "Insgesamt waren rund 60 Personen anwesend, von ganz jung über FPÖ bis zu alten Kameradschaftsbündlern, es gab sogar eigene Nowotny-Fahnen." Laut Palme waren da einerseits jene, die offensichtlich einschlägig waren, etwa "die Leute mit Pseudouniformen und die Olympia-Truppe mit Käppi und Schmiss", daneben aber auch "Durchschnittstypen" und "aufgestylte Frauen, die wohl eher gern High Society sein wollten."

Die erste Reihe der FPÖ-Parteiprominenz ließ sich 2017 übrigens nicht blicken, doch das muss nicht als Distanzierung verstanden werden. Hintergrund könnten auch die aktuellen Koalitionsverhandlungen sein.

Gedenken am Zentralfriedhof, 2017. Foto: Peter Palme

Denn in der Vergangenheit war auch das Führungspersonal der Partei wesentlich offener. So zeigt Rechtsdrall ein etwa ganzseitiges Inserat der FPÖ in der Kronen Zeitung, das laut Rechtsdrall aus dem Jahr 2011 stammt. Johann Gudenus, Strache-Vertrauter, Burschenschafter und stellvertretender Parteivorsitzender der FPÖ, appelliert darin an das Innenministerium, das Grab des "untadeligen" und "höchstdekorierten Soldaten" nicht aufzulassen.

Auch das FPÖ-nahe Rechtsaußenportal unzensuriert lobt Nowotny als einen der "erfolgreichsten und höchstdekorierten Jagdflieger der deutschen Luftwaffe" und bedauert, dass es Nowotny nicht zur Actionfigur geschafft hätte: "Sein kurzes, aber abenteuerliches Leben gäbe sicherlich genügend Stoff, um in Hollywood verfilmt zu werden".

Doch da war eben dieses kleine Nazi-Problem, das unzensuriert so umschreibt: "Wäre da nicht der Makel, dass er eine deutsche Uniform und keine amerikanische trug. Und statt als Titelheld in einem amerikanischen Heldenepos verewigt zu werden, wurde er Jahrzehnte nach seinem Tod zum Kriegsverbrecher gemacht."

Und hier wird auch deutlich, worum es beim Nowotny-Grab eigentlich geht. "Ewig ist der Toten Tatenruhm" lautet die Inschrift auf Nowotnys Grab – für führende Kreise der FPÖ gilt diese Losung offenbar bis heute als Auftrag. Offensichtlich wollen deutschnational-burschenschaftliche Kreise der FPÖ die Geschichte am Beispiel Walter Nowotny geraderücken.

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