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Verbrechen

Ein 24-jähriger Hochstapler gab sich als Anwalt aus und legte damit Gerichte rein

Außerdem forderte als angebliche GEZ von Leuten Geld und drohte ihnen, ihre Farbfernseher durch Schwarz-Weiß-Fernseher auszutauschen.
Foto: imago | photothek

Es ist eine Geschichte wie in Catch me if you can: Schon mit 15 startete Paul N. seine Karriere als Hochstapler und Betrüger. Mal verschickte er als GEZ Inkasso-Bescheide, dann forderte als Fake-Gläubiger 200.000 Euro vom Land Brandenburg. Nun steht der 24-Jährige in Berlin vor Gericht: In 348 Punkten wurde er wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Titelmissbrauchs angeklagt. Als Anwalt verschickte er Mahnbescheide und gewann sogar einen Prozess – weil die gegnerische Partei nicht vor Gericht erschienen war.

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Bereits als Kind habe er sich in seinem Zimmer juristische Begriffe beigebracht, schreibt der Berliner Kurier über den Angeklagten. Bei seiner Mutter in Cottbus aufgewachsen fing Paul N. nach seinem erweiterten Hauptschulabschluss eine Ausbildung als Notar- und Rechtsanwaltsgehilfe an. Dort flog er nach zwei Monaten raus. Das hinderte ihn am Donnerstag vor Gericht allerdings nicht daran, sich trotzdem als solchen zu bezeichnen.


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Aktuell sitzt Paul N. bereits eine fünfjährige Jugendstrafe ab – für Taten, die er seit seinem 16. Lebensjahr begangen hat. Die Zeit im Gefängnis könnte jetzt noch länger werden. Die Liste seiner Vergehen ist so ausführlich wie abenteuerlich: 2011 verschickte er als GEZ 200 gefälschte Mahnbriefe und drohte, Farbfernseher durch Schwarz-Weiß-Geräte auszutauschen: "Letzte Mahnung vor der Inkassonahme." Drei Menschen fielen auf die Masche herein und zahlten ihm jeweils 115 Euro. Vor fünf Jahren versuchte er als falscher Gläubiger, Schulden von verschiedenen Firmen und Institutionen einzutreiben. Von der Halleschen Bildungsgesellschaft wollte er damals 93 Euro, vom Land Brandenburg sogar 200.000 Euro. Doch der Plan ging nicht auf: Weil die Schuldner Widerspruch einlegten, zog Paul N. seine Anträge wieder zurück. Eine neue Taktik musste her.

Als "Rechtsanwalt Schneider" erwirkte er fast 5.000 Euro

Als "Rechtsanwalt Schneider", Inhaber der erfundenen Kanzlei "Kanzlei N. & Kollegen", zog er schließlich durch Deutschlands Gerichte. 275 Mal versuchte er als falscher Anwalt, Gebühren für Beratungsgespräche zu erwirken. 42 Mal wurden die Anträge gewährt, zur Auszahlung kam es jedoch nie, weil rechtzeitig Warnungen über seine wahre Identität bei den Gerichten eingingen. Trotzdem konnte er von 2014 bis 2016 weiter als Fake-Anwalt arbeiten – wenn auch nicht besonders erfolgreich. Besser lief es für ihn in seiner Rolle als Prozessbevollmächtigter: Als Vertreter in Zivilprozessen erhielt er von 21 Gerichten zusammen fast 5.000 Euro für Beratungen und Prozesskostenhilfen. Die Rechnungen schrieb er auf einem Briefbogen der Fake-Kanzlei.

Heraus kam der Betrug, nachdem er als "Rechtsanwalt Schneider" vor dem Magdeburger Gericht eine Frau vertrat, die 43 Millionen Euro an die Telekom zahlen sollte. Der Prozess platzte, der Mahnbescheid stellte sich als gefälscht heraus (durch einen bis heute unbekannten, zweiten Betrüger). Als Mandanten, Anwaltskammern und Kollegen erstmals Zweifel äußerten und Paul N. keine Zulassungen vorlegen konnte, beschäftigte sich auch die Polizei mit dem Fall. Im Juni 2016 wurde er schließlich verhaftet.

Vor Gericht sagt Paul N. nun, er wäre "an einer Verständigung interessiert" – Strafmilderung gegen Geständnis. "Weil es so eine Masse ist, ist es wegen der Gerichtsbelastung von gegenseitigem Interesse, das zusammenzuschmeißen", zitiert die Berliner Zeitung den Angeklagten. Die Richterin scheint dem zuzustimmen: Am kommenden Montag, dem zweiten Prozesstag, will sie ihm ein Angebot über die Strafe machen, die ihn erwartet.

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