Das war das Team Stronach
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Politik

Das war das Team Stronach

Was bleibt vom Team Stronach? Wirre Interviews, leichte Paranoia und eine Menge seltsamer parlamentarischer Anfragen.

Jetzt ist es dann wirklich bald vorbei. Dass das Team Stronach bei der nächsten Nationalratswahl nicht mehr antreten würde war seit einigen Wochen klar, am Mittwoch verkündeten Klubchef Robert Lugar und Martina Schenk ihren Austritt aus dem Klub. Den gibt es nun nicht mehr. Bis zum 9. November müssen die Büros in der Doblhofgasse geräumt werden, die 20 Mitarbeiter werden mit dem 31.10. arbeitslos. Der Letzte macht das Licht aus und räumt vorher noch das Pfefferspray weg. Das finale Scheitern eines fünfjährigen, nicht zuletzt teuren Experiments. Teuer nicht nur für Frank Stronach, sondern auch für den Steuerzahler.

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Wer es von den noch übrig gebliebenen Abgeordneten noch nicht in die rettenden Arme anderer Gruppierungen geschafft hat, wird es nicht leicht haben. Martina Schenk tritt für die Liste Schnell an, Robert Lugar kehrt zu seiner alten Heimat, der FPÖ, zurück. Eine Parlamentspartei wird abgewickelt.

Ihr Gründer will noch nicht einmal mehr im Hauptabendprogramm des ORF auftreten. Frank Stronach, dessen Biographie neben einigen großen Reinfällen (wie im Fußballsponsoring oder der versuchten Beteiligung an der Voest) auch beachtlichen wirtschaftlichem Erfolg aufweisen kann, geht mit einer Niederlage ab. Warum ein Mann, der in seinem Leben viel erreicht hat, im hohen Alter noch so ein Risiko eingeht und sich selbst zum 80er eine Partei schenkt, kann er nur selbst beantworten.

Schon 2014 konnte kaum jemand glauben, dass ein Jahr zuvor 268.679 Menschen die Partei gewählt hatten.

Frank Stronach gab in Interviews immer wieder zu verstehen, dass er glaube, seinem Land etwas Gutes tun zu können. Quasi als grauhaarige, männliche und ältere Khaleesi Österreichs, Mutter der Lugars, die mit ihrem Heer aus Kanada übersetzt und dort die Herzen der Menschen gewinnt. Daraus wurde, trotz einzelner Wahlerfolge, nichts. Das Team Stonach setzte zur langen, politischen Bruchlandung an. Schon 2014 konnte kaum jemand glauben, dass ein Jahr zuvor 268.679 Menschen die Partei gewählt hatten. Allerdings auch mit großer finanzieller Anstrengung: Stronach pumpte mindestens 13,5 Millionen Euro in den Wahlkampf, vieles davon allerdings als Kredit an seine Partei.

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Ein paar Schritte zurück: Am 11. August 2012 bestätigte Stronach im Interview mit der Presse nach wochenlangen Spekulationen, eine Partei gründen zu wollen. Vier Abgeordnete liefen aus BZÖ und SPÖ über, später mehr. Im Oktober konnte das TS Klubstatus beantragen – damals ging das noch, mittlerweile sind Klubgründungen in der laufenden Gesetzgebungsperiode nicht mehr möglich. Ein Kern aus politisch erfahrenen Menschen versuchte, professionelle Strukturen aufzubauen. Rudi Fußi und seine Agentur Mindworker übernahmen viele Agenden, schieden aber schnell wieder im Streit aus.

Im Februar 2015 wurde Wolfgang Bauer als Vizeparteichef eingesetzt und drei Monate später wieder entfernt, wovon er aus den Medien erfuhr.

Das Team Stronach positionierte sich als wirtschaftsliberale Protestpartei, erreichte im Herbst 2013 5,7 Prozent und zog mit elf Abgeordneten in den Nationalrat. Enttäuscht nahm der Parteigründer nur an zwei Nationalratssitzungen teil und schied im Jänner 2014 wieder aus dem Parlament aus. Die Luft war raus, die Partei zerbröselte schnell. 2015 wechselten vier Abgeordnete zur ÖVP (darunter Marcus Franz, allerdings nicht besonders lange), eine wurde wilde Abgeordnete.

Es spielten sich chaotische Szenen ab: Bei der Tiroler Landtagswahl 2013 wurden drei Listen mit "Team Stronach" eingereicht, Plakate ab- und schließlich wieder aufgehängt. Im Februar 2015 wurde Wolfgang Bauer als Vizeparteichef eingesetzt und drei Monate später wieder entfernt, wovon er aus den Medien erfuhr.

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Das Team Stronach umgab von Anfang an trotz der postulierten "Werte" (es ging immer um die Werte) der Hauch einer Söldnertruppe. Das Geld war da, die Posten waren da, die Loyalität war überschaubar. Das zog Glücksritter an. Nicht alle waren politerfahren, was sich vor allem in den Bundesländerorganisationen bemerkbar machte. Der Parteigründer vergab die verantwortlichen Positionen nach Bauchgefühl: Nach einem gemeinsamen Essen hieß es "Du gefällst mir!", und schon war eine Position oder ein lukrativer Auftrag vergeben. Zumindest für eine Zeit lang, bis es der Person oder Stronach eben nicht mehr gefiel. Der grantige, ungeduldige Parteichef ließ Mitarbeiter sein Unbehagen über ihre Arbeit auch gerne mal vor laufenden Kamera spüren.

"Man muss das Konzept des Rades überdenken!"

Die Medienauftritte Frank Stronachs, vor allem im ORF, dürften der Partei eher geschadet haben. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, blieben sie in Erinnerung. Während der ORF Wahlfahrt kam ihm vor laufender Kamera die Idee, dass man doch für Berufskiller die Todesstrafe einführen könne. Er diktierte es gleich seiner überrascht dreinschauenden Parteikollegin und rechten Hand Kathrin Nachbaur für das Parteiprogramm. Bei seinen ZiB2-Auftritten im Jahr 2012 und 2015 schaffte es Stronach beinah, die routinierten Moderatoren Armin Wolf ("Herr Stronach, Sie wollen mit mir streiten") und Lou Lorenz-Dittlbacher ("Ich habe noch gar nicht angefangen, Ihnen eine Frage zu stellen. Das ist aber so üblich bei uns, wenn wir im Studio jemanden einladen") aus der Fassung zu bringen.

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Im Sommergespräch 2015 lieferte er 822.000 etwas ratlosen Zuschauern Perlen wie "Die haben schon Tausende Jahre so gelebt! Was ist schon falsch, ein bisschen mehr am Strand zu sein?" (es ging um die Griechen) oder "Die sind Menschen wie wir" (es ging um Frauen). 2013 führte er im Standard mit dem Kabarettisten und jetzigen "G!LT!"-Gründer Roland Düringer ein unerreicht schönes und fast dadaistisches Gespräch:

Düringer: Das hat sich verändert. Die Menschen sind zur Mobilität gezwungen. Das Konzept des Rades ist nicht so ein gescheites. In der ganzen Natur gibt es kein einziges Viech, das Räder hat.
Stronach: Menschen sind anders als Viecher.
Düringer: Ein Rad braucht immer etwas, nämlich eine Fahrbahn. Ohne Fahrbahn funktioniert kein Rad.
Stronach: Tiere kommen ohne Räder weiter.
Düringer: Das meine ich ja! Man muss das Konzept des Rades überdenken!
Stronach: Ohne Rad kommst nicht weit.

Zum Kuriosum brachte es auch Landwirtschaftssprecher Leo Steinbichler. Ein Mann des Visuellen, der stets gerne Anschauungsmaterial mitbrachte und über den in den Protokollen der Nationalratssitzungen oft Sätze wie "Der Redner stellt ein Bild vor sich auf das Rednerpult, auf dem ein Orang-Utan mit seinem Baby vor einer gerodeten Urwald­landschaft zu sehen ist" oder "der Redner zeigt auf das Bild einer Kuh, das vor ihm auf dem Rednerpult plat­ziert ist" zu lesen sind.

"Der Redner stellt ein Bild vor sich auf das Rednerpult, auf dem ein Orang-Utan mit seinem Baby vor einer gerodeten Urwald­landschaft zu sehen ist."

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Auch seine parlamentarischen Anfragen trugen blumige Titel wie "'Käseland Österreich' – internationale Erfolge, Vermarktung und Preise" (2014) oder "Was steckt im Apfelsaft?" (2015), manchmal auch kryptisch-direkte wie "Nanoteilchen" ("Ist die Bevölkerung bereits ausreichend über die Gefährlichkeit von Nanoteilchen informiert?", 2016). Steinbichler wurde gelegentlich auch "Palmöl-Leo" genannt, weil er sich in den letzten Jahren seiner parlamentarischen Tätigkeit dem leidenschaftlichen Kampf gegen das Palmöl verschrieb. Das Team Stronach schaffte es in seiner Geschichte, erstaunliche 90 Pressemitteilungen rauszuschicken, in denen es direkt oder indirekt um Palmöl ging.

Andere Klubs warfen dem Team Stronach gelegentlich vor, das Interpellationsrecht (also das Recht, Anfragen an die Regierung zu stellen und eine Antwort zu bekommen) zu missbrauchen und die Kanäle zu verstopfen. In der Tat stellten aktuelle und mittlerweile ehemalige TS-Abgeordnete in den letzten Jahren eine Menge skurriler Anfragen, von "Ist Österreich eine Bananenrepublik?" über "Gender-Indoktrinationsplakate - Warum an Wiener Schulen?!" bis zur fast obligaten Frage nach Chemtrails (noch nicht beantwortet, also vorsorglich den Himmel im Auge behalten).

Dank des TS wissen wir aber immerhin, dass im Jahr 2014 in den Ministerien 312.739 Rollen Klopapier verbraucht wurden (mindestens, das Verteidigungsministerium lieferte keine ordentlichen Zahlen und machte so den Witz kaputt) und dass Thomas Drozda keine Maßnahmen gegen die Verursacher des "Austria Second"-Videos plant, zumindest nicht in seiner Funktion als Kulturminister.

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Rücktrittsforderungen folgten, aber es war dann vielleicht eh schon wurscht.

Teile des Team Stronachs hatten anfangs versucht, die Partei trotz populistischer Forderungen wie dem sofortigen Austritt aus dem Euro auf einen rechtsliberalen Kurs zu bringen. Aber vor allem mit dem Weggang von Nachbaur und der (Wieder)Übernahme des Klubchef-Sessels durch Robert Lugar driftete das Team Stronach immer mehr nach Rechtsaußen. Lugar gab nach Beginn der Flüchtlingskrise den "besorgten Bürger" und überholte Heinz-Christian Strache in TV-Diskussionen, wo er als Klubchef einer Parlamentspartei weiterhin eingeladen wurde, immer häufiger von rechts.

Die Parteiakademie verlegte Bücher wie "Genderismus(s) – der Masterplan für eine geschlechtslose Gesellschaft". 2016 und 2017 ließ das Team Stronach am Weltfrauentag vor dem Parlament Pfefferspray verteilen. Sein Klubchef erzählte Medien bereitwillig, dass er sich "wegen der Flüchtlingskrise" eine Glock kaufe. Das alles wirkte gelegentlich wie die parteigewordene bürgerliche Verrohung. In einer parlamentarischen Rede im März 2016 unterstellte Lugar den meisten Flüchtlingen ein Weltbild wie ein Neandertaler: "Und jetzt holen sie (die Grünen, Anm.) genau solche Neandertaler herein, die wir bei uns Gott sei Dank ausgerottet haben." Rücktrittsforderungen folgten, aber es war dann vielleicht eh schon wurscht.

Am Ende blieb vom Team Stronach nicht viel mehr als Schulden, ein paar lustige Anfragen und eine manchmal leicht paranoide Wut auf Veränderung. Parlamentarisch hinterlässt es eine überschaubare Lücke. Den Mitarbeitern bleibt zu wünschen, dass sie schnell wieder etwas finden. Und Frank Stronach hat einmal gesagt, dass er für den Euro sei, aber jedes Land seinen eigenen Euro haben solle. Das passt jetzt nicht und ist auch kein guter Schluß. Der Satz musste aber dringend noch rein.

Jonas auf Twitter: @L4ndvogt.

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