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Rechtsextremismus

Ein bekannter Neonazi feiert sich dafür, dass er der Anne-Frank-Schule Bücher sponsert

Und dem Schulbuchverlag ist es "egal", dass Tommy Frenck der Organisator der größten Neonazi-Veranstaltung Deutschlands ist.
Tommy Frenck beim Konzert "Rock gegen Überfremdung": Imago | Michael Trammer || Die Fahrradfibel: Screenshot Facebook.com 

"Da mir unsere Region am Herzen liegt, habe ich über das Gasthaus Goldener Löwe Arbeitshefte für die Verkehrssicherheit an die Anne-Frank-Schule in Themar gespendet", schrieb Tommy Frenck kurz vor Weihnachten auf Facebook. Dazu postete er einen Zwinker-Smiley und Fotos der bunten Fahrradfibel sowie ein Foto einer DIN-A4-Seite mit Danksagungen an sein Gasthaus. Das wäre eigentlich nicht weiter berichtenswert. Doch Tommy Frenck ist der Organisator der größten Neonazi-Veranstaltung Deutschlands und sein Gasthaus der Goldene Löwe ein selbsternanntes "deutsches Rechtsrockcafé". Und ausgerechnet er sponsert jener Schule ein Buch, deren Namenspatronin Anne Frank ist, die Symbolfigur der Opfer vom Holocaust.

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Spätestens seit vergangenem Juli ist Tommy Frenck einer der bekanntesten Neonazis Deutschlands. Damals versammelte er in der südthüringischen Kleinstadt Themar 6.000 Rechtsextreme zum "Rock gegen Überfremdung". Auf dem größten rechten Konzert der letzten Jahrzehnte in Deutschland besangen Bands die Wehrmacht und Holocaust-Leugner hielten Vorträge. Das Publikum zeigte Hitler-Grüße und schrie "Sieg Heil" im Chor. Bis 2009 war Frenck Kreisvorsitzender der NPD in Hildburghausen und gründete Bürgerwehren. Mittlerweile betreibt er einen Onlineshop, in dem er Armbrüste, Macheten und Neonazi-Artikel wie Aufkleber mit "I <3 HTLR"-Aufdruck verkauft.

Warum akzeptiert eine Schule in Themar Spenden von einem der bekanntesten Neonazis Deutschlands? Eine Schule, vor deren Gebäude ein großer Gedenkstein für das von den Nazis ermordete Mädchen Anne Frank steht.

"Die Grundschule Anne Frank hatte mit dieser 'Spendenaktion' nichts zu tun", schreibt Schulleiter Dirk Rittershaus in einer Mail an VICE. "Wir erhielten die Hefte ungefragt und nicht auf Bestellung." Er habe der Regionalzeitung Freies Wort schon gesagt, dass die Fibeln umgehend im Papierkorb gelandet seien. Das Heft sei als pädagogisch nicht geeignet befunden worden. Dass Tommy Frenck Werbung für sein Gasthaus macht, indem er über die Namensgeberin der Schule spottet, habe er nicht gewusst. Der braune Gag ging für Frenck auf – Hunderte seiner Fans, Freunde und Follower reagierten auf den Facebook-Post und schrieben Sätzen wie: "An die Anne Frank Schule: find ich super." Nur wie gelangten die Bücher überhaupt dorthin?

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Herausgeber der Fahrradfibel ist der GH Verlag aus Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Der Verlag veröffentlicht laut eigener Angaben seit 2003 Lernbücher für Kinder mit Themen wie "Erste Hilfe" oder "Gewaltvorbeugung und gegen Missbrauch". Die Kinderbücher schickt der Verlag gratis an Grundschulen im Osten und finanziert diese, indem er regionale Sponsoren sucht – darunter eben auch Tommy Frenck und sein Gasthaus Goldener Löwe. "Das wussten wir nicht", sagt ein Sekretär des Verlags am Telefon und fügt hinzu: "Schön, dass uns das mal einer erklärt." Anschließend tippt er in seine Datenbank Goldener Löwe ein und sagt, dass Frenck zehn Fibeln im Wert von je acht Euro gesponsert hat. Sein Name würde damit allerdings in allen 1000 bis 2000 verteilten Exemplaren im Landkreis stehen. Mit nur 80 Euro Einsatz konnte Frenck also sicher sein, dass die Werbung für seinen Gasthof an eine Menge Grundschüler zwischen sieben und zehn Jahren verschickt wird. Wie viele Kinder in der Region die Fibel tatsächlich im Klassenraum in der Hand hielten, kann uns der Verlagsmitarbeiter am Telefon nicht sagen.

Eine Stunde später ruft Verlags-Geschäftsführer Ralph Harder bei VICE an: "Das ist eine Telefonaktion, bei der wir alle Firmen kontaktieren und das haben wir auch mit dem Goldenen Löwen in Kloster Veßra getan", erklärt er. Dass Frenck Rechtsrockkonzerte organisiert und Klamotten mit rechtsextremen Kürzeln verkauft, habe er nicht gewusst. "Uns ist es egal", sagt Harder. "Ich lasse es allen frei, uns zu unterstützen – mit Ausnahme von Gruppen wie der NPD, die polizeilich schon in Erscheinung getreten sind." Eben für diese Partei trat Frenck 2014 bei der thüringischen Landtagswahl an.

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"Uns geht es um den Unternehmer Herr Frenck, was im Hintergrund passiert, wissen wir nicht", sagt Harder am Telefon. "Wo kein Kläger, da kein Beschuldigter." Und darauf sagt er, dass er anbieten könne, VICE mit Tommy Frenck zu verbinden, damit wir ihm die Vorwürfe – dass er "rechtsradikal" sei – persönlich unterbreiten können. Wie schuldig oder unschuldig – zumindest auf dem Blatt Papier – Frenck ist, ist unklar. Er selbst postete vor drei Jahren sein Führungszeugnis ohne Vorstrafe auf Facebook, weil "Linke, Gutmenschen und Lügenpresse ständig Unwahrheiten verbreiten" würden. Die Journalisten Olaf Sundermeyer und Christoph Ruf schreiben in ihrem Buch über die NPD hingegen, dass Frenck wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden sei, nachdem er einem Kubaner eine volle Bierflasche auf den Kopf geschlagen habe.

Dem GH-Verlag hätte eine Google-Suchanfrage gereicht, um die Gesinnung ihres Sponsors herauszufinden. Wer den Suchbegriff "Gasthaus Goldener Löwe" googelt, landet beim "Adolf Hitler Geburtstagsangebot" des Restaurants. Am 20. April der letzten beiden Jahre, also dem Geburtstag Adolf Hitlers, hatte Frencks Gasthof Schnitzel für 8,88 Euro angeboten. Auf seiner "Wand der Ess-Maschinen" wurde erst vor zehn Tagen ein Gast geehrt, der seinen XXL-Burger in "8 Minuten und 88 Sekunden" verspeist habe.

Der GH-Verlag muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er Tausenden Kindern einen rechten Szenetreff ans Herz legt. Und Tommy Frenck kann sich auf Facebook über Anne Frank lustig machen. Dort schreibt er: "Immer daran denken --> Im Straßenverkehr gilt: Rechts vor Links."

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