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Serienmörder

Wieso Netflix selbst schuld ist, dass ein Serienmörder romantisiert wird

'Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders' macht den Verbrecher zum Helden und verliert wenig Worte über seine Opfer.
Porträt von Ted Bundy mit aufgemaltem Herz
Foto: Netflix

Während manche Netflix-User und -Userinnen noch mit verbundenen Augen herumstolpern und ihr eigenes Horrortape drehen, schwärmen andere längst von Ted Bundy. Von dem Mann, der mindestens 30 Frauen grausam getötet, vergewaltigt und die Leichen zerstückelt haben soll. Das verwunderte Netflix anscheinend so sehr, dass sie die Fans auf ihrer Twitterseite ermahnten.

Ausgelöst hat den Hype die neue Dokureihe Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders, die es seit Ende Januar auf Netflix gibt. Sie basiert auf bisher unveröffentlichten Tonaufnahmen, auf denen Ted Bundy mit einem Journalisten im Todestrakt über sein Leben spricht.

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Ted Bundy hatte gestanden, in den USA im Zeitraum von vier Jahren 30 junge Frauen brutal ermordet haben. Bis heute ist unklar, ob es nicht sogar noch mehr Opfer gab. Nachdem er gefasst wurde, verurteilte man ihn zum Tode und richtete ihn 1989 auf dem elektrischen Stuhl hin. Obwohl der Typ ein absoluter Creep gewesen sein muss, hat es Netflix mit ihrer Serie geschafft, bei den Zuschauern Sympathie und Faszination für Bundy auszulösen.

"Attraktiver Teufel" wurde er bezeichnet, andere Nutzer schrieben, dass sie sich "dann mal auf Ted Bundy einen runterholen". Daraufhin twitterte Netflix: "Ich würde euch gerne freundlich darauf hinweisen, dass es wortwörtlich TAUSENDE heiße Männer gibt – fast alle von ihnen sind keine verurteilten Serienmörder."

In der Serie erzählt Bundy von seiner Kindheit, die angeblich sehr idyllisch war, von seinem Psychologie- und Jurastudium, seiner ersten Freundin. Dabei zoomt die Kamera auf Bilder, die Bundy mit eisblauen Augen und breitem Grinsen zeigen. Zwischendurch werden die Taten angerissen – Bundy erzählt davon aber nur in der dritten Person, als Außenstehender.

Für Details werden stattdessen Polizisten interviewt. Und gerade, als man versucht, sich in die Opfer hineinzuversetzen, kommt ein Schnitt auf einen freundlich dreinblickenden Bundy und es wird betont, wie intelligent und freundlich er war – insgesamt wird das in der Serie gefühlt hundertmal erwähnt. Wundert es da nicht, dass er auf manche faszinierend wirkt? Dieser mysteriöse, charmante Ted Bundy?

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Angeblich wurde Bundy schon zu Lebzeiten als attraktiv und charismatisch beschrieben. Ihm sollen mehrere Liebesbriefe ins Gefängnis geschickt worden sein und sogar der Richter, der das Todesurteil sprach, sagte, dass er ein "bright young man" – ein intelligenter junger Mann – sei und ihm gegenüber keine Feindseligkeit spüre.

Bundy gibt auf den Tonaufnahmen nicht mal zu, dass er schuldig ist.

Statt "die wahre Geschichte des berüchtigten Serienmörders" aufzudecken, pusht Netflix dieses romantisierende Bild eines Killers. Der Zuschauer bekommt das Gefühl, Bundy sei ein Mensch wie du und ich, der sich eigentlich nur nach Aufmerksamkeit und Liebe sehnt. Auf die Taten und seine Opfer wird dabei wenig eingegangen. Bundy gibt auf den verwendeten Tonaufnahmen nicht mal zu, dass er schuldig ist.

Man hätte ja stattdessen mehr auf Bundys Opfer eingehen und Familienangehörige befragen können. Die Taten, die nicht weniger brutal sind, nur weil der Täter ein nettes Lächeln hatte, hätten genauer beschrieben werden können. So hätte Netflix ein realistisches Bild von Bundy zeichnen können: Das Bild eines Psychopathen, der Frauen grauenvoll ermordete und damit das Leben mehrerer Familien zerstörte.

Und als würde eine Serie, die einen Mörder glorifiziert, nicht ausreichen, wird in Kürze der Film Extremely Wicked Shockingly Evil and Vile auf Netflix erscheinen, der ebenfalls das Leben von Ted Bundy thematisiert. Es soll sich dabei vor allem um die Beziehung zu seiner Freundin drehen, die nicht wahrhaben will, dass Bundy ein Mörder ist. Die Musik im Trailer zum Film erinnert mehr an einen seichten Actionthriller. Ted Bundy wird von Zac Efron gespielt – Schwärmereien sind also schon vorprogrammiert.

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