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Berlin

Das lernt man über Feminismus, wenn sich Merkel, Ivanka Trump und eine Königin treffen

"Das ist eine interessante Frage und ich frage mich, ob sie die auch einem Mann gestellt hätten", "Ich möchte mich nicht mit der Feder des Feminismus schmücken", "[Frauen] müssen ihr Geld vor ihren Ehemännern verstecken."
Foto: John MACDOUGALL / AFP

Treffen eine Millionärstochter, eine Königin, eine schwäbische Unternehmenschefin und die Kanzlerin aufeinander, um über "Frauenthemen" zu sprechen. Klingt wie ein seltsamer Witz, war auch irgendwie einer, weil Ivanka Trump in der Runde erfolgreicher, mächtiger Frauen saß. Eine Frau, auf deren Bauchbinde als erstes Wort "Tochter" steht. Eine, die ihre politische Rolle nicht erklären kann, aber sagt, es sei eine "incredible journey" gewesen zu ihrem Posten als "first daughter".

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Und doch war dieses Podium ein besonderes. Auf der Bühne außerdem die Außenministerin Kanadas, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, daneben eine Chefin eines schwäbischen Maschinenbauunternehmens und eine kenianische High-Tech-Gründerin. Da sitzen sie also, acht der einflussreichsten Frauen auf diesem Planeten. Wir erklären euch die Lage der Frauen auf der Welt mit Hilfe von zehn Zitaten aus ihrem Gespräch.

"So wie ich nicht dazu gekommen bin bis jetzt, ein Unternehmen zu leiten, geht es vielleicht auch vielen anderen auch." 

Angela Merkel, nachdem die Moderatorin sie daran erinnerte, dass sie mal in einem Interview gesagt hatte, sie hätte sich auch vorstellen können, mal ein Café oder ein Restaurant zu leiten.

Nett formuliert. Weltweit ist nur ein Viertel der Vorstandspositionen weiblich besetzt. 45 Frauen sitzen 2017 in deutschen Dax-Unternehmen im Vorstand, sie stehen 630 Männern gegenüber. In mittelständischen Unternehmen ist die Quote höher: Jede fünfte Frau nimmt dort 2017 eine Managementposition ein. Warum ist das so? Dazu kommen wir gleich.

"[Frauen zu stärken, ist] eine völlig klare Notwendigkeit, wenn man es sich aus makroökonomischer Sicht anschaut." 

IWF-Chefin Christine Lagarde

Selbstverständlich ist es das: Frauen machen theoretisch die Hälfte des gesamten Arbeitskräftepotenzials aus. Wenn sie – gerade in Entwicklungsländern – nicht gefördert werden, wird richtig viel Potenzial nicht ausgeschöpft und die Wirtschaft wächst nicht, wie sie könnte. Aber nicht nur das: Unternehmensumsätze zeigen, dass sich gemischte Teams wirtschaftlich lohnen. Sie arbeiten kreativer, weil – logisch – mehr Perspektiven in einer Entscheidung stecken.

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"Darf ich ganz kurz als Aktivistin auftreten? (…) Zeigt uns eure Zahlen."

Christine Lagarde darüber, dass Unternehmen Frauen deutlich schlechter bezahlen, aber das nicht offen zugeben.

Man kennt es noch aus der Schulzeit: "Wir machen schon viel" ist das Pendant der Unternehmer-Sprache für "Mein Hund hat meine Hausaufgaben gefressen". Fakten, wir wollen Fakten, fordert daher Lagarde. Die harten Zahlen zu Frauenanteilen und Lohnlücken sind alles andere als zufriedenstellend: In Deutschland verdienen Frauen 21 Prozent weniger als Männer. Im März dieses Jahres hat der Bundestag ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen beschlossen. Jetzt können Frauen in Firmen mit mehr als 200 Mitarbeitern erfahren, was Männer in vergleichbaren Positionen verdienen. Ab 500 Mitarbeitern müssen die Unternehmen regelmäßig über die Lohngleichheit berichten. Wenn es von selbst nicht geht, braucht es eben Gesetze.


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Wir haben Unternehmen Jahre gebettelt und gebeten. Die haben sich das Gesetz selbst erarbeitet – durch Nichtstun."

Merkel antwortet Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller, die gesetzliche Quoten ablehnt.

Als der Bundestag 2015 die Frauenquote beschloss, betrug der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten gerade einmal 12,4 Prozent. Weil die Unternehmen beim Wort Quote aber laut "Mimimi" schrien, war die Politik erstmal zaghaft: Anhand einer "Flexiquote" sollten 3.500 mittelgroße Unternehmen selbst bestimmen, wie viele Frauen sie in ihren Vorstand, Aufsichtsrat oder auf die oberen zwei Managementebenen verteilen wollten. Was machen einige dieser Firmen dann? Genau. Nichts. "Da, wo sich Unternehmen selbst die Zielvorgaben setzen können: null", sagte Familienministerin Manuela Schwesig dazu im März dem ARD-Morgenmagazin. Und resümiert: Kann man gesetzlich bestimmt nochmal angehen. Das einzige Problem sind die Unternehmen allerdings nicht.

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"Wir müssen viele Frauen zwingen, Führungspositionen zu übernehmen"

Nicola Leibinger-Kammüller

Die Chefin des 11.000-Mitarbeiter Unternehmens Trumpf – einer der Weltmarktführer für Werkzeugmaschinen – sagt das etwas genervt, liefert aber auch eine Erklärung: Wenn eine Frau mit Kind Chefin wird und es nicht klappt – weil etwa beide Eltern viel arbeiten und das Kind in der Schule abkackt –, sagt meist nicht der Mann: Ich trete jetzt kürzer und kümmer mich ums Kind. Sondern: Die Frau geht oder sieht sich selbst als schlechte Mutter. Die Unternehmenschefin hat aber nicht nur eine Erklärung, sondern auch eine Lösung für das Problem:

"Wir kommen nur weiter, wenn wir die Männer mitnehmen." 

Nicola Leibinger-Kammüller

Eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass Männer Probleme bekommen, wenn sie die Arbeitszeit an ihr Familienleben anpassen. Von Männern werde einfach erwartet, dass sie Vollzeit arbeiten und bei Bedarf immer zur Verfügung stehen, so die Studie. Elternzeit bei Männern nach der Geburt eines Babys werde weitgehend akzeptiert, allerdings nur, wenn sie nicht länger als zwei Monate dauert. Vor allem Führungskräfte bekommen oft Gegenwind, wenn sie Elternzeit beantragen. Feminismus heißt aber: Männer genauso von Geschlechter-Klischees befreien wie Frauen.

"Das ist eine interessante Frage und ich frage mich, ob sie die auch einem Mann gestellt hätten." 

Nicola Leibinger-Kammüller auf die Frage, ob sie ihre Karriere als Trumpf-Chefin auch ohne ihren familiären Hintergrund – sprich Tochter – gemacht hätte.

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Promovierte Philologin, Vorsitzende der Geschäftsführung des weltweit größten Werkzeugherstellers, Aufsichtsratmitglied der Springer AG, der Siemens AG und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes – es gibt sicherlich viele Dinge, die es sich über Nicola Leibinger-Kammüllers Lebenslauf zu wissen lohnt. Moderatorin Miriam Meckel, Herausgeberin der Wirtschaftswoche, entschied sich in diesem Fall trotzdem für die "Lag dein Erfolg nur an Papa?"-Nummer. Wir geben die Frage einfach mal an Ivanka Trump weiter.

"Ich bin sehr stolz auf meinen Vater. […] Ich bin ganz am Anfang, ich höre zu." 

Ivanka Trump

Sie ist noch ganz neu in ihrer Rolle, knapp 100 Tage macht sie sie. Und Trump, das muss man ihr auf jeden Fall lassen, versucht, die Tatsache nicht einmal zu verbergen, dass sie nicht erklären kann, was ihre Rolle eigentlich ist. Nur wenn man aber mit den mächtigsten Frauen auf einem vielbeachteten Podium sitzt, sollte vielleicht etwas mehr kommen, als dass es eine "unglaubliche Reise" war. Aber sie macht, was sie am besten kann: Sprüche im Stil von Instagram-Bildunterschriften.

"Frauen […] müssen ihr Geld vor ihren Ehemännern und anderen Familienmitgliedern verstecken."

Máxima, Königin der Niederlande, sie sprach, das war in der Debatte nicht eindeutig, wohl über Frauen in Entwicklungsländern.

Gründerin Juliana Rotich | Foto: Erik Hersmann | Flickr | CC SA-BY- 2.0

Auch wenn die moralischen Abgründe von Ehemännern nicht zu unterschätzen sind: Das eigentliche Problem beginnt für viele junge Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern bereits vor der Ehe. Juliana Rotich, Mitgründerin von Ushahidi und BRCK – beides Tech-Unternehmen, die Entwicklungsgebiete mit Technik und Informationen versorgen –, kritisiert, dass es vor allem weibliche Identifikationsfiguren und eine Aussicht auf eine Karriere in der Wissenschaft braucht. Eine Alternative zum Narrativ, das Ehe und Kinder als einzige Option für die Zukunft nach dem Schulabschluss präsentiert. Rotich fordert: Mehr Inklusion. Mehr Repräsentation. Mehr Möglichkeiten, der Prekarität zu entfliehen.

Moderatorin: "Sind Sie Feministin?"
Merkel: "Ich möchte mich nicht mit der Feder des Feminismus schmücken."
Königin Máxima: "Ich denke, eine Feministin ist jemand, der möchte, dass alle Frauen die Chance haben, glücklich und stolz auf sich selbst zu sein." 
Merkel: "Dann bin ich auch eine."

Feminismus ist eigentlich eine einfache Sache: Männer und Frauen (und alle Geschlechter dazwischen) sollen die gleichen Chancen bekommen. Eigentlich gibt es also nur zwei Möglichkeiten: Entweder man ist Feminist – oder man ist ein Idiot. Wie gesagt, es könnte so einfach sein. Aber die Fantastischen Vier wussten schon: ist es aber nicht. Denn es gibt diese Klischees. Viele setzen Feminismus in Deutschland gleich mit Alice Schwarzer. Das andere ziemlich unpolitische Extrem: Mode-Feministinnen mit 550-Euro-Dior-Shirt mit der Aufschrift "We should all be feminists". Merkel bekam jetzt die Steilvorlage, das Wort Feminismus mit der sachlichen Diskussion über Einkommen, Vorstandsposten und der Stärkung von Frauen in Entwicklungsländern zu verknüpfen. (Barack Obama und Justin Trudeau nennen sich übrigens selbstverständlich Feministen.) Merkel nutzte die Chance nicht. Sie wolle sich nicht, sagte sie, mit Federn von Frauen wie Schwarzer schmücken, die Kämpfe gefochten haben. Merkel durchbricht nicht das Klischee (Schwarzer = Feminismus), stattdessen springt sie darauf auf. Schade. Und für eine Frau, die selbst alle Klischees durchbrochen hat, als ostdeutsche Pfarrerstochter, die sich in einer männerdominierten Partei und gegen Polit-Machos wie Berlusconi und Putin durchgesetzt hat, auch eigentlich unter ihrem Niveau.

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