Die Alpha-Männchen gegen Stefanie Sargnagel

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Hass im Netz

Die Alpha-Männchen gegen Stefanie Sargnagel

Warum haben einige mehr oder wenige einflussreiche Männer nichts anderes zu tun, als sich gegen eine junge Autorin zu stellen? Und worum geht es in der Diskussion überhaupt noch?

Collage: VICE Media; Einzelcredits: Foto von Stefanie Sargnagel: David Bogner; Foto von Strache: Parlamentsdirektion | PHOTO SIMONIS; Foto von Norbert Hofer: Parlamentsdirektion | PHOTO SIMONIS; Foto von Michael Fleischhacker: Screenshot via YouTube; Foto von Thomas Glavinic: Ela Angerer | Wikimedia CommonsCC BY-SA 3.0

Seit vergangenem Mittwoch, dem Weltfrauentag, läuft nun die Diskussion rund um Autorin Stefanie Sargnagel und ihre Literaturreise, für die sie und eine Kollegin ein Stipendium von jeweils 750 Euro bekamen, da sie auf der Reise ihre Romane fertig stellten.

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Dass die Autorinnen eine staatliche Förderung für eine Reise bekamen, auf der sie für den Standard ein Reisetagebuch verfassten, schien zunächst vor allem Richard Schmitt, dem Chefredakteur von krone.atsauer aufzustoßen. Darum machte er aus der satirischen Geschichte Ernst, sprach von massivem Drogenkonsum und Tierquälerei.

Auch das mit der FPÖ verstrickte Magazin Wochenblick berichtete und seitdem sind Sargnagel und ihre Kolleginnen online Morddrohungen und Vergewaltigungswünschen ausgesetzt. Viele haben sich mit der Autorin solidarisiert, andere wiederum setzen noch eins drauf. Die Autorin ist derzeit für 30 Tage von Facebook gesperrt.

Falls diese Diskussion überhaupt jemals einen Punkt hatte, ist er mittlerweile längst verloren gegangen. Richard Schmitt bedankt sich nach mehrtägiger Twitter-Kampagne mittlerweile in regelmäßigen Abständen für Klicks auf krone.at und deutet so an, worum es hier eigentlich ursprünglich ging. Auch die insgesamt 1.500 Euro Förderung sind mittlerweile zu gefühlten Millionen geworden, wenn man danach geht, wie breit und mit welcher Radikalität das Thema diskutiert wird.

Und obwohl die Diskussion mittlerweile zu einer geworden ist, die sich um Hass im Netz gegen Frauen und die Verdrängung junger, unbequemer Frauen aus dem öffentlichen Raum dreht (und angesichts der Entwicklungen auch drehen sollte), sind in den vergangenen Tagen immer mehr der sogenannten Alpha-Männchen Österreichs auf den öffentlichkeitswirksamen Sargnagel-Zug aufgesprungen und haben nicht viel mehr zur Debatte beigetragen, als sie noch schlimmer zu machen.

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Einzelne (mehr oder weniger) prominente Männer versuchen, sich durch Aufgreifen der Geschichte selbst zu profilieren – und es stellt sich die Frage, warum sich hier halbwegs einflussreiche Männer gegen eine junge Autorin in solchem Ausmaß zusammentun. Dass man hier nicht alle über einen Kamm scheren kann, zeigen zwar unter anderem Falter-Chefredakteur Florian Klenk und ORF-Anchorman Armin Wolf, die auf Twitter beide für Sargnagel eintraten. Allein, dass so etwas positiv überrascht und die Ausnahme darstellt, stimmt uns aber traurig.

Damit ihr euch nicht noch intensiver mit dieser völlig unverhältnismäßigen Debatte darüber, was Satire eigentlich darf und wo Frauenfeindlichkeit beginnt,beschäftigen müsst, haben wir für euch eine Übersicht aller vermeintlichen Alpha-Männchen zusammengestellt, die politisches oder persönliches Kleingeld aus der Sache schlagen wollten.

Richard Schmitt

Richard Schmitt war es, dem wir diese Diskussion überhaupt zu verdanken haben. Schmitt war sechs Jahre lang Chefredakteur bei der Tageszeitung Heute, wo er laut Medienberichten wegen seines rauen Umgangstones nicht unumstritten gewesen sein soll. Heute arbeitet er als Chefredakteur von krone.at. Er betitelte seinen Artikel mit "Saufen und Kiffen auf Kosten der Steuerzahler" und hob in Diskussionen auf Twitter vor allem zwei Stellen des Reisetagebuches hervor: Die, an der Sargnagel schreibt, ihre Kollegin hätte eine Babykatze zur Seite getreten und die, an der sie schreibt, der Kölner Hauptbahnhof habe zu viel versprochen.

Was Schmitt mit seiner Berichterstattung auslöste – nämlich massive Drohungen gegen die Frauen –, schien ihm nicht besonders viel auszumachen. Viele User konfrontierten ihn auf Twitter; er blieb dabei und bedankte sich für die Klicks. Im Laufe der Diskussion wurde ein altes Facebook-Posting von Schmitt ausgegraben – ein Meme, auf dem Michelle Obama zu sehen ist, wie sie eine offensichtlich gephotoshoppte Katze durch die Luft wirbelt.

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Schmitt unterstellte Florian Klenk außerdem, Tierquälerei lustig zu finden und bezeichnete alle Menschen, die dies ebenso täten, als psychisch gestört. Ein wenig gezügelter als gewohnt reagierte er auf Screenshots von Hasspostings gegen Sargnagel. Diese würden "gar nicht gehen", wie er schrieb. Seit Tagen blockt Schmitt viele Kritiker, wie Screenshots zeigen, die auf Twitter kursieren. Auch in der VICE-Redaktion ging ein Anruf ein, in dem Schmitt unseren ersten Artikel zur Thematik als "Machenschaft" bezeichnete und meinte, den satirischen Wert des Reisetagebuches von Sargnagel könne ich dem Richter erklären.

In einem Interview, das im Sommer 2016 im Magazin Fleisch erschien, sagte Schmitt: "Genauso wichtig ist, dass ich am Mittwoch oder Donnerstag auf Facebook einen Aufreger habe. Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch." Und so geschah es.

2012 erhielt Schmitt übrigens den Negativpreis "Rosa Koffer" für besonders frauenfeindliche Berichterstattung, nachdem er eine Hetzkampagne gegen die damalige Wiener Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin gestartet hatte.

Heinz-Christian Strache

Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache teilte den Krone-Beitrag über die Literaturreise, hat das Posting jedoch mittlerweile wieder von Facebook gelöscht. Er empörte sich in seinem Posting ebenso wie Schmitt über die steuerliche Finanzierung der Reise – wie gesagt: beide Autorinnen zusammen erhielten 1.500 Euro – und versuchte sich wie so viele andere als Literaturkritiker:

"Frau Sargnagel, Frau Haider und Frau Hofer haben kein Talent als Autorinnen!", schimpft Strache. "Denn ein literarisches Tagebuch oder ein Blog sollte keinesfalls etwas mit dem Treten von Babykätzchen, dem Hass auf Tiere oder dem Beschreiben des Drogenkonsums zu tun haben. Werte Damen – Sie sind ein Schande!" Auf Twitter blieb der Einstieg seines Postings online:

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Dass Sargnagel nicht nur Schmitts, sondern auch Straches Geschmack nicht entsprechen dürfte, verwundert nicht. Immer wieder äußert sie sich FPÖ-kritisch, außerdem ist sie Gründungsmitglied der Burschenschaft Hysteria, der feministischen Antwort auf deutschnationale Burschenschaften, die für ihre öffentlichen Auftritte und Aktionen bekannt ist. Erst kürzlich übernahm die Hysteria das Fritz-Stüber-Heim, jahrelanger Treffpunkt von Rechtsextremen und benannt nach dem ehemaligen NSDAP-Mitglied Stüber.

Norbert Hofer

Auch der ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer, in Bezug auf den Stefanie Sargnagel schrieb, dass sie noch ein paar Mal abtreiben würde, bevor Hitler Bundespräsident werde, nachdem dieser eine verpflichtende Bedenkzeit für Frauen forderte, die einen Schwangerschaftsabbruch machen wollen, teilte einen Artikel zum Thema.

Wie gewohnt schlug er dabei jedoch sanftere Töne als Kollege Strache an und rief zu gemäßigtem Umgangston auf, um sich nicht auf Sargnagels Niveau zu begeben – oder wie eine Userin schrieb: "Mit so etwas gebe ich mich gar nicht ab, die sind unter meinem nivo."

Thomas Glavinic

Auch der österreichische Schriftsteller Thomas Glavinic sprang am vergangenen Freitag auf den Zug auf und äußerte sich auf seiner Facebook-Seite gegen Stefanie Sargnagel. Es ist nicht das erste Mal, dass die beiden aneinandergeraten: Einmal bezeichnete Glavinic Sargnagel als "sprechenden Rollmops", woraufhin ihm Body Shaming vorgeworfen wurde.

Der militante Flügel der Burschenschaft Hysteria, die Discordia, verteilte daraufhin Flugzettel bei einer Lesung des Autors. Auf den Flugzetteln stand geschrieben: "Thomas ist ein Mann, der gerne teilt. Seine normierenden Evaluationen von Frauenkörpern, seine Sympathie für Rechte, Fotos von seinem Schwanz, sein Begehren in Form von SMS an Frauen, die ihm ihre Nummer nicht gegeben haben." Die Discordia rief zum "Teils mit Thomas-Monat" auf und verteilte seine vermeintliche Handynummer.

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In seinem Facebook-Posting vom Freitag schreibt Glavinic, sein Computer sei gehackt und Fotos von ihm und seiner Freundin auf Pornoseiten geladen worden. Diese Fotos sollen auf der Facebook-Page eines "einschlägig bekannten Rollmopses" diskutiert worden sein. Im Anschluss sei ein Twitter-Account unter seinem Namen angelegt worden sein, der die Fotos verbreitete.

"Das alles steht in zeitlichem und inhaltlichem Zusammenhang mit einer Person, die nach wie vor noch nicht unter gesellschaftlicher Quarantäne steht und vom einen oder anderen von euch bis vor einiger Zeit noch 'lustig' gefunden wurde", schreibt Glavinic weiter – und unterstellt Sargnagel im Zuge dessen, etwas mit der Veröffentlichung der Bilder zu tun zu haben. Auch auf die Flugzettelaktion der Discordia geht er ein und meint, sein Sohn sei davon verängstigt gewesen. Im nächsten Atemzug teilt er allerdings selbst den Link zum Twitter-Profil, das die Nacktfotos verbreitet hat und mittlerweile offline ist.

Immer wieder kursieren Vorwürfe gegen Glavinic, er würde Frauen unaufgefordert verschiedene Nacktfotos von sich schicken. VICE hat mit Betroffenen gesprochen, die diese Vorwürfe bestätigen konnten. Eine Nachfrage bei Glavinic selbst blieb bisher unbeantwortet.

Michael Fleischhacker

Auch der NZZ.at-Journalist und Moderator von Talk im Hangar 7 auf dem Fernsehsender ServusTV, der in der Vergangenheit immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert war, sich bei Rechten anzubiedern, hatte etwas zum Thema zu sagen.

In seinem wöchentlichen Newsletter schreibt Fleischhacker: "Noch vor ein paar Wochen hätte ich vermutlich, wenn es sich ergeben und wir über Stefanie Sargnagel ins Gespräch gekommen wären, zu einem Freund, wenn ich einen hätte, gesagt: Wenn ich das erste Mal in einem meiner Texte Stefanie Sargnagel erwähne, erschießt du mich bitte, ja?" und wirft den Menschen, die sich mit Sargnagel solidarisieren und gegen Hass im Netz eintreten, vor, das Internet von den "Scheiß-Andersdenkenden" säubern zu wollen.

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Manfred Klimek

Der Fotograf und Kolumnist Klimek (von dem auch mehrere Artikel auf VICE veröffentlicht wurden) schrieb erst, dass die Debatte um Sargnagel und den dazugehörigen Krone-Artikel zum "Allerdümmsten" gehöre, was eine Szene zu bieten habe und Wien auf dem Weg in die Totalverdummung sei und Sargnagel dazu beitrage, wozu es sonst aber nicht mehr zu sagen gebe. Außerdem spann er die Glavinic-Geschichte fort und schrieb, dass Sargnagel gehackte Sexualbilder von Glavinic auf ihre Facebook-Seite stellte.

Wenig später hatte er dann doch noch was zu sagen und prangerte die neu aufflammende Frauenfeindlichkeit an: "Solidarität mit Stefanie Sargnagel kann ich hinnehmen (und will sie hinnehmen), wenn diese als Solidarität mit allen Frauen zu verstehen ist – kulturell tätig oder nicht, das ist egal. Denn das Spinnrad läuft gerade mit hoher Geschwindigkeit rückwärts."

Außerdem könne man den Journalismus der Krone nicht länger tolerieren. Vielleicht nicht ganz absichtlich fasst er die Thematik somit ziemlich gut zusammen.

Verena auf Twitter: @verenabgnr

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