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Auf LSD am Christkindlmarkt

Christkindlmärkte sind schon so die Hölle, wie grausam muss es dann dort erst auf LSD sein?

Glitzernder Kitschschmuck, aufrichtiges Kunsthandwerk, dampfende Käsebrote und überall der Geruch von Obstdurchfall und Alkoholikeratem: Das ist der Mythos, den wir in Österreich Christkindlmarkt nennen. Allein dieser Institution ist es zu verdanken, dass wir ehrbaren Bürger ohne schlechtes Gewissen mit einem leichten Dauerdusel durch die Adventszeit wanken und das empfindliche Besinnlichkeitsgefüge nicht vor dem 27. 12. in sich zusammenfällt wie die Twin Towers bei 9/11. Und weil das alles so schön ist, beziehungsweise weil sich eine so sinnstiftende Einrichtung endlich mal einen gebührenden Tribut verdient hat, haben wir zum Jahresausklang ein bisschen LSD eingeworfen und sind am legendären Markt direkt auf dem Wiener Rathausplatz spazieren gegangen.

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Eine alte Bauernregel besagt: "Liegt zum Christkind noch kein Schnee, nimm nur das halbe LSD." Eine andere lautet glaube ich: "Wenn sie Fotos machen, Junge, putz dir vorher mal die Zunge", aber was bitteschön wissen tote Bauern schon von meinem Leben im urbanen Jetset, duh. Jedenfalls habe ich zuerst nur den halben Trip geschmissen, was wahrscheinlich auch ein bisschen damit zusammenhing, dass es da immer noch hell war und man bei Licht einfach mehr auffällt, wenn man nicht wie alle anderen mit gottesfürchtigem Punsch gefüllt ist.

Als mich dann die ersten Wonnewellen überkamen, war es glücklicherweise schon dunkel. Sicherheitshalber tranken wir aber trotzdem auch Punsch und Glühwein, als wollten wir für das Amt des Bürgermeisters kandidieren, und fuhren eine Runde im reudigen Bummelzug, zu dem sie mit einer Porno-Version von "Stille Nacht" gelockt hatten.

Wenn man so mit 5 km/h neben Joggerinnen dahinrollt, fühlt sich selbst der nüchternste Patient irgendwann wie der Papst. Also fragt gar nicht erst, was für pseudotranszendentale Scheiße in mir abging, als ich an all diesen Gestalten vorbei glitt und die ganze Zeit über einen riesigen Luftballon in Hubschrauberform und das dazugehörige Mutter-Kind-Paar anstarren musste. Die Mutter war von meinem Mangel an Contenance alles andere als begeistert und sagte mit ihren Augen: "Danke, dass du mit deinem beeindruckend bildlichen Sexgerede meinem Kleinen Weihnachten am Rathausplatz für immer versaut und ihn zu einem zukünftigen Finanzbeamten gemacht hast."

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Weil ich die Anklage der Hubschrauber-Mama nicht länger aushielt, holten wir uns schnell noch einen Downer-Glühwein und stürzten uns wieder in den schützenden Trubel der Ramschstände und Kitschhütten, wo ich dann diesen Plüschhund im Plastikgras entdeckte.

Und weil er mir in dem Moment wie das Süßeste vorkam, das jemals aus den Innereien der menschlichen Fantasie auf diese Erde gespuckt worden war, musste ich ihn natürlich gleich küssen. Aber eh nur ohne Zunge, also keine Sorge. Wer wird denn wegen dem bisschen Acid gleich seinen Anstand vergessen!

Wie das aber auf LSD nun mal so ist, hat jede schnuckelige Stofftier-Story auch ihre Schattenseiten. Nur ein paar Augenblicke nach dem fluffigen Knutscher fiel mein Blick auf … DAS HIER—und ganz plötzlich fühlte es sich an, als hätte jemand den Stöpsel aus meinem Hirn gezogen und seinen Penis in die Öffnung gesteckt. Was nicht unbedingt ein schlechtes Gefühl sein muss.

Dieses traurige Bild von (zirka) tausend geschlachteten Kuscheltierchen ätzte sich prompt in meinen Frontallappen. Ich wüsste nicht, wie ich die Szenerie anders beschreiben sollte, als mit "Plüschholocaust". Es war an der Zeit, einen anderen Gang einzulegen.

Glücklicherweise hatte mein Broski Josef die grandiose Idee, mir diese Krampusmaske aufzusetzen, mit der ich mir irgendwas zwischen sehr komisch und ziemlich unbesiegbar vorkam. Für die punschsaufenden Passanten war mein Auftritt wohl nicht so der Burner, zumal der Gruselfaktor meiner Erscheinung durchaus noch einen Feinschliff vertragen hätte.

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Das wirklich Schockierende war wohl eher, dass jemand, der in einer alten, höchstwahrscheinlich mehrmals angewichsten Pfadfinder-Krampusmaske steckte, an der Hand über den Weihnachtsmarkt geführt werden musste, während er debil vor sich hin kicherte und kleinen Kindern mit dem Zeigefinger auf die Nase zu greifen versuchte. Ich habe also mit meiner Aktion das alteingesessene Bild instituitionalisierter Brauchtums-Macht performativ dekonstruiert. Würde ich aus heutiger Sicht vielleicht sagen. Damals am Christkindlmarkt sagte ich nur "Esmeralda!" und humpelte wie Igor durch die Fleischberge an Touristen. The times they are a-changing.

Nur einen Tag lang ein Ballon unter vielen sein—das war in diesem Moment mein einfacher Traum. Kurz darauf habe ich den ganzen Strauß zum Umfallen gebracht und bin entsetzt geflüchtet.

Kennt ihr alle noch diese Fliegenklatschenschleimhände, mit denen man Fettflecken auf Wände machen und jede Sonntagsstimmung zerstören konnte? Ich sage euch, nichts ist auf Acid besser, als Dinge, die elastisch sind und andauernd ihre Form verändern.

Leider wurde es ziemlich schnell widerlich, weil wir mitten auf dem Weg ein gebrauchtes Kondom entdeckten und ich es mit unserer Schleimhand aufzuheben versuchte. Mehrmals.

So sah das Händchen danach aus. Als wir schließlich den ganzen Dreck bemerkten, den wir aus dem Umkreis des Kondoms aufgesammelt hatten (ohne das Kondom selbst auch nur ein einziges Mal zu treffen), hatten wir die Keimschleimhand bereits mehrmals gegen unsere Gesichter und Punschtassen geklatscht, weshalb wir uns zum Zeitpunkt dieses Schnappschusses ziemlich vor uns und der Welt ekelten. Memo für die Zukunft: Immer genau begutachten, was einem jemand Schleimiges ins Gesicht klatschen will. Das gilt beim Trippen genauso wie beim Swaffeln.

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Da schau, das Christkind. Lieb, gell? Und nein, das hat jetzt nichts mit Swaffeln zu tun.

Als nächstes wanderten wir zur Weihnachtskrippe, die traditionsgemäß ausstellte, wie ein Ochse und ein Esel ein im Futtertrog aufgebahrtes Menschenbaby fressen und dabei von einem Hillbilly-Pärchen angefeuert werden.

Eine Zeitlang versuchte ich, die Aufmerksamkeit des Ochsen mit unserer Klatschhand zu gewinnen, indem ich ihm zärtlich das Gesäß tätschelte.

Dann erschien plötzlich dieses Licht und mehr weiß ich von dieser Episode eigentlich auch nicht mehr. Vielleicht schoss einfach nur irgendwer ein Foto, vielleicht öffnete sich auch ein Wurmloch in jenes Paralleluniversum, in dem Gott wirklich existiert, und aus dem er nun herüberstieg, um mich für meine Blasphemie zu swaffeln. Keine Ahnung. Da half nur eins …

… Ablenkung durch Spielzeug! Ich glaube, ich habe allein an diesem Stand gut eine Stunde verbracht und mich mit ikonischem Kindheitsscheiß vergnügt. Highlights: die Flasher Gremlin-Actionfigur mit aufgerissenem Mantel und extra Zigarette, Futuramas Gender Bender in pink und ein aufgepumptes, Herr-der-Ringe-mäßiges Rentier mit Kriegsgeschirr und dem süßen Namen Rudi.

Hier weiß ich nicht, ob die Bildunterschrift eher "I'm watching you" oder "I'm licking your woohoo" lauten sollte.

Wie jeder anständige Acidhead weiß, kann man auf LSD unmöglich an einem Kinderkarussell vorbeigehen, ohne damit zu fahren. Dem Typen an der Kassa war scheißegal, dass wir keine zehn Jahre mehr waren, weil er sowieso gerade den nächsten Hollywood-Hit auf seinem Macbook schrieb. Die Kinder hinter uns fanden meine Angst vor der Geschwindigkeit auch lustig, was mir komischerweise wieder ein bisschen Selbstvertrauen gab und die Paranoia komplett aus meinem System spülte.

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Apropos Paranoia: Dieses Foto ist essentiell. Nicht für diesen Artikel oder für euch, aber für meine geistige Gesundheit. Wenn ich nicht wüsste, dass diese Bestie wirklich existiert, würde ich längst Klinikluft atmen.

Zum Abschluss noch ein Salut an die Drehorgelspielerin, die mir als einzige am ganzen Markt frohe Weihnachten gewünscht hat. Böse Zungen mögen behaupten, das läge daran, dass sie mich als einzige nicht so gut sehen konnte, aber ich sage, alle anderen sind abgebrühte Säufer, an denen nur die Leber warm ist. Mahalo!

Epilog

Irgendwann später am Abend fiel mir an meinem glühenden Gesicht auf, dass ich ganze fünf Stunden in der Kälte verbracht und nebenbei Punsch und Glühwein getrunken hatte. Zum Ausgleich gingen wir deshalb nach drinnen zwei Joints rauchen, dann wieder nach draußen zwei Gin Tonics trinken und schließlich packte mich das Bedürfnis, mir alleine die gesamte Back to the Future-Trilogie anzusehen. Das Foto entstand kurz nachdem meine Mitbewohnerin ziemlich gut betrunken nachhause kam und ihr auch ziemlich gut betrunkener Freund mir von einem Wrestling-Fan zum anderen einen Elbow Drop verpassen wollte. Ich lehnte dankend ab.

Markus auf Twitter: @wurstzombie