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Was geht eigentlich mit Roland Düringer?

Roland Düringer hat eine Partei gegründet und weiß offenbar selbst nicht so genau, worum es bei seiner "paradoxen Intervention" gehen soll.

Screenshot via Facebook

Es ist endlich passiert. Das, was wir alle schon befürchtet haben, seit er die ersten Holzkugeln in seinen Bart geschraubt hat, wurde am Mittwochabend amtlich: Roland Düringer hat eine Partei gegründet. "Meine Stimme gilt" soll sie heißen, die Kurzbezeichnung auf der Liste ist "Gilt". Mit ihr will er bei der Nationalratswahl 2018 antreten und all jenen eine Stimme geben, die sich mit keiner der anderen Parteien identifizieren können; soweit also dasselbe, das jede neue Partei will.

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In einem Video, das Roland Düringer auf Facebook geteilt hat, verkündet er die frohe Botschaft und erklärt das Ganze so: "Ich bin der Taxler, die Partei ist das Taxi." Was genau er damit meint, wissen wir auch nicht. Vor allem wirft die Metapher mehr Fragen auf, als sie beantwortet: Wer ist der Fahrgast? Wie viel zahlt man und wofür genau? Wohin fährt das Taxi? Und riecht es darin nach Kotze oder nach Duftbaum mit der Geschmacksrichtung Vanille? Vielleicht hätte er sich das Sinnbild zweimal überlegen sollen.

Wofür Roland Düringers Partei genau steht, lässt sich bisher jedenfalls nur erahnen. Es gibt nämlich noch kein Parteiprogramm und keine offizielle Agenda. Die Gratiszeitung Heute hat in einer eigenen Online-Umfrage trotzdem schon mal herausgefunden, dass 40 Prozent ihrer Leser Düringer wählen würden. Dass das weder repräsentativ noch seriös ist, sagt Heute zwar selber—und man könnte noch anmerken, dass eine Ja/Nein-Frage zu einem einzelnen Kandidaten ohne Alternative generell nicht viel über echtes Wahlverhalten aussagt—, aber ein bisschen beängstigend wirkt es doch. Auch, weil Düringer als österreichisches Urgestein immer noch zieht; egal, was er sagt. Und das, obwohl er ziemlich viel ziemlich Verrücktes sagt.

Bald gibt es Warnschilder, 'Nicht länger als 1 Woche im Wald leben, Parteigründungsgefahr!' — Mari (@fearhundert)26. August 2016

Bekannt wurde Roland Düringer als Kabarettist und Schauspieler. Er hat uns Muttertag und Hinterholz 8 geschenkt und unsere einsamen Silvesterabende vor dem Fernseher mit seiner Rolle als Ingenieur Engelbert Breitfuß in MA 2412 ein bisschen besser gemacht. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem er sein bisheriges Leben als unpolitischer Entertainer aufgegeben und ein neues als Wutbürger begonnen hat. 2011 hielt Düringer in Alfred Dorfers Donnerstalk auf ORF die wahrscheinlich erste österreichische Wutbürgerrede, in der er Sätze wie "Wir sind die Systemtrotteln, die es schön langsam satt haben, im Hamsterrad zu laufen" oder "Keiner unserer Politiker hat den Mut und die Eier, die Wahrheit zu sagen" raushaut—damals noch unter Applaus der linksliberalen Zuschauerschaft.

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2013 startete Düringer dann sein Leben als Aussteiger, das er bis heute durchzieht. Er lebt in einem Wohnwagen, ohne Handy, Internet und Fernsehen und ist nicht ans Kanalsystem angeschlossen. Seinen Followern berichtet er regelmäßig per Videobotschaft von seinem Aussteiger-Lifestyle, den er stilecht mit geflochtenem Bart und Camouflage-Kappe zelebriert. In seinen Videobotschaften diskutiert er unter anderem Themen wie Impfungen und Homöopathie. Er bezeichnet Impfskeptiker als "vernünftig" und unterstellt der Pharmaindustrie, Geld an den einkalkulierten Nebenwirkungen bestimmter Impfstoffe verdienen zu wollen (während er gleichzeitig sagt, dass er genau das nicht unterstellen will).

Seine neugegründete Partei bezeichnet Roland Düringer als Kunstprojekt—genauer gesagt eine "paradoxe Intervention". In der Zwischenzeit stellen sich auf Twitter schon einige Menschen die Frage, ob die Gilt-Liste wohl der Nachfolger des Team Stronach wird und Norbert Hofer findet zum Beispiel, dass Düringers "Kandidatur die Neos in Bedrängnis bringen" könnte.

In einem Video vom vergangenen Sonntag, in dem er seine Partei bereits angekündigt hat, sagt Roland Düringer: "Ich habe dank dessen, was ich bin, durch die Popularität, auch wenn man mich hasst, man kennt mich, die Möglichkeit, dieses Ding an den Start zu bringen. Verstehts ihr mich?" Und genau hier liegt ein bisschen das Problem.

Roland Düringer ist quasi eine österreichische Institution—aufgrund dessen, was er früher gemacht hat. Seit der Verkündung seines Vorhabens berichten alle österreichischen Medien über die anstehende neue Partei. Aber so gut wie niemand spricht aktuell darüber, was Roland Düringer in den letzten Jahren sonst alles von sich gegeben hat. Und noch weniger stellen die Frage, die sogar Düringer selbst stellt: Versteht man ihn? Oder anders: Was meint und was will er eigentlich?

Broadly: Von Chemtrails zu Morddrohungen: eine Verschwörungstheorie-Aussteigerin erzählt

Düringer spricht sich nicht nur gerne skeptisch gegenüber Impfbefürwortern aus, sondern redet gelegentlich auch wirres Zeug über Pegida, die er nicht rechts findet, und Ken Jebsen, den bekannten Verschwörungstheoretiker und Redner auf den berüchtigten Montagsmahnwachen in Deutschland: "Wenn Sie eine gute Analyse über die Pegida-Bewegung hören wollen, empfehle ich Ihnen, ins Netz zu gehen auf KenFM, das ist der Ken Jebsen, ein Journalist. Und was er da sagt, finde ich eigentlich recht in Ordnung." Was Düringer sonst so sagt, ist genauso blumig wie sein Taxi-Partei-Vergleich—und leider auch genauso wirr und schwer verständlich.

Und obwohl man nun schon seit Jahren um Düringers neues Leben als Verschwörungstheoretiker—oder "Systemkritiker", wie er auch gerne genannt wird—weiß, rückt genau diese Weltsicht des Neopolitikers jetzt, wo es um seine neue Partei geht, in den Hintergrund. Natürlich ist es nicht falsch, wenn Medien "Kabarettist Düringer gründet Partei" titeln. Es ist aber auch befremdlich, wenn die Ideologie von Politikern komplett ausgeblendet wird. Treffender wäre wahrscheinlich: "Ex-Kabarettist und Verschwörungstheoretiker Düringer gründet Partei, von der niemand weiß, was sie will—nicht mal er selbst". Aber was wissen wir schon. Wir sind nur Systempresse und Düringer nur der kleine Mann, der von "abhängigen Medien entweder mit geistigem Müll oder oder mit Falschinformation zugeschissen" wird.

Verena auf Twitter: @verenabgnr