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Drogen

Ich bin Zollbeamter und nehme gerne Drogen – Das ist ziemlich anstrengend

Bei der Arbeit konfiszierte ich Drogen, in meiner Freizeit konsumierte ich sie. Wie man sich vorstellen kann, machte mich das ziemlich depressiv.
Foto: Theresa Locker

Ich bin in einem kleinen Ort in Neuseeland aufgewachsen. Nichts Ungewöhnliches. Ich war gerne skaten. Ich habe gerne gezeichnet und gemalt. Drogen sind während meiner Teenagerzeit eigentlich nie ein Thema gewesen. Ich habe noch nicht mal gekifft. Ich war ein total normaler, braver Junge.

Als ich 17 war, habe ich mich auf ein paar Jobs beworben. Die erste Zusage bekam ich für eine Stelle hinterm Kassenschalter bei der Bank of New Zealand. An meinem ersten Tag dort bekam ich auf dem Weg zur Arbeit einen Anruf vom neuseeländischen Zolldienst. Sie boten mir eine Stelle an, die besser klang als meine Arbeit bei der Bank, also sagte ich noch am Telefon zu, betrat die Bank und kündigte. Ja, ich würde jetzt ein verdammter Zollbeamter werden!

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Mit 18 bin ich nach Auckland gezogen, um dort an vorderster Front im Briefzentrum zu arbeiten. Unsere Hauptaufgabe bestand darin, Drogen zu finden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer noch keinerlei Erfahrungen mit Drogen gemacht und stand dem ganzen Prozess auch dementsprechend distanziert gegenüber. Im Grunde lässt sich die Scheiße, die man dort macht, als Racial Profiling beschreiben. Wenn das Paket an einen asiatischen Namen adressiert war, öffneten wir es auf der Suche nach Amphetaminen oder Substanzen zur Herstellung von Amphetaminen. Wenn die Sendung in dichtbesiedelte Gebiete in Europa ging, schauten wir nach Ecstasy oder MDMA. Es fühlte sich schon etwas komisch an, persönliche Postsendungen allein auf Grundlage dieser simplen Auswahlkriterien zu öffnen. Aber ich war noch jung und es war mein Job, also habe ich es getan.

Natürlich entdeckten wir in dem Briefzentrum auch eine Menge Pornos. Das waren größtenteils nur beschissene Porno-Tapes mit hässlichen Menschen. Zwischendurch gab es allerdings auch ein paar abartigere Sachen. Einmal markierte ich eine Sendung als verdächtig. Wir versammelten uns alle um den Bildschirm und sahen, wie ein dicklicher Mann ein Mädchen von hinten nahm, als plötzlich aus dem Nichts ein Messer auftauchte und ihr die Kehle aufschlitzte. Sie kollabierte und der Bildschirm wurde schwarz. Bis heute habe ich die Bilder nicht aus meinem Kopf verdrängen können.

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Mobiler Cargo-Scanner des neuseeländischen Zolls im Hafen von Auckland | Foto: Public Domain

Ich bin dann vom Briefzentrum zu zielgerichteten Inspektionen bei Frachtfirmen wie DHL und Fedex aufgestiegen. Damals wusste ich es noch nicht, aber eigentlich war das die beste Stelle, die man haben konnte. Man hat nicht wirklich etwas mit Menschen zu tun und die Arbeit ist generell sehr unpersönlich. Dabei werden dann auch die wirklich großen Entdeckungen gemacht. Man durchforstet die großen Schiffscontainer nach so ziemlich allem und findet dann schon mal 100 Kilogramm Meth auf einen Schlag. Das hier waren ganz andere Dimensionen als bei der Arbeit im Briefzentrum, wo man hier und da mal ein paar Gramm versteckt zwischen ein paar Blättern gefunden hat.

Zu dieser Zeit lernte ich auch Sarah bei einer Party kennen. Sie hatte Feuer, sie war umwerfend hübsch und sie war eine Drogendealerin. Die ersten paar Monate unserer Beziehung habe ich noch keine Drogen genommen, aber irgendwann fing ich dann an. Zuerst war es billiges Speed, ein, zwei Lines hier und da, und dann kam MDMA.

Auf der Arbeit hatten sie uns richtig eingetrichtert, dass der Konsum von Drogen Leben zerstört. Indem ich Drogen sicherstellte und sie so davon abhielt, ins Land zu kommen, tat ich der Gesellschaft etwas Gutes.

Als ich dann noch weiter aufstieg, musste ich Razzien in Privathäusern durchführen. Es lässt sich kaum beschreiben, was das für ein Gefühl ist, bei einer Drogenrazzia mitzumachen. In gewisser Weise ist es genau wie in den Filmen. Man tritt eine Tür ein und verfolgt den Flüchtigen dann die Straße runter, während im Haus kleine Kinder weinen und durchdrehen. Es hatte bis hierhin gedauert, dass ich endlich eine Verbindung zwischen meiner Arbeit und der Tatsache ziehen konnte, dass ich einen Einfluss auf das Leben anderer Menschen hatte. Ich trennte echte Familien. Ich zerstörte das Leben echter Menschen.

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Tagsüber brach ich in die Häuser anderer Menschen ein und beschlagnahmte Drogen. Nachts konsumierte ich die Drogen, die uns durch die Finger geglitten waren.

Ich tauchte mittlerweile auf der Arbeit auf, während ich noch von den Exzessen der letzten Nacht runterkam. Ich fing allmählich an, meinen Job zu hassen. Ich suchte den Rausch, um mich von meiner beruflichen Existenz loszulösen. Tagsüber brach ich in die Häuser anderer Menschen ein und beschlagnahmte Drogen. Nachts konsumierte ich die Drogen, die uns durch die Finger geglitten waren.

Eines Nachts hatte Sarah einen Freund aus Übersee zu Besuch, der nichts von meinem Job wusste. Er flog am nächsten Tag wieder ab und schlug vor, dass wir ihm davor doch dabei helfen könnten, sein MDMA zu vernichten. Wie sich herausstellte, war das Zeug überhaupt kein MDMD sondern 2CP. Nach ein paar Lines zog ich mir meine Arbeitsuniform an—unglaublich high! Außer mir fand das aber niemand so wirklich witzig.

Dieses Doppelleben forderte langsam allerdings seinen Tribut. Bei der Arbeit konfiszierte ich Drogen und in meiner Freizeit machte ich pausenlos Party. Ich blieb die ganze Nacht auf Ecstasy wach und tauchte dann, ohne geschlafen zu haben, bei der Arbeit auf und verhinderte, dass Drogen ins Land kamen. Ich bekam eine ernsthafte Depression. Ich war ein totales Wrack, ausgezehrt und am Rande des Abgrunds. Ich wäre wahrscheinlich der Erste gewesen, der vom Zoll am Flughafen für eine Kontrolle herausgefischt worden wäre.

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Ich kündigte meinen Job und mein Leben wurde schlagartig besser. Ich beendete außerdem meine Beziehung zu Sarah und nahm viel weniger Drogen. Bei Gelegenheit greife ich aber schon noch mal zu und es macht mir immer noch Spaß. Ich werde wohl nie herausfinden, ob es die Drogen oder die Arbeit waren, was mich so zugerichtet hat, aber bei einer Sache bin ich mir sicher: Beides zusammen hätte mich fast in den Wahnsinn getrieben.

Was mich an der ganzen Geschichte allerdings am meisten frustrierte, war, dass ich das Gefühl hatte, überhaupt keine Veränderung zu bewirken. Da mir beinahe tagtäglich von meinen Vorgesetzten die schlimmsten Fälle von Meth-Abhängigkeit unter die Nase gehalten worden waren, hatte ich gerade am Anfang noch das Gefühl, mit jeder größeren Ladung, die wir beschlagnahmt hatten, eine große Veränderung bewirkt zu haben. Jetzt werden Menschen aber verhaftet und eingesperrt, weil sie versuchen, Grundstoffe für die Herstellung von Drogen einzuführen … Nun, es fühlte sich einfach an, als wäre es der falsche Ansatz gewesen. Es fühlte sich alles sinnlos an.

Es wird so viel Geld für den Zoll ausgegeben. Man hat das Gefühl, es würde versucht werden, ein Hochsicherheitsgatter für ein Pferd zu bauen, das schon längst in der nächsten Koppel rumspringt. So, wie es momentan läuft, hat man das Gefühl, dass alles sinnlos ist und zu oft die falschen Menschen festgenommen werden. Es wäre wesentlich sinnvoller, das ganze Geld in Reha-Programme und Aufklärung zu stecken.