Prostitution im Park: Der Bois de Boulogne

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Prostitution im Park: Der Bois de Boulogne

Ein Besuch in den provisorischen Gebäuden von Frankreichs größtem Freiluft-Bordell.

Alle Fotos von Élodie Chrisment

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Prostituierten in dem Pariser Park Bois de Boulogne extrem gestiegen. Wie die Polizei von Paris berichtet, wird aktuell von etwa 180 Frauen und Transsexuellen mit und ohne Zuhälter ausgegangen.

Seit drei Jahren arbeite ich nun an meiner Fotoreihe Lieux de plaisir („Orte der Freude"). Was die Prostitution angeht, so ist der Bois de Boulogne ein historischer Ort, und alle Menschen in Paris wissen, was sich dort abspielt. Doch die Menschen, die dort zwischen den Bäumen stehen, werden oft vom Rest der Gesellschaft verachtet. Ich habe mich direkt im Bois de Boulogne mit Einigen von ihnen unterhalten. Von den etwa 30 Prostituierten, mit denen ich gesprochen habe, konnte ich mit vier auch außerhalb des „Strichs" Kontakt aufbauen.

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Unter denen, mit denen ich gesprochen habe, waren viele Transsexuelle. Oft kommen sie aus Lateinamerika, wo sie ein schwieriges Verhältnis mit ihrer Sexualität und mit ihrer Familie hatten. In Frankreich müssen sie kämpfen, um zu überleben und vielleicht einmal ein normales Leben führen zu können. Viele der Frauen dort sind auch Mütter, die darum kämpfen, ihre Kinder versorgen zu können und die in schwierigen Beziehungen leben. Natürlich ist der Anteil der Frauen, die kaum die Landessprache sprechen, hoch.

Jeden Morgen kommen die Frauen entweder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder ihrem eigenen Auto oder Laster im Bois an. Manche von ihnen stellen ein Zelt im Park auf, Andere richten eine Fläche hinten in ihrem Fahrzeug ein, wo sie die Fenster abdecken und Räucherstäbchen entzünden. Dann bereiten sie sich vor, schminken sich, ziehen sich um oder aus. Diese Vorbereitungen geben ihnen ein wenig Zeit zu versuchen, ihr „normales Leben" zu vergessen. Dass sie frühstücken, kommt hingegen sehr selten vor: Diese Tätigkeit raubt ihnen den Appetit. So begehen sie den Tag oft mit leerem Magen, dafür aber umso häufiger mit einem alkoholischen Getränk in der Hand.

Ich bin auch einer gewissen Anzahl von Freiern begegnet. Dabei lässt sich kein wirkliches Profil ausmachen: Das sind Männer jeder Altersgruppe, jeder Herkunft—von jungen Männern aus den Banlieues bis hin zu Familienvätern, die im öffentlichen Dienst arbeiten und zwischen zwei Meetings im Park vorbeischauen, um zu „entspannen", den Kindersitz noch auf der Rückbank. Für die meisten stellen die Prostituierten menschliche Druckventile dar.

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Ich war überrascht, wie hierarchisch der Bois de Boulogne ist. Der Park ist der Ort, an dem die Folgen der Wirtschaftskrise und der Politik am deutlichsten werden. Es gibt unter diesen Frauen keine Solidarität mehr, oder sie ist zumindest nicht mehr so, wie sie einmal war. Auf der individuellen, menschlichen Ebene bin ich immer wieder von ihrem Mut beeindruckt. Sie überleben in einem Land, dessen Kultur und Sprache ihnen zum Großteil unbekannt ist, und halten sich täglich in einem derart feindseligen Milieu auf. Jede dieser Frauen hat die Hoffnung auf ein normales Leben, und jede von ihnen hat eine mehr als deutliche Sicht auf die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse.

Élodie Chrisment ist Fotografin und Mitglied des Studios Hans Lucas. Mehr gibt es auf ihrer Website.