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Popkultur

Wir haben uns von 14-Jährigen Snapchat erklären lassen

„Zuerst regen sich Erwachsene über uns auf und kurze Zeit später verwenden sie dann doch die gleichen Apps."

Zu Beginn gleich eines vorweg—man muss den Sinn von Snapchat nicht verstehen, um Spaß damit zu haben. Seit dem Hype der vergangenen Monate ist Snapchat den meisten zumindest namentlich bekannt. Im Grunde handelt es sich um einen Nachrichtendienst, der es ermöglicht, Bilder und Videos zu verschicken.

Der große Unterschied zu WhatsApp und anderen: Die Bilder zerstören sich nach kurzer Zeit selbst und sind anschließend nicht mehr abrufbar. Seit Ende des Vorjahres ist die Popularität der App rasant angestiegen, besonders bei Jugendlichen ist sie extrem beliebt. Genau deshalb habe ich mir Snapchat von einer Gruppe 14-Jähriger erklären lassen.

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Ich sitze mit Fabian, Falk, Jakob und Lukas in ihrem Schulhof und lasse mich belehren: „Wir benutzen Snapchat mehrmals täglich, sicher genauso viel wie WhatsApp oder Instagram." Facebook ist schon lange out; da kann man nicht so gut mit Freunden interagieren. Wie viele Snaps sie täglich verschicken, wissen sie nicht genau. Das geht alles nebenbei, aber ein paar Dutzend werden es schon sein. Meistens schicken sie Bilder und Videos. Für alles andere gibt's WhatsApp. „Die meisten Snaps verschicken wir privat. Die haben eigentlich keinen Sinn und sind reiner Zeitvertreib. Wenn wir wirklich was Lustiges erleben, kommt's in die Story. Dann sollte das aber auch wirklich jeden interessieren."

Erster Aha-Effekt. Ich selbst hatte Snapchat das erste Mal schon vor einigen Jahren installiert. Damals war auf dort ungefähr so viel los, wie bei der Poegida-Kundgebung am vergangenen Samstag und die App wurde hauptsächlich für Sexting benutzt. Da mir aber sowieso nie irgendwer Nacktbilder geschickt hat, war Snapchat schnell wieder von meinem Handy verschwunden. Erst, seit es in den vergangenen Monaten zu einem erneuten Hype gekommen ist, verwende ich die App wieder häufiger. Mittlerweile fast täglich. Meistens poste ich aber lediglich Bilder von Bier und Leberkäsesemmeln. Ich fange an, über meinen Content zu zweifeln.

Ich lerne weiter: Die Bilder müssen unbedingt bearbeitet werden. Sonst könnte man ja auch andere Apps nutzen. Snapchat bietet hierfür viele bunte Zeichenstifte, lustige Emojis und verschiedene Textelemente, damit es für die Follower nicht fad wird. Außerdem müssen Snaps lustig und informativ sein, vor allem für die Story. „Manche Leute glauben, dass es cool ist, wenn sie minutenlang Dinge aus ihrem Alltag erzählen. Ich kenne niemanden, der sich das wirklich anhört."

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Eines der größten Snapchat-Mysterien war für mich der sogenannte Snapchat-Score. Diese Punktezahl steht unmittelbar unter dem eigenen Snapcode. „Wir schauen eigentlich nicht, wer wie viele Punkte hat. Aber irgendwie ist es natürlich schon cool, einen hohen Score zu haben." Das kennt wohl jeder. In jedem schlummert zumindest ein bisschen sozialmedialer Kampfgeist. Umso mehr nagt es an mir, als Lukas erzählt, dass er über 18.000 Punkte hat. Ich habe mickrige 750.

„Für jeden verschickten und empfangenen Snap gibt es einen Punkt. Auch, wenn man ein Bild in die Story stellt." Langsam kann ich mit der Anzahl an Aha-Effekten gar nicht mehr umgehen. Manchmal gibt's also mehr, manchmal weniger Punkte. So genau weiß das eigentlich niemand. Nicht einmal das allwissende Internet kennt die vollständige Antwort. Auf jeden Fall ist es gar nicht so einfach, an Punkte zu kommen.

Zusätzlich zu den Punkten gibt es auch Trophäen. Und auch die sind eigentlich total unwichtig und wirkungslos, aber gleichzeitig sehr beliebt. Trophäen gibt es für unterschiedliche Leistungen, die man auf Snapchat erbringt. „Ich habe zum Beispiel eine Trophäe für 1000 verschickte Selfies", erklärt Lukas. „Aber eigentlich ist das alles nichts Besonderes."

Ich würde meine Mutter schon auf Snapchat annehmen. Und danach ganz schnell wieder blockieren.

Während ich mir ausmale, wie lange ich für tausend Selfies bräuchte, zählen die Jungs schon die nächsten Trophäen auf. So gibt es beispielsweise Trophäen für das Erreichen bestimmter Punkte-Hürden, das Verwenden spezieller Filter und für vieles mehr. Dass Snapchat jetzt auch bei älteren Generationen immer beliebter wird, finden meine jungen Nachhilfelehrer schon „irgendwie komisch"—vor allem, wenn ältere Menschen dann anfangen, Selfies zu machen.

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Was, wenn auch die Mama plötzlich Snapchat hätte? Fabian hat sofort eine Antwort parat: „Ich würde sie annehmen und danach ganz schnell wieder blockieren." Auch Falk findet das Verhalten der Älteren merkwürdig: „Zuerst regen sie sich über uns auf und kurze Zeit später verwenden sie dann doch die gleichen Apps." Ich fühle mich zum Glück nur bedingt angesprochen. Ich hatte die App ja schon vor ein paar Jahren.

— Armin Wolf (@ArminWolf)April 13, 2016

Was die Faszination von Snapchat ausmacht, kann auch ich immer noch nicht genau sagen. Eine mögliche Begründung: weil es hier weder Relevanz-Algorithmen gibt, die den Feed sortieren, noch lästige Fanpages, die die Timeline verschmutzen.

Mittlerweile wurde zwar eine Discover-Funktion eingeführt, in der auch Marken ihre Präsenz zeigen können (unter anderem VICE), aber das ist für Jugendliche nicht die primäre Funktion der App. Auch Berühmtheiten folgen sie hier—im Gegensatz zu Instagram—eher selten. Snapchat ist ein Tool, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben.

Irgendwie wie WhatsApp, ein bisschen auch wie Instagram, aber eigentlich trotzdem ganz anders. So wie Jugendliche eben auch sein wollen. Wie gesagt, man muss Snapchat nicht unbedingt verstehen—aber wenn man an die eigene Jugend zurückdenkt, versteht man es vielleicht doch. Wir wollten auch immer ein bisschen anders sein.

Bence auf Snapchat:

Bence auf Twitter: @BenceJuennemann