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10 Fragen

10 Fragen an einen PETA-Aktivisten, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Verstößt du gegen das Gesetz, um Tiere zu retten? Wann hast du das letzte Mal besoffen in einen Döner gebissen? Würdest du Sex mit jemandem haben, der Fleisch isst?
Alle Fotos: Hakki Topcu

Hendrik Thiele will nicht, dass Kühe das Wahlrecht bekommen. "Aber zumindest das Recht auf körperliche Unversehrtheit", sagt er, "das sollten sie besitzen." Hendrik wohnt in Kreuzberg, in einer Altbauwohnung deren abgewetztes Parkett er gerade mit veganer Seife geschrubbt hat. "Die kaufe ich nie wieder", sagt er. "Die riecht irgendwie nach Fisch." Sein Mitbewohner ist ein alter Boxer mit platter Schnauze, der viel sabbert.

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Hendrik ist 38 und arbeitet seit neun Jahren bei PETA. Das ist die NGO, für die nackte Supermodels mit gehäuteten Fuchskadavern posiert haben und die die industrielle Fleischproduktion mit dem Holocaust verglichen hat. PETA wird auch in Deutschland immer dafür kritisiert, Menschen und Tiere gleichzusetzen. Anthropomorphisierung heißt das. Auch von anderen Tierfreunden, weil PETA die Meinung vertrete, Tiere sollten eingeschläfert und auch in großen Mengen euthanisiert werden, kann man die richtigen Lebensbedingungen für sie nicht herstellen. Tierschützer, sagt er und man hört an seinem Akzent deutlich, dass er aus Norddeutschland kommt, das sei doch fast jeder. "Ich bin Tierrechtler. Der Unterschied ist wichtig."

Wir haben Fragen.

VICE: Wann hast du das letzte Mal besoffen in einen Döner gebissen?
Hendrik Thiele: Vor zwei Wochen habe ich mir das letzte Mal semibesoffen 'nen Döner reingezogen. Aber auch der war vegan. Ändert nichts daran, dass auch vegane Döner Suffessen sind. Trashfood bleibt Trashfood. Und das gibt es in Berlin auch vegan: vegane Döner, Currywurst, Burger, Donuts, vegane Pizza. Ich habe immer noch Gewichtsprobleme, obwohl ich seit 21 Jahren Veganer bin. Aber Gier auf Fleisch habe ich gar nicht mehr. Irgendwann verschwindet das.

Verabscheust du Menschen, die Fleisch essen?
Überhaupt nicht. Es gibt nicht die Guten und die Bösen. Wir sind hier nicht bei Star Wars. Gute Leute machen schlechte Sachen. Wenn jemand nachts im Vollsuff zu KFC geht, dann macht er das nicht aus Tierhass. Das ist eine Impulshandlung. Viele meiner Freunde sagen mir: "Ich verstehe deine Gründe, die sind auch cool und eigentlich richtig, aber ich bin halt inkonsequent." Das ist legitim. Ich will nicht jeden, den ich mit einer Bockwurst sehe, missionieren. Der Typ, der Leute zutextet mit seiner Agenda, der wird niemanden überzeugen.

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Würdest du Sex mit jemandem haben, der Fleisch isst?
So weit würde es gar nicht kommen. Wenn mein Date im Restaurant ein Steak bestellen würde, würde ich schnell meinen Veggie-Burger wegkauen und sie dann auf der Zeche sitzen lassen.


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Haben wir nicht gerade dringendere Probleme als den Schutz von Tieren?
Ich würde da gar keine Problemhierarchie erschaffen. Ich sage ja auch nicht: Populismus ist gerade wichtig, fahrt also mal eurer Feminismus-Ding runter. Und ich glaube, dass wir jeden Tag locker genug Zeit haben, um uns für diverse Themen einzusetzen. Ich bekomme das problemlos zusammen, mich gegen Rassismus einzusetzen, gegen Sexismus, etwas für Tiere zu tun und abends auch noch dem Typen, der wegen der AfD auf der Straße rumgeschrien hat, den Mittelfinger zu zeigen.

Verstößt du gegen das Gesetz, um Tiere zu retten?
Ich habe dafür auf jeden Fall schon Ordnungswidrigkeiten begangen. Bisher wurden die aber nie zur Anzeige gebracht. Wir konnten immer beweisen, dass vor Ort so viel Tierquälerei abging, dass es gerechtfertigt war, irgendwo einzusteigen. Das ist aber eine Weile her, inzwischen bekommen wir unser Material zugespielt. Einmal sind wir nachts in einen Hühnerstall rein. Das war ein Zuliefererstall, ein Ding mit drei Stockwerken und 90.000 Hühnern. Das ist Standard in der Fleischindustrie. Wir wollten zeigen, dass auch dieser Standard unsagbar scheiße ist. In dem Stall waren es 35 Grad, wir konnten kaum atmen, weil es so stickig war. Es war irre laut, überall Staub und viele tote Tiere, die zwischen den anderen lagen. Wir haben da gefilmt und 10 von den Hühnern mitgenommen.

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Die haben wir auf einen Lebenshof gebracht. Das wäre natürlich das Ende des idealistischen Veganer-Narrativs: Und dort leben sie glücklich bis an ihr Lebensende. Aber das tun eben nur noch zwei von denen. Die sind nämlich genetisch gar nicht darauf ausgelegt, alt zu werden. Du kannst den Tieren nicht mal das Leben retten, ihre Genetik bringt sie um. Sie wachsen vor allem an der Brust, fallen vornüber, sterben an Herzschlag.

"Das hat mich noch extrem lange beschäftigt, dass wir die Hühner noch nicht einmal wirklich retten konnten, als sie aus dem Stall raus waren."

Ernährst du deinen Hund vegan?
Mein Hund ist ein alter 40-Kilo-Boxer, der völlig vegan ernährt wird. Ich habe ihn aus dem Tierheim, er hatte krasse Stoffwechselprobleme und ich habe ihn innerhalb von ein paar Wochen umgestellt. Jetzt geht es ihm deutlich besser. Er bekommt ein veganes Trockenfutter, das mehr Proteine hat als das mit Fleisch. Außerdem koche ich für ihn mit. Am liebsten isst er Brokkoli.

Grundsätzlich sollten wir aber gar keine Haustiere halten. Das ist doch absurd. Wir züchten Tiere, die wir als Freunde halten, die aber darauf angewiesen sind, andere Tiere zu essen, die wir dafür wieder züchten. Aber solange Tiere in Tierheimen auf ein Zuhause warten, ist denen natürlich geholfen, wenn man die aufnimmt.

Berührt dich Tierleid mehr als menschliches Leid?
Das ist ein Standardvorwurf und völliger Quatsch. Damit einem Tiere leid tun, muss man Empathie haben und wenn man Empathie hat, dann tun einem auch Menschen leid. Sonst höre ich noch oft: "Aber wenn du mit dem Flugzeug in Alaska abstürzen würdest …" Und ja, Mann, dann würde ich wahrscheinlich Fisch essen. Diese Fragen dienen nur dem Versuch, irgendein Loophole in der Moral des Veganers zu finden oder ihm Menschenfeindlichkeit zu unterstellen.

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Ist Veganismus ein Privileg für die, die es sich leisten können?
Der Veganismus, der es dir erlaubt, im 200 Meter-Radius vegane Donuts zu essen, bei deinem favorite Barista Hanfmilch in den Kaffee zu kippen und dir ein Attila-Hildmann-Kochbuch für 35 Euro zuzulegen – dieser Veganismus ist ein Privileg. Du kannst aber auch für 60 Euro im Monat leben, weil du dumpsterdiven gehst und ansonsten Reis mit Gemüse kochst und das Zeug im Discounter kaufst.

Ich will nicht in Entwicklungsländer fahren und den Leuten da vorschreiben, was sie machen sollen. Ich werde auf keinen Fall jemanden davon abhalten, ein Huhn zu schlachten, um zu überleben. Aber wir müssen uns klarmachen, dass unser Fleischkonsum einer der Gründe ist, weshalb es Menschen weltweit scheiße geht. Wenn wir auf den Ackerflächen, die genutzt werden, um Futtersoja anzubauen, Getreide anbauen würden, gäbe es für alle genug Nahrung.

"Hunde sind Allesfresser. Aber es gibt sogar Katzen, die das vegane Futter dem fleischhaltigen vorziehen."

Findest du den Holocaust-Tierhaltungs-Vergleich nicht geschmacklos?
PETA hat 2003 diese Holocaust-Kampagne gestartet, Holocaust on your plate. Darüber gibt es innerhalb von PETA viele unterschiedliche Meinungen. Ich fand die Kampagne daneben. Trotzdem konnte ich den Großteil der Kritik daran nicht nachvollziehen. Der bezog sich nämlich darauf, dass man Menschen nicht mit Tieren vergleichen dürfe. Das darf man auf jeden Fall. Ich finde aber, dass der Holocaust grundsätzlich mit nichts verglichen werden sollte. Das war ein grauenhaftes, singuläres Ereignis in der Geschichte. Natürlich braucht PETA Schockbilder, um zu zeigen, wie krass die Realität ist. Aber ich habe es immer geschafft, mit meinen Kampagnen eindrucksvoll auf unsere Themen aufmerksam zu machen, ohne den Holocaust-Vergleich zu bemühen.

Sind die Hälfte aller Tierschützer Nazis?
Nee, echt nicht. Aber natürlich ist das ein Thema, dem Rechte sich gerne widmen, weil es ein Selbstläufer ist. Das Unrechtsbewusstsein ist da, man muss nur noch ein bisschen Schwarzpulver ins Feuer kippen. So wie beim Kampf gegen Pädophile, den die NPD sich immer auf die Fahne geschrieben hat. Deswegen gibt es auch einen rechten Teil der Tierschützerszene. Alles wird recycelt, von Subkultur zu Subkultur. Nazis, die mit Heimatstolz-Argumenten vegan werden, Nazihipster, die mit Skimaske vegane YouTube-Kochshows veranstalten. Und die hängen natürlich auch auf den Tierschutz-Demos rum. Da habe ich kein Bock drauf. Ich mache lieber effektive Tierrechtsarbeit. Deswegen ist PETA auch kein Teil dieser Szene.

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