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Schon wieder Wahlen!!!

Ein SPÖ-Mitglied antwortet auf das Stammtisch-Video von Christian Kern

Soma ist seit 11 Jahren SPÖ-Mitglied. In diesem Gastbeitrag erklärt sie, warum das Video nicht bloß ein strategischer Fehltritt war, sondern die Kapitulation einer einst humanistischen Bewegung.
S
von Soma
Foto: Screenshot | Youtube

Die Autorin, die der Redaktion bekannt ist, sieht sich in der SPÖ als "Stimme von vielen" und möchte nicht näher benannt werden. Weitere High- und Lowlights des österreichischen Wahlkampfs findet ihr in unserem VICE-Tagebuch zur Wahl.


SPÖ-Mitglieder sind ja laut Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer die einzigen, die sich über die SPÖ ein Urteil erlauben dürfen. Voilà:

Soll ich euch mal von echten besorgten BürgerInnen erzählen? Das sind Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe keinen Job und aufgrund ihres Namens keine Wohnung bekommen; die wegen eines Kopftuchs angegriffen werden; die sich von einem prekären Arbeitsverhältnis zum nächsten hanteln müssen; die 50 Jahre lang dieses Land mit aufgebaut haben und jetzt als "Dank" von der Mindestpension leben müssen.

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Ich weiß, all das ist natürlich nichts gegen einen Mann, der mir nicht die Hand schüttelt. Denn DAS, das ist natürlich ein Skandal. Das gehört an den Stammtisch. Da muss man sich aufregen. Weil Unterbezahlung, unleistbare Wohnungen und gewalttätige Angriffe naturgemäß wurscht sind und ohnehin nur "die anderen" treffen.

"Gebt diesen reaktionären Scheißdreck weg, entschuldigt euch und schämt euch in Grund und Boden, dass sowas überhaupt durchgegangen ist!"

Natürlich engagieren sich genau diese wirklich besorgten BürgerInnen gerade deshalb auch tatsächlich in der SPÖ. Sie sind es, die auf der Straße stehen und die rechte und linke Wange für den Kanzler herhalten und für ihn wahlkämpfen. Und dann, BUMM, kommt so ein Video und wirkt wie ein Schlag in die Magengrube.

Ein Video mit einem Kanzler, der sich klar gegen uns, gegen unser Engagement, gegen all das, was wir, unsere Familien und FreundInnen für diese Gesellschaft an Leistung erbringen und erbracht haben, richtet. Ein Kanzler, der einen rassistischen Diskurs verteidigt und stolz darauf zu sein scheint, eine rassistische Politik mitzutragen.

Ein Video, das mir eine schlaflose Nacht bereitet, das FreundInnen von mir zum Weinen gebracht hat. Denn ACHTUNG NEWSFLASH an alle VerharmloserInnen: Dieses Video betrifft und trifft tatsächlich Menschen, die ihr Leben lang von allen möglichen rassistischen Aussagen umgeben waren und sich jeden Tag von der besten Seite zeigen mussten, um allen immer wieder in vorauseilendem Gehorsam zu beweisen, dass sie eigentlich eh zu den Guten gehören – und die sich letztendlich genau deshalb in einer politischen Partei engagierten.

Die Politologin Petra Bernhardt hat das Video auf Twitter ebenfalls kritisch analysiert.

Und liebe SPÖ, ich verrate euch was: Ich bin nicht euer Stimmviech, ich bin nicht eure Quoten-Migrantin, ich bin nicht eure gute Ausländerin, ich bin nicht die Vorzeige-Muslimin, ich bin nicht die Ausnahme.

Ich bin eine Wählerin und ein langjähriges Mitglied und als solches hole ich mir jetzt erst recht, was mir zusteht: Respekt für meinen Einsatz für euch. Gebt diesen reaktionären Scheißdreck weg, entschuldigt euch und schämt euch in Grund und Boden, dass sowas überhaupt durchgegangen ist!

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