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Reichsbürger

Wir haben mit dem "Reichsbürger" gesprochen, der eine eigene Krankenkasse gegründet hat

"Es fließen schon Gelder von Mitgliedern auf verdeckte Konten."
Fotos: imago | Blickwinkel | Eckhard Stengel | Christian Ohde | Collage: VICE

Wer wie die sogenannten Reichsbürger öfters Schießereien provoziert, braucht eine besonders gute Krankenversicherung. Letzten Oktober erschoss der Reichsbürger Wolfgang P. in Bayern einen SEK-Beamten und im August 2016 eröffnete in Sachsen-Anhalt Adrian Ursache das Feuer auf Polizisten. Auch er bezeichnete sich als Reichsbürger und landete verletzt im Haftkrankenhaus. Aber Krankenkassen sind ja Teil des Systems, das die Reichsbürger ablehnen. Die Lösung liegt nahe: Ein paar Reichsbürger haben sich jetzt eine eigene Krankenkasse gebastelt.

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Die "Deutsche Gesundheitskasse", kurz "DeGeKa" soll laut Satzung ein "Versicherungsverein" sein. Die Webseite der vermeintlichen Versicherung sieht aus, als sei sie von jemandem gemacht, der sonst russische Traktoren programmiert. Dort finden sich ausgedachte Antragsformulare, Verweise auf eine angebliche Versicherungspflicht als Reichsbürger und eine Auflistung aller Leistungen der Fantasie-Versicherung. Schon für 70 Euro im Monat sollen Mitglieder bei Arzt- und Zahnarztbesuchen sowie Aufenthalten im Krankenhaus versichert sein.

Die Zulassung für Versicherungen regelt in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin. Sie prüft gerade, ob bei der "DeGeKa" alles sauber läuft. Ein BaFin-Sprecher erklärte gegenüber VICE: "Eine Versicherungsleistung anzubieten, ohne eine Erlaubnis der BaFin zu haben, das ist in Deutschland nicht zulässig. Dann darf das Unternehmen nicht als Versicherer am Markt aktiv sein."


Auch bei VICE: Das echte 'Akte X'?


Manche Reichsbürger reagieren auf solche Behördenschreiben mit Papierkrieg und anderen Methoden, die wir in diesem Artikel für euch aufgeschrieben haben. Gründer und Mitglied der selbsternannten "Gesundheitskasse" ist nach eigenen Angaben Erhard Lorenz. Er ist ein bundesweit bekannter Reichsbürger, der sich auf die Grenzen des deutschen Kaiserreiches im Jahr 1914 beruft und sich selbst zu dessen Staatssekretär ernannt hat.

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Laut Lorenz ist die Versicherung seit dem 1. Juli aktiv. "Es fließen schon Gelder von Mitgliedern auf verdeckte Konten. Wir arbeiten verdeckt, um Kontopfändungen zu umgehen", sagt er gegenüber VICE. Die Mitglieder der Versicherung würden zu ausgesuchten Ärzten gehen und dort die Behandlung privat vorstrecken. Später erstatte die "Kasse" die bezahlten Beiträge zurück, erklärt Lorenz.

Auffällig ist die Namensgleichheit der "DeGeKa" mit der Debeka, einer tatsächlich existierenden Versicherung in Deutschland. Aus Unternehmenskreisen heißt es, dass man den Fall schon kenne. Vor einigen Wochen habe man ihn der BaFin gemeldet. Derzeit prüfe die Debeka rechtliche Schritte gegen die Möchtegern-Versicherung.

Lorenz bestätigt gegenüber VICE einen Briefwechsel mit der BaFin. Darin habe die Behörde angedroht, die Geschäfte der "DeGeKa" zu untersagen. Lorenz zeigte sich im Gespräch jedoch wenig beeindruckt von den Maßnahmen, die die Aufsichtsbehörde ergreifen könnte: "Die BaFin kann überhaupt nichts machen, weil sie sich ja nur auf die Juristerei der BRD beziehen kann. Und wir stehen ja im Rechtskreis Deutschlands des deutschen Kaiserreiches."

Auch wenn die Versicherung sich auf das deutsche Kaiserreich beruft, akzeptiert die "DeGeKa" ihre Monatsbeiträge nur in der "jeweils gültige[n] Währung in Deutschland", heißt es auf einem Dokument mit der Übersicht der Leistungen. Beim Geld sind die Reichsbürger dann doch auf dem Boden der Realität angekommen.

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