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Auch auf Tinder sieht dein Foto am Holocaust-Mahnmal idiotisch aus

Wir hatten eine kurzzeitige aber ungesunde Tinder-Abhängigkeit und möchten nun ernsthaft darüber sprechen. Und wollt ihr euch tatsächlich so an den Mann bringen?

Bei uns in der Redaktion hat sich eine fürchterliche Tinder-Epidemie ausgebreitet. Die einen verwenden es, um Flappy Birds zu ersetzen, die anderen, um sich an hübschen Menschen aufzugeilen und wieder andere, um sozio-kommunikative Verhaltensstudien zu erstellen.

Für alle, die mit Tinder noch nicht vertraut sind (weil sie eher zur glücklichen, feigen oder smartphonefeindlichen Abteilung gehören): Das ist diese App, mit der man willige, im Umkreis befindliche Gelegenheitspartner aufspürt und die es einem sehr einfach macht, die Profilbilder von fremden Menschen im Stil eines römischen Imperators zu liken oder in die Versenkung zu kicken.

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Wenn die von dir als attraktiv beurteilte Partei dich zufällig auch mit einem grünen Tap als gut befindet, beschert dir das in der Früh am Klo einen ordentlichen Ego-Boost (und die Möglichkeit in Kontakt zu treten).

Nach Grinder und natürlich Instagram wird mit Tinder jetzt auch der Hetero-Fleischmarkt von Liebe oder Sex suchenden Leuten überrannt, die aus unerfindlichen Gründen meinen, dass ihre Selfies am Holocaust-Mahnmal einfach zu cool seien, um der Öffentlichkeit vorenthalten zu werden.

Wer jetzt schimpft und meint, wir würden hier unschuldige Menschen in ihrer Privatspäre bloßstellen, sollte bedenken, dass diese Fotos für JEDEN einzelnen Downloader von Tinder sichtbar sind, eine klare Selbstdarstellungs-Tendenz ausstellen und offensichtlich eine Form von Anziehung in anderen erzeugen sollen. Und ja, die Kombination aus allen diesen Sachen gibt auch uns ziemlich zu denken.

Dabei gibt es natürlich, wie immer, noch viele weitere genauso unnötige Tinder-Trends:

Surfen, Snowboards, Strandbilder und einhergehende artsy Sonnenbrillen-Posen sind sowieso Standard, aber warum sind manche Mädels mit ihrem Freund oder irgendwelche Typen im Arm auf Tinder?! Ist doch völlig klar, dass die gekickt werden—wenn sie das Konzept schon nicht verstehen. Da gefallen uns die mit dem weit verbreiteten Tier-Fetisch schon etwas besser, obwohl kein Typ mit einem Tiger oder Biber-Welpen um Zuneigung oder die Alpha-Rolle kämpfen sollte.

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Mindestens ein Foto im Dirndl ist scheinbar Pflicht bei Mädchen, die beweisen wollen, wie wandelbar sie sind. Das Gefühl von „Madonna auf Tinder" soll verbreitet werden, doch meistens ist der sichere Reflex ein „Nope".

Gut, in Amerika ist gerade Black History Month und im Dezember begann das White Guilt Christmas mit Filmen wie The Butler, 12 Years a Slave und Mandela. Aber was hier passiert, finde ich irgendwie geschmacklos. Auch, wenn sicherlich keine böse Absicht dahintersteckt und es nur harmlose Urlaubseindrücke sind (nach denen man daheim wieder seelenruhig Netkellner missbrauchen kann), ist die Tatsache, dass man eine ethnische Volksgruppe wie H&M-Accessoires um sich drapiert, um vor den sozialmedialen Booty-Call-Centern anziehend und nett dazustehen, ziemlich unsensibel und tolpatschig.

Was will mir eine potentielle Partnerin oder ein potenzieller Partner damit sagen? „Ich mag auch schwarze Kinder, ich muss ein lieber Mensch sein!" Und ein bisschen fühlt es sich auch wie schlechter Witz von Otto Walkes an: „Ja, ich bremse auch für Frauen." An dieser Stelle ein Danke an Eva Zar für die Dude-Bilder. Ich wittere einen Antwort-Tinder-Artikel nur mit Männern.

Es ist faszinierend, was bei manchen Frauen der Selbsteinschätzung nach als sexy durchgeht—und irgendwie traurig, wenn manches davon wirklich ernst gemeint sein sollte. Alle diese Bilder sind von Leuten aus Wien (Umkreis 14 km), also haltet Ausschau nach Pole-tanzenden Meerjungfrauen.

In Wirklichkeit ist es doch so einfach, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Und verzeiht bitte kurz meinen Klugscheißer-Einwurf: Tinder spricht man mit einem "i" aus, nicht wie Grinder mit einem "ei". Tinder bedeutet übersetzt Zunder und soll heiße Liebe entfachen, ist doch logisch!

Weird ist jedenfalls immer um 1000 Male besser als fake-sexy Filterspiel mit Überbelichtung. Oder High-Maintenance-Angeberei auf einer Yacht. Oder totäugiges gradeaus Glupschen im prallen Bikini. Also nur im Falle, dass anstatt Masturbation echtes Interesse erwünscht ist. Deshalb, sattelt euer Quad oder das Einhorn und reitet in unsere Träume.