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Syronics on Speed

"Die Deutschen gehen nach Thailand, um Sex zu haben"

Um ein echter Deutscher zu werden, will unser syrischer Kolumnist deshalb auch nach Asien reisen.
Transsexuelle in Pattaya. Foto: Ohconfucius | Gemeinfrei

Im Frühjahr 2011 begann der Aufstand in Syrien, der sich schnell zu einem brutalen Bürgerkrieg entwickeln sollte. Ungefähr zur selben Zeit fing der Schmied Aboud Saeed an, auf Facebook sein Leben in der Stadt Manbidsch zu dokumentieren. Seine kurzen Einträge, die vor schwarzem Humor nur so strotzen, gefielen irgendwann so vielen Leuten, dass der deutsche Verlag mikrotext schließlich ein Ebook mit dem Namen Der klügste Mensch im Facebook daraus machte, das später sogar als Taschenbuch _erschien. Anfang 2014 beantragte Saeed Asyl in Deutschland, seitdem lebt er in Berlin. Als wir ihn gefragt haben, ob er eine Kolumne für uns schreiben will, dachte er ursprünglich, wir seien der _wir seien der Spiegel. Er hat sich aber auch nach Aufklärung des Missverständnisses bereit erklärt, hier einmal in der Woche für uns zu schreiben—über sein Leben in Berlin und das, was er in Syrien zurückgelassen hat.

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Ich bin kurz davor, den Roman, an dem ich gerade arbeite, abzuschließen. Ins Deutsche übersetzen wird ihn meine Freundin Sandra, und dann reichen wir ihn bei Literaturwettbewerben ein und gewinnen Preise. Von dem Geld fliegen wir dann nach Thailand. Denn immer, wenn mir ein Deutscher begegnet, sagt er früher oder später zu mir: "Ich reise bald nach Thailand." Wieso eigentlich immer Thailand? Vielleicht, um sich an der Einsamkeit rächen?

Manche sagen, es sei die atemberaubende Natur. Andere sagen, das angenehme Klima und das leckere Essen.

Aber mein Freund Thomas hat zu mir gesagt: "Die gehen alle nach Thailand, um Sex zu haben."

Also gehe ich auf Google und suche nach Sex in Thailand. Da entdecke ich, dass die Stadt Pattaya allgemein als Welthauptstadt der Prostitution gilt.

Mehr als 25 Millionen Touristen fliegen jedes Jahr nach Thailand. Mein Freund Thomas sagt: "24 Millionen davon sind Deutsche, und die restliche Million ist auf die anderen Nationalitäten der Welt verteilt."

Auf Google kann man auch sehen, dass es in Thailand viele Leute des Dritten Geschlechts gibt, Menschen von bestechender Schönheit. Ich starre auf ihre sexy Fotos und denke an Thailand.

Ich träume davon, nach Thailand zu reisen. Ich bin auch Deutscher.

Als ich noch klein war und in Syrien auf die Grundschule ging, zogen mich meine Mitschüler immer mit meiner braunen Hautfarbe auf und bezeichneten mich als "Schwarzen", was mich damals verletzte und ärgerte. Wenn ich dann niedergeschlagen von der Schule nach Hause kam, strich mir meine Mutter tröstend über den Kopf und sagte: "Du bist doch nicht schwarz. Du bist blond und schön. Ein Deutscher bist du!" Und dann sang sie: "Du hübscher Brauner, wie schön du doch bist, du strahlender Mond am höchsten Firmament."

Zum Trotz aller, die mich als schwarz bezeichneten, kaufte sie mir ein Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft, das die Nummer 9 trug, weswegen meine Geschwister sagten, ich sei Rudi Völler. Und ich kickte meinen Fußball hoch und weit, völlig vorbei am Tor. Seit jener Zeit erwartet keiner mehr irgendeinen Treffer von mir—nicht einmal einen ernstzunehmenden Angriff.

Meine Mutter hat mir diese Nationalität damals also einfach so ohne Papiere verliehen, deshalb darf ich mich jetzt auch als Deutscher fühlen. Ich lebe in Berlin, genieße meine Freiheit, gehe in den KitKatClub oder ins Insomnia, rufe zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung auf, und reise nach Thailand.

Und all das tue ich wie jeder andere freie und einsame Deutsche.

Aus dem Arabischen von Sandra Hetzl.