Der Autor im Jesus-Outfit vor seinen biblischen Speisen
Alle Fotos, sofern nicht anders angegeben: Camilla Lucia Rebecca Dalla Bona
Menschen

Ich habe eine Woche lang wie Jesus gegessen

Um mich wie der Sohn Gottes zu ernähren, gab es sieben Tage lang Fisch, Bitterkräuter und Co. – und die Erkenntnis, warum Jesus oft so durchtrainiert dargestellt wird.
Vincenzo Ligresti
Milan, IT

Neulich hat mich ein Kollege darauf hingewiesen, dass ich eine Menge von Jesus lernen könne – vor allem von dessen "gesunder Ernährungsweise komplett ohne industriell verarbeitete Lebensmittel". Ich bin ein durchschnittlicher Typ, meistens ernähre ich mich genauso durchschnittlich und oft sogar ziemlich beschissen. Also beschließe ich, eine Woche lang wie der Sohn Gottes zu essen.

Um sicherzugehen, dass ich damit niemandem vor den Kopf stoße, frage ich bei katholischen Freunden nach, was sie von meinem Plan halten: Keiner protestiert. Sie sagen vielmehr, dass mir das Ganze wahrscheinlich sehr gut tun werde.

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Der Autor kauft im Jesus-Outfit Fisch und Wein ein

Um mich auf meine Challenge vorzubereiten, schnappe ich mir ein Rezeptbuch voll mit Gerichten, die so oder so ähnlich in der Bibel vorkommen. Als ich zu Hause die Zutaten auspacke, fällt mir auf, dass ich noch nie so gesund eingekauft habe.

Verschiedene Lebensmittel auf einem Tisch

Diese Lebensmittel hätte Jesus auch gekauft

So beginnt meine Woche mit dem Jesus-Speiseplan. Und falls ihr euch fragt: Nein, Jesus hat kein Besteck benutzt – also mache ich das auch nicht.

Am ersten Tag

Frühstück: Milch oder Joghurt, getrocknete Feigen oder Trauben, Granatapfelsaft und Honig

Der Autor frühstückt auf seinem Balkon

Am ersten Tag genieße ich mein Frühstück auf dem Balkon und sonne mich dabei im Licht des heiligen Vaters. Ich habe das Gefühl, dass das Essen vor mir wie ein Segen von oben ist.

Joghurt und Trockenfeigen
Der Autor mischt Honig in seinen Joghurt

Gleichzeitig komme ich mir – umgeben von Lorbeerblättern und mit Dörrobst auf meinem Teller – vor wie der Durchschnitts-Instagram-Gesundheitsfreak. Ich nippe an meinem Granatapfelsaft, der in der Heiligen Schrift als Symbol der Fruchtbarkeit und des Reichtums beschrieben wird. Ich finde, dem Getränk fehlen eher Zucker und Spaß.

Abendessen: gegrillter Fisch (vorzugsweise aus dem See Genezareth)

Frischer Fisch schmeckt mir richtig gut, ist aber teuer und stinkt die ganze Bude voll. Normalerweise esse ich deshalb nur Dosenthunfisch, aber für Jesus mache ich natürlich eine Ausnahme. Das Ergebnis:

Gegrillter Fisch

Obwohl ich nicht oft koche, finde ich es ziemlich einfach, einen gesäuberten Seebarsch mit Zitronenscheiben zu füllen, zu würzen und auf den Grill zu werfen. Die ganzen Gräten erhöhen das Erstickungsrisiko beim Essen aber immens.

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Die Gräten des gegrillten Fisches

Am zweiten Tag

Kalbsfleischeintopf mit Wein, Lauch, Kürbis und Fladenbrot

Laut des Buchs The Food and Feasts of Jesus war das "täglich Brot" ein wichtiger Bestandteil der nahöstlichen Ernährung des ersten Jahrhunderts. Für Christen wurde das Brot außerdem zu einer Metapher für spirituelle Nahrung. Für mich wurde es zu einem Besteck-Ersatz.

Hier breche ich das Brot. Jesus wäre sicher stolz auf mich:

Der Autor teilt sein Fladenbrot

Der Kalbsfleischeintopf, den mir meine Kollegin Camilla perfekt zubereitet, stellt mich vor ein Problem: Es heißt, dass Jesus Vegetarier war und sich gegen das Töten von Tieren aussprach. So schreibt Gianfranco Nicora, ein Experte für das Alte Testament, in einem Artikel für das Bioethik-Institut der Universität Genua: Jesus lebte in einem kulturellen Kontext, in dem so etwas wie Vegetarismus nicht existierte, aber gleichzeitig werde sich im Königreich Gottes jeder vegetarisch ernähren. Ein echtes Dilemma – einerseits. Andererseits: Camillas Eintopf schmeckt verdammt lecker.

Der Autor isst Kalbseintopf

Am dritten Tag

Bitterkräuter

Am dritten Tag kommen mir zum ersten Mal Zweifel. Es steht eine mir etwas suspekte Mischung auf dem Speiseplan: Auf Anweisung des Kochbuchs kombiniere ich blanchierten Chicorée mit Kapern, Oliven und Pistazien. Das soll auch beim Letzten Abendmahl auf den Tisch gekommen sein. Aber ich muss zugeben: Das Gericht ist zumindest optisch sehr ansprechend, fast schon Instagram-würdig:

Die Bitterkräuter auf einem Holzteller

Das Problem ist nur, dass mein besteckfreies Experiment so langsam meine Kollegen gegen mich aufbringt. So will sich beim Lunch niemand zu mir gesellen.

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Der Autor isst seine Bitterkräuter

Foto: Roberta Abate

Am vierten Tag

Ziegen-Ricotta und gebackene Zwiebeln

Heute geht es kulinarisch gesehen zurück ins Alte Testament, als die Juden nach der Flucht aus Ägypten durch die Wüste wanderten – und dabei mit Sicherheit sehr viel Hunger hatten.

Ich fange an zu weinen. Weil ich Zwiebeln zubereite. Das liegt aber nicht nur am Reizstoff, der mir in die Augen steigt. Ich bin traurig, weil ich das jetzt essen muss:

Ricotta und Zwiebeln

Foto: bereitgestellt vom Autoren

Am fünften Tag

Bulgur-Salat

Das Kochbuch bezeichnet dieses Gericht als Neuinterpretation von "geröstetem Weizen", also einer "altertümlichen Popcorn-Variante, die entsteht, wenn man Körner auf glühend heißen Steinen kocht". Meine Version beinhaltet gekochten Bulgur, Oliven, geröstete Mandeln und Käse.

Ein hübsch angerichteter Bulgursalat

Ich würde gerne sagen, dass ich das nicht alles auf einmal gegessen habe, aber der Salat war nach zwei Tagen endlich wieder etwas Ordentliches auf meinem Teller. Außerdem steht mir morgen eine besondere Herausforderung bevor.

Der Autor isst seinen Bulgursalat

Am sechsten Tag

Fasten

Wenn Jesus es geschafft hat, 40 Tage und 40 Nächte lang zu fasten, sollte ich das wenigstens einen Tag lang hinbekommen. Da ich in der Redaktion jedoch vor allem von Food-Journalistinnen und -Journalisten umgeben bin, ist die Versuchung groß, etwas zu essen. Als ich kurz davor bin nachzugeben, rufe ich meine Lieblings-Religionslehrerin an: meine Mutter.

Ein Holzteller und ein Jesus-Shirt

Am Tag des Fastens wollte sich der Autor nicht fotografieren lassen

Als ich ihr von meinem Problem erzähle, beginnt sie sofort einen Monolog darüber, wie der Teufel Jesus davon überzeugen wollte, ein paar Steine in Brot zu verwandeln und so bei seiner spirituellen Entschlackung zu versagen. Diese Geschichte macht mir Angst – und Mut.

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Am siebten Tag

Linsensuppe

Wie im Kochbuch steht, legte Jakob seinen Bruder Esau damals rein, indem er ihn davon überzeugte, sein Erbe gegen einen Teller heißer Linsen einzutauschen. Dann musste Jakob untertauchen, weil sein Bruder ihn umbringen wollte.

Was ich damit eigentlich sagen will: Ich habe echt keine Lust, diese Linsen zu essen.

Der Autor präsentiert seine Linsen

Foto: bereitgestellt vom Autoren

Das Ergebnis meines Experiments

In nur einer Woche habe ich gut zweieinhalb Kilogramm abgenommen, öfter gebetet (also Gott gefragt, ob diese Aktion eine gute Idee sei) und mich zwei- oder dreimal versehentlich betrunken, weil ich ein Glas Wein zu viel hatte. Außerdem hatte ich während der sieben Tage mehr Energie und musste weniger furzen.

Danke, Jesus. Jetzt weiß ich auch, warum du auf manchen Bildern so durchtrainiert aussiehst.

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