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10 Fragen

10 Fragen an einen Piloten, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Mit wie vielen Stewardessen hast du schon geschlafen? Wie oft warst du schon kurz vor dem Absturz? Wie schlimm ist es wirklich, wenn ich das Handy anlasse?
Foto: Privat

Wer schon einmal Catch Me If You Can mit Leonardo DiCaprio gesehen hat, weiß, wie das Piloten-Dasein früher gewesen sein muss: viele Frauen, viel Geld, viel Bewunderung. Und heute? Manche sagen, Piloten seien gerade mal bessere U-Bahnfahrer. Selbst Leute, die nach der Landung klatschen, sind eine aussterbende Spezies.

Die Pilotenvereinigung Cockpit schätzt, dass es in Deutschland etwa 1.000 arbeitslose Piloten gibt. Auch Manuel, 28 Jahre alt, fand nach seiner Ausbildung keinen Job. Seit zwei Jahren arbeitet er für eine ausländische Airline, welche genau, möchte er nicht sagen. Er lebt in Großbritannien und bringt Urlauber auf die Kanaren, nach Italien oder Portugal. Und er sagt, er könne sich keinen schöneren Beruf vorstellen.

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Wir haben Fragen.

VICE: Arbeitest du überhaupt selbst oder fliegst du einfach Autopilot?
Manuel: Ich fliege kurz nach dem Start und bis kurz vor der Landung mit Autopilot, also fast die ganze Zeit. Meine Firma will das so, weil es in der Vergangenheit Leute gab, die Cowboy in den Lüften gespielt haben. Die wollten den Flughafen besonders schnell anfliegen. Und das ist nicht ganz ungefährlich, weil man ja eigentlich das Flugzeug abbremsen muss, um zu landen. Deshalb mussten sie noch mal durchstarten, also wieder Höhe aufbauen, und dann die Landung noch mal beginnen. Und das kostet mehr Sprit als nötig. Man muss aber auch sagen: Hoch oben, wenn man nur Kurs und Geschwindigkeit halten muss, wird man irgendwann blöd davon. Da ist es gut, dass es den Autopilot gibt. Außerdem macht der Autopilot auch nur das, was ich vorgebe. Alle Einstellungen, also Höhe, Route und Geschwindigkeit muss ich überprüfen und ändern.

Aber bei einem langen Nachtflug, wenn wenig los ist, fragt man sich schon, was man die ganze Zeit machen soll. Ich lese Zeitung und Bücher, schau die Sterne an. Wir haben außerdem so ein iPad, da sind alle Flughäfen und Handbücher drauf. Das sind um die 20.000 Seiten PDF. Damit kann man sich schon beschäftigen.


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Wie viel verdienst du?
Brutto zwischen 8.000 und 10.000 Euro. Aber dieses Klischee, dass Piloten einen Haufen Geld verdienen, stimmt nicht mehr. Es gibt Piloten, die können gerade so von ihrem Gehalt leben. Manche verdienen am Anfang nur 1.200 netto. Und müssen aber davon noch ihre schweineteuere Berufsausbildung abbezahlen.

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Auch ich habe für meine Ausbildung einen Kredit gebraucht über 115.000 Euro. Diese finanzielle Belastung muss man sich erst einmal trauen. Meine Eltern haben mir das ermöglicht. Ich selbst hätte keinen Kredit bekommen. Und dann habe ich nach der Ausbildung nicht einmal gleich einen Job gefunden. Ich habe mich für einen Plan B entschieden und noch einmal drei Jahre lang studiert, bis ich einen bekommen habe. Aber manche werden nie genommen. Da hat man dann, vom Wert her, eine Eigentumswohnung in den Sand gesetzt.

Stimmt es, dass viele Piloten Alkoholiker sind?
Meiner Meinung nach gibt es nicht mehr oder weniger Alkoholiker als in jedem anderen Beruf – Piloten sind halt auch Menschen. Aber ich habe schon von Leuten gehört, die unter Alkoholeinfluss geflogen sind. Einer hat mal aus seiner Trinkflasche einen Schluck genommen und zu seinem Co-Piloten gesagt: "Riech mal." Und dann war's Wodka. Und es gibt in Deutschland Anonyme Alkoholiker für Piloten. Aber eigentlich ist die Kontrolle sehr streng. Vor oder nach dem Flug werden Atemalkoholtests durchgeführt und zwar deutlich häufiger als im Straßenverkehr.

Kannst du Drogen schmuggeln?
Ich wurde noch nie gefragt. Das wäre auch gar nicht so einfach. Die Besatzung wird sogar noch öfter kontrolliert als die Passagiere. Wir gehen zwar durch eine separate Kontrolle, damit wir nicht so lange anstehen, aber dort gelten die gleichen Vorschriften. Manche sind sogar noch strenger. Bei Passagieren gibt es zum Beispiel bei Warenwert eine Grenze von 400 Euro. Beim fliegenden Personal liegt die bei 70 Euro.

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Warst du schon kurz vor dem Absturz?
Ich glaube, ich ziehe das Unglück an. Mir sind schon ein paar Mal kleinere Sachen passiert, dass ein Generator ausgefallen ist oder der Autopilot. Aber das Schlimmste war bei einer Landung in Bristol, als ich als Copilot geflogen bin. In Bristol ist die Landebahn kurz und fällt am Ende nach unten ab. Und dann gab es auch noch Wind und Regen. Der Pilot hat den richtigen Moment zum Landen verpasst. Er ist einfach immer weiter über die Landebahn drüber geschwebt. Ich habe ihm dann den Befehl zum Durchstarten geben, also dass er noch mal hochfliegt, weil das Flugzeug wahrscheinlich nicht mehr rechtzeitig hätte anhalten können und dann den Abhang hinuntergestürzt wäre.

Normalerweise wird bei so etwas nicht diskutiert, sondern einfach gemacht. Aber er war wie erstarrt. Dann habe ich seine Hand vom Gashebel weggeschoben, die Kontrolle übernommen und bin selbst noch einmal durchgestartet. Danach hat er sich hundert Mal entschuldigt. Deshalb habe ich das auch nicht an die große Glocke gehängt. Und die Passagiere haben überhaupt nicht mitbekommen, wie brenzlig die Situation war.

Ist es ein geiles Gefühl, so viel Macht über das Leben so vieler Menschen zu haben?
Ja, das ist es, auch wenn ich mich jetzt nicht wie der große King fühle oder so. Aber klar: Man hat Verantwortung und man erteilt Befehle. Auch die Bodenbesatzung und die Kabinencrew tanzen nach deiner Pfeife. Und am Ende des Tages macht es einen stolz, wenn man sieht, dass so viele Sachen hätten passieren können, aber man hat die Katastrophe verhindert und 800 Leute sicher nach Hause gebracht.

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Mit wie vielen Stewardessen hast du schon geschlafen?
Ich habe noch mit keiner Stewardess geschlafen und hatte nicht einmal Sex im Flugzeug. Aber ich bin da ein schlechtes Beispiel. Ich habe keine One-Night-Stands. Mein Bruder sagt immer: "Du traust dich nicht." Aber ich bin halt, wie ich bin. Generell stimmt das Klischee mit den Piloten und den Flugbegleiterinnen auf jeden Fall. Jeden Tag erzählen mir Kollegen, dass sie heute die geschnackselt haben und gestern eine andere. Bei Langstreckenflügen gibt es eine Schlafkabine für die Crew. In der wird rauf- und runtergevögelt. Ich habe auch mal gehört, dass zwischen einem Kapitän und einer jungen Pilotin etwas im Cockpit lief.

Ziehst du manchmal deine Uniform an, um Frauen aufzureißen?
Auch da bin ich vielleicht ein bisschen eigen. Ich versuche, immer ordentlich auszusehen. Die Hose mit Bügelfalte, Hemd und Krawatte und nichts zerknittert. Nach der Arbeit versuche ich, sie so schnell wie möglich loszuwerden, damit ich sie nicht beschädige und nicht so viel Aufmerksamkeit auf mich ziehe.

Aber tatsächlich stellen viele ihre Uniform zur Schau, laufen im Flughafen auf und ab und fühlen sich toll. Alle Menschen, nicht nur Frauen, schauen einen dann tatsächlich an. Ich habe mir schon oft gedacht, dass mich diese oder jene Frau abends in der Disco sicher nicht wahrgenommen hätte, aber auf dem Weg zum Flughafen mit der Uniform schon.

Wie schlimm ist es wirklich, wenn ich mein Handy anlasse?
Wenn nur ein einzelner Passagier sein Handy anlassen würde, würde wahrscheinlich gar nichts passieren. Aber wenn es 10, 20 Leute machen, die direkt vor dem Cockpit sitzen, hören wir auf unseren Headsets die Rückkopplung. Und das Geräusch übertönt die Funksprüche. Außerdem könnten die Navigationsgeräte gestört werden. Zwar nicht das GPS, aber die Geräte, die es ersetzen, falls es mal ausfällt.

Hat der erweiterte Suizid von Andreas Lubitz das Leben von Piloten verändert?
Ich arbeite ja für keine deutsche Airline, aber bin Deutscher. Manche Kollegen haben schon ein paar dumme Sprüche gebracht. Einmal hat mich eine Flugbegleiterin, als ich mit ihr alleine im Cockpit war, gefragt, ob ich jetzt auch gleich Selbstmord begehe. Das war ein Spaß, aber für mich ist bei solchen Sprüchen immer auch ein bisschen Ernst dabei.

Für mich hätte aber die Lufthansa, bei der Andreas Lubitz seine Ausbildung gemacht hat, größere Konsequenzen ziehen müssen. Der Lufthansa war seine Erkrankung bekannt. Außerdem macht sie bei ihrer Auswahl immer auch einen psychologischen Test, der mehr zählt alles andere. Bei mir zum Beispiel war eigentlich alles top, aber der Psychologe hielt mich nicht für geeignet und ich wurde nicht genommen. Andreas Lubitz aber hat den Test bestanden, obwohl er damals schon Probleme hatte. Während seiner Ausbildung war er elf Monate in Behandlung. Wenn man bei der Ausbildung bei der Lufthansa so lange fehlt, muss man den Test nochmal machen. Er hat ihn wieder bestanden. Für mich trägt die Lufthansa auch einen Teil der Schuld daran, dass so viele Menschen gestorben sind, aber sie hat sich dafür nie entschuldigt.

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