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Staatsgewalt

Weil ein 25-Jähriger eine Regenbogenflagge hisste, ermittelt jetzt der Staatsanwalt

Ihm drohen zwei Jahre Haft – zumindest theoretisch.
Foto: Linksjugend Dresden

Wir haben ja gedacht, dass Amtsanmaßung was mit Hochstapeln zu tun hat. Jetzt wissen wir: Amtsanmaßung hat auch was mit Hochziehen zu tun. Und nicht etwa das Hochziehen eines Fake-Businesses, zum Beispiel als Hauptmann von Köpenick oder Bußgeldeintreiber in Karnevals-Uniform. Sondern das Hochziehen im wörtlichen Sinne: Weil Christopher Colditz eine Regenbogenflagge am Dresdner Rathaus hisste, beschuldigt ihn die Dresdner Staatsanwaltschaft nun der Amtsanmaßung und leitete ein Verfahren gegen den 25 Jahre alten jugendpolitischen Sprecher der Dresdner Linkspartei ein.

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Alles begann mit einer Protestaktion: Als am 27. Mai die Parade des Christopher Street Day (CSD) durch Dresden zog, brachte Colditz zusammen mit Juso-Kollegen die Fahne an einem Rathaus-Mast an. Der Grund? Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte sich wiederholt dagegen ausgesprochen, die Regenbogenfahne am CSD zu hissen. Er begründete das mit der sächsischen Beflaggungsordnung, die eine Regenbogenfahne nicht zulasse. In Leipzig, Chemnitz und Pirna ginge das doch auch, argumentierte die Linksjugend, und hisste die Flagge daraufhin einfach selbst. "Wir haben dafür keine Schlösser geknackt, die Fahnenmasten standen da ganz ungesichert", erzählt Christopher. Gestört wurden sie auch nicht bei der Aktion, die Fahne hing bis zum nächsten Tag am Rathaus. Das gehe jetzt aber nicht mehr: "Mittlerweile hängen Schlösser an den Fahnenmasten", sagt er.

Nachdem im Mai die Fahne am Rathaus flatterte, flatterte nun unliebsame Post in Christopher Colditz' Briefkasten. "Ich war eher verwundert als erschrocken, als der Brief am Samstag ankam", sagt er. "Durch eine Lokalzeitung habe ich zwar mitbekommen, dass die Stadt das nicht so toll fand, aber ein Ermittlungsverfahren finde ich doch sehr absurd."

In dem Anschreiben begründet die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen damit, dass er billigend in Kauf genommen habe, "dass diese Handlung den Anschein einer hoheitlichen Handlung begründete". Aus diesem Grund wird er der Amtsanmaßung beschuldigt. Und damit kann es auch mehr als ein bisschen Ärger geben: bis zu zwei Jahre Gefängnis. Das Höchstmaß muss Christopher Colditz aber offenbar nicht befürchten. Auf Seite zwei schreibt die Staatsanwaltschaft, sie sei bereit, das Verfahren gegen eine Spende in Höhe von 150 Euro an den Dresdener LGBT-Verein Gerede einzustellen.

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Auf Facebook kündigte Colditz an: "Das Geld werde ich spenden, ob ich diese Anklage allerdings widerstandslos hinnehmen werde, überlege ich mir nach Beratung mit meinem Rechtsbeistand." Bis Ende dieser Woche will er das entscheiden.

Und eine amtliche Entschuldigung lieferte er auch gleich mit: "Wir möchte uns also bei allen aufrichtig entschuldigen, die das Gefühl hatten, dass wir am 27. Mai der Oberbürgermeister der Stadt Dresden waren. Das sind wir natürlich nicht."

Und die Staatsanwaltschaft? Die wurde tätig, nachdem die Stadt Dresden den Sachverhalt angezeigt hatte. Ein Sprecher erklärt gegenüber VICE: "Zwar erfüllt das Hissen der Regenbogenflagge an einem Fahnenmast vor dem Dresdner Rathaus den Straftatbestand der Amtsanmaßung. Weder aber der Erklärungsinhalt noch die Art und Weise der Erklärung sind als verwerflich anzusehen." Und der Sprecher betont: "Die mit der Regenbogenflagge ausgedrückte Haltung entspricht nicht zuletzt auch der Haltung der Landeshauptstadt Dresden (…) Es ist daher sogar zu begrüßen, wenn der Beschuldigte seiner Haltung weiter Ausdruck verleiht."

Sieht ganz so aus, als müsste Christopher Colditz erst gar nicht die große Flatter kriegen.

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