Wir haben das "Österreich"-Märchen vom verbotenen Nikolaus Punkt für Punkt korrigiert

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Die Nikolaus-Lüge

Wir haben das "Österreich"-Märchen vom verbotenen Nikolaus Punkt für Punkt korrigiert

Laut "Österreich" sind an einer Wiener Schule Schweinefleisch, das Kruzifix und der Nikolaus verboten. Die Zuständigen widersprechen in allen Punkten.

"Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder", heißt es im gleichnamigen Song aus 1837 und bisher hat das laut 2 Milliarden Christen jedes Jahr zugetroffen (vorausgesetzt, man glaubt daran und nimmt es mit Fakten nicht ganz so genau). Nur bei der Verschwörungsarbeitsgemeinschaft von Boulevard und FPÖ kommt das Christkind schon lange nicht mehr (und die nehmen es mit den Fakten bekanntlich sogar noch ungenauer).

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Sie wittern in ganz Österreich eine Verdrängung der christlichen Kultur durch die sogenannte Islamisierung. Jedes Jahr zur Nikolo- und Weihnachtszeit kommt dort also traditionell nicht das Christkind, sondern das Gerücht, wonach das Christkind und der Nikolaus von den linkslinken Christenhassern verboten werden würde.

"Hausverbot für Nikolo und Christkind in Wiener Schule", titelte die Zeitung Österreich am 4. Dezember 2017, und sichert sich damit die bisher absurdeste Geschichte zur Nikolaus-Lüge. Und weil der Text so unglaublich absurd ist, würde ich vorschlagen, wir gehen ihn einfach der Reihe nach durch. Satz für Satz.

"Skandal in Floridsdorfer Schule. Schweinefleisch, Kruzifix und Präsidentenfotos verpönt, Türkisch dafür Pflicht."

Dieser kurze Text steht im Vorspann des Artikels und ist komplett im Indikativ formuliert. Für den Leser wirkt das wie: "Das ist so. Das ist ein Faktum." Selbst für Fellner-Verhältnisse ist das vorsichtig gesagt ziemlich frech. In Wirklichkeit ist es bis jetzt nämlich nur eine unüberprüfbare Behauptung von Eltern, die anonym bleiben wollen. Und wenn man als Medium schon krude Thesen zum Thema macht, sollte man zumindest von Anfang an erkennbar machen, woher sie stammen.

Grafik: VICE Media

"'Hier läuft Integration völlig falsch, bitte helfen Sie uns'", so ein besorgter Vater, der eine Liste der teils rechtswidrigen, teils einfach Ärger hervorrufenden Fakten erstellte"

Ich habe mir vier verschiedene Rotstifte zur Korrektur geholt, aber tausende würden nicht ausreichen, um das "WHAT THE FUCK" ausreichend kenntlich zu machen. Österreich nennt eine wilde Anschuldigung eines Typen, von dem wir nicht wissen, wer er ist oder welche Interessen er hat, einfach "Fakten". FAKTEN. Ich halte die Welt nicht mehr aus. Morgen stell ich mich vor die Österreich-Redaktion und sage jedem der reingeht, dass Aliens es auf Christian Kern abgesehen haben. Und wehe, am nächsten Tag steht dann nicht auf der Titelseite: "'Aliens wollen Kern töten', so ein besorgter Bürger, der aus Angst vor Repressionen anonym bleiben will, aber eine Liste von Fakten erstellte."

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"Der Nikolo hat seit Jahren Hausverbot, aus Rücksicht auf den hohen Anteil an nicht-christlichen Kindern sind alle christlichen Symbole verpönt."

Der Pressesprecher des Wiener Stadtschulrats Matias Meißner antwortet in einer Presseaussendung auf die Vorwürfe der Zeitung. Zu diesem Punkt heißt es: "Bisher hat der Elternverein, der üblicherweise an Wiener Volksschulen einen Nikoloauftritt organisiert, dies nicht getan. Sollte dieser organisiert werden, würde sich die Schule freuen. Der Elternverein der Volksschule 21 Jochbergengasse organisiert jedoch eigene Nikolaussackerl für alle SchülerInnen, welche von den LehrerInnen ausgeteilt werden – es gibt und gab niemals ein 'Hausverbot' für den Nikolaus."

Das heißt: Richtig, es kommt tatsächlich kein Nikolaus in die Schule. Aber, liebe Freunde der Verschwörung, laut Stadtschulrat liegt das nur daran, dass es bisher niemand organisiert hat. Vielleicht ein ganz dankbarer Job für anklagende Eltern, die anscheinend sehr viel Zeit (einen etwas zu ausgeprägten Fetisch) für diese Thematik haben.

Das Christkind muss ebenfalls draußen bleiben.

Genauso übrigens wie Kobolde, Einhörner, Elfen und Zwerge, die ebenfalls ziemlich sicher nicht existieren, aber falls doch, sicher das Recht hätten, ein Eintrittsverbot zu brechen.

Aktuelle Dekoration in der Volksschule Jochbergengasse. Foto mit freundlicher Genehmigung der Schulleiterin Gabriele Mayer.

"Das Weihnachtsfest heißt jetzt Winterfest.

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Laut Stadtschulrat heißt das Weihnachtsfest "Winterfest", weil es über Weihnachten hinausgehe und Weihnachten damit nur ein Unterpunkt des Winters sei. Weihnachten wird aber dabei nicht verschwiegen oder umbenannt. Es wird sogar explizit im Programm angeführt. Nur eben nicht als einziges Fest, sondern als Teil von Aktivitäten im Winter. Nachdem es auch ein traditionelles Sommerfest gibt, habe sich die Direktorin auf Wunsch der Eltern einem Winterfest zugestimmt. Es wird also nichts gekürzt oder abgeschafft, sondern neu eingeführt.

'Weil wir Kinder aus anderen Religionen nicht unter Druck setzen', wurde den protestierenden Eltern beschieden."

Super. Österreich sagt nicht nur NICHT, wer hier mit dieser Behauptung zitiert wird, sondern auch nicht, von wem die zugrundeliegende Weisung kommen soll. Von der Direktorin, dem Schulwart, dem Busfahrer? Seitens der Direktion heißt es übrigens, es gebe keine religiösen Hintergründe. Mit dem Schulwart und dem Busfahrer haben wir noch nicht geredet.

"Schweinefleisch gibt es folgerichtig keines."

OK, zugegeben: Hier habt ihr mich. Ich bin schuldig und ihr seid im Recht. Als ich gesagt habe, dass absolut jeder Punkt in diesem Artikel komplett falsch ist, hat sich in diese Behauptung von mir ein Fehler eingeschlichen. Es ist nämlich so: Dieser Punkt ist absolut richtig, liebes Österreich. Sagt auch der Stadtschulrat ungefähr so in seinem Weltklasse-Statement: "Diese Volksschule ist eine Halbtagsschule, daher ist der Vorwurf, dass es kein Schweinefleisch zum Essen gäbe, nicht nachvollziehbar: Die Schule bietet kein Essen an!"

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Also noch mal zum Verständnis: Ja, die Schule hat tatsächlich kein Schweinefleisch. Aber die Schule hat auch sonst absolut kein Essen im Angebot. KEINES. Übrigens, heißer Verdacht für die mitlesenden oe24-Reporter: Im Stephansdom gibt es ziemlich wahrscheinlich auch kein Schweinefleisch (weil es dort ebenfalls gar keine Kantine gibt)! Aber darüber schreibt wieder niemand. LÜGEN… egal, ihr versteht, was ich meine.

"In den Klassen wurde das Kruzifix abgenommen."

Stimmt nicht, sagt der Stadtschulrat: Das Kreuz hänge entsprechend der gesetzlichen Vorlagen. Und für alle, die sich schon an das Behauptungs-Stakkato gewöhnt haben: In den Behauptungen von oe24 ist weit und breit keine Quelle angeführt.

"Auf die empörte Elternfrage, warum auch das Bild des Bundespräsidenten fehle, wurde angeblich gesagt: "Wenn eine Kontrolle kommt, hängen wir es halt wieder auf."

Das Wort "angeblich" ist einer der wenigen Lichtblicke in diesem Text, der aber sofort wieder zu Nichte gemacht wird. Wir erfahren nicht, von wem das angebliche Zitat stammt. Und zum – wie ich finde – sehr lustigen Vorwurf, dass die Schule gefälligst den grünen Bundespräsident aufhängen soll, hier ein Foto von der Schulleiterin Gabriele Mayer, aufgenommen am 4. Dezember um 07:30 Uhr. Das andere grüne Ding im Bild ist übrigens ganz sicher kein christlicher Weihnachtsbaum, sondern höchstwahrscheinlich eine geschmückte Minarett-Nachbildung. Dem sollte man nachgehen, oe24!!!

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Aktuelle Dekoration in der Volksschule Jochbergengasse. Foto mit freundlicher Genehmigung der Schulleiterin Gabriele Mayer.

"Die Verschleierung von Dutzenden Mädchen ab dem Alter von sieben Jahren ist dagegen keine Diskussion in der Lehrerschaft wert.

Der Stadtschulrat sagt dazu: "In der Volksschule gibt es 2 Mädchen (Schulneulinge) aus einer Familie, die ein Kopftuch tragen. Mit den Eltern wurden und werden pädagogische Gespräche geführt, um diese umzustimmen." Ein Kopftuch sei aber grundsätzlich erlaubt. Ein Kopftuch ist wohlgemerkt keine Vollverschleierung wie eine Burka oder ein Niqab.

'Das ist Religionsfreiheit, hat es geheißen', so der empörte Vater."

Mal davon abgesehen, dass wir wieder nicht erfahren, von wem es etwas "geheißen hat": Wo zur Hölle kommen wir denn hin, wenn wir an österreichischen Schulen auch noch die Religionsfreiheit ermöglichen? Und wie wird wohl der "empörte Vater" regieren, wenn er erfährt, dass diese seit gut 100 Jahren in unserer Verfassung steht – und damit quasi Teil unserer Leitkultur ist?

"Abmeldungen vom Schwimm- und Turnunterricht aus religiösen Gründen werde – obwohl in Pflichtgegenständen eigentlich rechtswidrig – dagegen widerspruchslos toleriert."

In diesem Punkt sind sich Eltern und Stadtschulrat endlich einmal einig: "Eine Abmeldung wäre gesetzlich gar nicht möglich", schreibt die Behörde mit dem Hinweis, dass es keine Abmeldungen gegeben habe.

"Türkischunterricht ist freilich wiederum verpflichtend, wie der staunende Vater erkennen musste: 'Beim Durchsehen der Hausaufgaben stellte ich fest, dass mein Sohn einen Türkisch-Sprachkurs machen muss. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass das sowohl Teil des Deutsch- als auch des Sachunterrichts sei. Die Direktorin findet das sehr positiv.'"

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"Selbstverständlich gibt es keinen 'verpflichtenden Türkischunterricht', antwortet der Stadtschulrat, wohl aber einen freiwilligen, integrativen Muttersprache-Unterricht für Schüler mit Erstsprache Türkisch.

"'Wir Eltern sagen, dass nicht unsere Kinder in die türkische Community, sondern die türkischen Kinder in Wien integriert werden sollen'".

Toller Bad-Ass-Move, lieber "empörter Vater". Zuerst nicht den eigenen Namen nennen wollen, aber dann in einer großen Zeitung für alle Eltern stellvertretend das Wort ergreifen. Die gewählten Elternsprecher werden sicher viel Freude mit Ihnen haben.

FPÖ-Stadtrat Toni Mahdalik fordert Stadtrat Jürgen Czernohorszky zum Handeln auf: "Die Unterwerfung vor dem Islam wird immer bizarrer. So kann Integration nicht funktionieren, so weiten sich Parallelgesellschaften immer mehr aus."

OK, genug Spaß gemacht. Das ist ein sehr ernsthafter Punkt, in dem womöglich viel Agenda des Mediums erkennbar wird. Im Gespräch mit VICE bestätigt Matias Meißner, Pressesprecher des Stadtschulrats, dass kein Österreich-Reporter zu dieser Causa jemals Kontakt mit den zuständigen Stellen aufgenommen hat. Weder die Schulleiterin, noch das Amt des Stadtschulrats wurde kontaktiert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, etwas zu den Vorwürfe zu sagen. KEIN. EINZIGER. OE24-REPORTER. HAT. ANSCHEINEND. BEIM. LANDESSCHULRAT. DIESBEZÜGLICH. NACHGEFRAGT.

Das ist eigentlich die einfachste Fingerübung des Journalismus: Wenn X etwas über Y behauptet, fragt man bei Y nach, was der dazu sagt. Ansonsten läuft man Gefahr, sich als Medium von X instrumentalisieren zu lassen.

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Österreich ist genau das passiert. Dass der nicht zuständige und nicht amtsführende FPÖ-Stadtrat sehr wohl sein Statement abgeben darf, legt zwei Dinge nahe: Der Bildungsstadtrat Czernhorszky wurde nicht aus Zeitgründen nicht kontaktiert (wenn man Zeit hat, einen fachfremden Stadtrat zu kontaktieren, hat man wohl auch genug Zeit, den Richtigen anzurufen). Und zweitens: Es gibt wahrscheinlich einen anderen Grund, warum der FPÖ-Stadtrat zu Wort kommt. Das legt auch der Schlusssatz, der in der Online-Version gelöscht wurde, nahe:

"Im Bezirk gilt diese Schule längst als Musterfall, warum die FPÖ hier so stark geworden ist…"

Der Österreich-Reporter Josef Galley kommentiert mit diesem Satz seinen Bericht. Er gibt dem empörten Vater sowie dem FPÖ-Stadtrat am Ende Recht – und zwar ohne das kenntlich zu machen. Diese Unschärfe gibt zudem Anlass für unnötige Spekulationen: Laut dieser Presseaussendung und eines übereinstimmenden LinkedIn-Profils war Galley drei Jahre lang Pressesprecher (Bereich Bildung) der ehemaligen Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Angesichts dessen stellen sich weitere Fragen:

Steckt in diesem Artikel vielleicht eine persönliche Agenda?

Ist diese Geschichte der Österreich vielleicht von der FPÖ "zugesteckt" worden?

Warum hat der Reporter nicht bei der zuständigen Stelle nachgefragt, wenn er das Thema und die zuständigen Behörden so gut kennt?

Diese Fragen und weitere hätte ich gerne mit dem oe24.at-Chefredakteur Niki Fellner, der den Artikel für rund zwei Stunden offline nehmen ließ, diskutiert. Fellner verweist jedoch auf VICE-Anfrage nur auf ein "Update", das die Redaktion am Ende des Online-Artikels hinzugefügt hat. Und weil dieses auch sehr absurd ist, gehen wir das Update auch gleich noch durch:

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"Der Wiener Stadtschulrat weist die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Der Elternverein habe keinen Nikoloauftritt an dieser Schule organisiert."

Dieser Satz über dem offiziellen Update wurde online nach der Presseaussendung des Stadtschulrats ergänzt (in der Print-Version steht er nicht). Die tendenziöse Zitierweise wird dadurch schön ersichtlich. Während der empörte Vater über dutzende Zeilen zu Wort kommt, wird das Statement des Stadtschulrats in zwei Zeilen abgespeist. Nur eine Erwiderung (Elternverein organisiert keinen Nikoloauftritt) von 10 wird überhaupt genannt. Das restliche Update gibt ausschließlich die Sichtweise der Eltern wieder.

Aktuelle Dekoration in der Volksschule Jochbergengasse. Foto mit freundlicher Genehmigung der Schulleiterin Gabriele Mayer.

"Eltern bestätigen ÖSTERREICH-Bericht über Nikolo-Konflikt in Wiener Volksschule"

Das klingt ganz gut, aber was der Chefredakteur hier macht, ist Folgendes: Er schreibt einen Bericht, der ausschließlich auf Gerüchten von Eltern basiert. Dann widerspricht die zuständige Stelle in allen Punkten. Und er fragt die Eltern, was sie für richtig halten. Spoiler: Die Eltern halten die Sichtweise der Eltern für richtig. Duh. Das ist kein Beweis dafür, dass die Aussagen stimmen. Es ist mehr so, wie wenn Donald Trump Mexikaner für gefährlich hält und man anschließend schreibt: "Donald Trump hält seine eigene Ansicht, Mexikaner seien gefährlich, für richtig."

"Zur Aussendung des Wiener Stadtschulrats bezüglich der Berichterstattung über die Volksschule Jochbergengasse stellt die Tageszeitung ÖSTERREICH folgendes fest (die wesentlichen Punkte beruhen auf Aussagen betroffener Eltern):"

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Wer hält hier jetzt etwas fest? Die Tageszeitung Österreich oder die betroffenen Eltern? Oder ist das eh alles das Gleiche? Irgendwo auf dem Weg vom Sender der Nachricht zum fertigen Text ist hier die redaktionelle Unabhängigkeit verloren gegangen.

"Die Fakten in der Österreich-Berichterstattung zur Volksschule Jochbergengasse sind überprüfbar und stimmen."

Hallelujah, das ist mal eine brauchbare Ansage! Ich schicke dem oe24.at-Chefredakteur noch eine Mail mit der Bitte, die "überprüfbaren Fakten" (und Quellen) überprüfen zu wollen. Er antwortet nicht mehr.

"Es haben sich empörte Eltern mit der Bitte um Wahrung ihrer Anonymität an die Tageszeitung ÖSTERREICH gewandt und sie bestätigen nun die Fakten des ersten ÖSTERREICH-Berichts."

Das ist – anders kann man es nicht sagen – einfach haarsträubender Bullshit. Die Eltern bestätigen wie gesagt nicht die "Fakten des Österreich-Berichts", sondern sie bestätigen die Aussagen der Eltern. Und da Österreich uns wieder mal etwas nicht sagt – nämlich: sind das die gleichen Eltern? – können wir eventuell davon ausgehen, dass es die gleichen sind: Der empörte Vater bestätigt also, was er gesagt hat.

"Es gab sehr wohl eine Diskussion unter den Eltern über die Abwicklung der Nikolausfeiern. Dabei wurde entschieden, dass alle Kinder Nikolaussackerln erhalten, aber ein Nikolaus in Person nicht an die Schule kommen solle, weil die Lehrerschaft argumentierte, dass die Kinder Angst hätten."

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Wenn ihr es nicht bereits rausgelesen habt, mach ich es für euch: Die Eltern oder Österreich (?) geben hier zu, dass der Nikolo nicht wie im Artikel behauptet "aus Rücksicht auf die vielen nicht-christlichen Kinder" nicht vorbeikommt. Er komme deshalb nicht, weil laut Eltern die Lehrerschaft argumentierte, dass die Kinder Angst hätten. Das wäre ein entscheidendes Zurückrudern, das der rassistischen Argumentation jegliche Luft aus den Segeln nimmt – sollte die Schulleitung das bestätigen.

Laut der Pressestelle des Stadtschulrats, das für die Schule kommuniziert, ist das "Angst"-Argument für die Schulleitung aber völlig "neu". Es gebe seitens der Schule überhaupt gar keinen Grund gegen einen Auftritt. Der Elternverein könne gerne einen Nikolaus-Besuch organisieren, die Schulleitung würde das begrüßen. Der Pressesprecher des Stadtschulrates erklärt außerdem, dass es zu diesem Thema weder von der Schulaufsicht des Bezirks, noch von sonst jemanden Regelungen dazu gebe. "Es gibt weder ein Verbot, noch eine Verpflichtung etwas zum Nikolaus zu machen", so Meißner.

"Tatsächlich liegt ÖSTERREICH auch die Einladung zu einem Winterfest vor, wo unter anderem auch Weihnachten erwähnt wird."

Ah, cool, es liegt euch vor, aber ihr habt es halt im ersten Artikel verschwiegen. Gute Arbeit, eigentlich.

"Was aber die Eltern so empörte, ist die Tatsache, dass ihnen mitgeteilt wurde, dass aufgrund der Rücksichtnahme auf andere Religionen das Fest jedenfalls Winterfest zu heißen habe."

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Auch hier lässt die Direktorin ausrichten, dass sie dahingehend nichts gehört oder gesagt habe. Das Winterfest heiße als Anlehnung an das Sommerfest so.

"Zum Thema Schweinefleisch: Dieses wird tatsächlich nicht von der Schule, sondern vom im selben Gebäude befindlichen Hort nicht verabreicht, was in den Augen der Eltern auch Teil des Gesamtklimas an dieser Schule ist."

Für die Bewirtung des Horts ist die MA10 zuständig. Deren Pressesprecherin erklärt uns, dass es in allen Wiener Horten drei verschiedene Menüs gebe. Nämlich einmal mit Schweinefleisch, einmal ohne sowie ein vegetarisches Gericht. Die Gerichte würden rotieren und die österreichische Küche abbilden (es kann also sein, dass ganz ohne böse Absicht an einigen Tagen kein Gericht mit Schweinefleisch zubereitet wird). Von "nicht verabreicht" ist das aber weit entfernt.

"Die Nicht-Teilnahme am Schwimmunterricht durch mehrere Mädchen islamischen Glaubens werde von den Lehrern hingenommen. Das wurde auch in Gesprächen den Eltern so mitgeteilt."

Auch hier rudert Österreich heimlicher zurück als es eigentlich fair wäre. Während es im Artikel "Abmeldung" heißt, steht hier "Nicht-Teilnahme". Das ist ein relevanter Unterschied. Natürlich komme es laut Direktorin vor, dass Kinder nicht am Turnunterricht teilnehmen, weil sie krank sind oder ihr Turnzeug vergessen haben. Aber es gebe sicher keine "Abmeldungen" vom Turnunterricht – und auch sonst keine Form der strukturellen Nichtteilnahme.

"ÖSTERREICH hat nie behauptet, dass beim Einsatz von muttersprachlichen Unterrichtsmaterialien in Türkisch irgendwelche Gesetze verletzt wurden, sondern gab nur den Eindruck der Eltern wieder, dass hier Integration in eine falsche Richtung laufe.

Super! Der Stadtschulrat hat nämlich ebenfalls nie behauptet, dass damit irgendwelche Gesetze verletzt wurden. Aber irgendwie ist es auch schön, dass sich die einzige Richtigstellung auf eine Behauptung bezieht, die niemand aufgestellt hat.

Was von der Nikolaus-Lüge bleibt

Nach diesem Text von Österreich wissen wir vieles nicht. Zum Beispiel unseren Namen oder was zur Hölle im Fellner'schen Hauslexikon neben dem Begriff "Journalismus" steht.

Ganz sicher wissen wir aber, dass die Machart dieses Artikels nichts mit gut recherchiertem, unabhängigem Journalismus zu tun hat, den auch Boulevard-Leser erwarten dürfen. Österreich bedient sich hier einer skrupellosen Methodik, die eine subjektive Erfahrung (eines Vaters, eines Redakteurs, eines Wir-wissen-es-nicht) so wirken lässt, als wäre sie allgemein gültig.

Österreich führt mit diesem Artikel die Begriffe "Fakten", "Bericht" und "Wirklichkeit" ad absurdum. Indem sie die Aussage der Eltern höher bewerten als die des Stadtrats (und dies nicht als Kommentar kenntlich machen), sprechen sie dem faktischen Diskurs jede Autorität ab: Einige oe24-Leser werden sicher sagen, dass die Wahrheit nur eine Frage der Sichtweise sei. Dass es alternative Fakten gebe. Dass eine Behauptung eines Anonymen genau so viel oder mehr zählen würde wie eine Stellungnahme einer offiziellen Behörde, deren Angaben man überprüfen kann. Also schreibt man darüber eben "gleichberechtigt"; weil es ja um die "Ängste" des "kleinen Mannes" geht, den man "endlich ernst nehmen" müsse.

Nur: Das ist nunmal leider nicht so. Journalismus unterscheidet sich von Propaganda, weil ein Journalist jede angesprochene Seite zu Wort kommen lässt und – wenn überhaupt – erst danach das Relevante einordnet. Journalismus ist deshalb, was er ist, weil sich hier Leute Arbeit mit etwas machen, wofür Leser selbst keine Zeit haben (also recherchieren, nachfragen, überprüfen, aber auch: auf Basis davon eigene Gedanken machen, Kommentare schreiben, Einordnungen vornehmen – die immer als solche erkennbar sein sollten). Ach ja, und wenn wir schon bei der Einordnung sind: Die 770.000 Likes starke Facebook-Seite HC Strache hat den Österreich-Artikel aktuell auf der Pinnwand angeheftet.

Christoph auf Facebook und Twitter: @Schattleitner