Dieser kurze Text steht im Vorspann des Artikels und ist komplett im Indikativ formuliert. Für den Leser wirkt das wie: "Das ist so. Das ist ein Faktum." Selbst für Fellner-Verhältnisse ist das vorsichtig gesagt ziemlich frech. In Wirklichkeit ist es bis jetzt nämlich nur eine unüberprüfbare Behauptung von Eltern, die anonym bleiben wollen. Und wenn man als Medium schon krude Thesen zum Thema macht, sollte man zumindest von Anfang an erkennbar machen, woher sie stammen."Skandal in Floridsdorfer Schule. Schweinefleisch, Kruzifix und Präsidentenfotos verpönt, Türkisch dafür Pflicht."
Ich habe mir vier verschiedene Rotstifte zur Korrektur geholt, aber tausende würden nicht ausreichen, um das "WHAT THE FUCK" ausreichend kenntlich zu machen. Österreich nennt eine wilde Anschuldigung eines Typen, von dem wir nicht wissen, wer er ist oder welche Interessen er hat, einfach "Fakten". FAKTEN. Ich halte die Welt nicht mehr aus. Morgen stell ich mich vor die Österreich-Redaktion und sage jedem der reingeht, dass Aliens es auf Christian Kern abgesehen haben. Und wehe, am nächsten Tag steht dann nicht auf der Titelseite: "'Aliens wollen Kern töten', so ein besorgter Bürger, der aus Angst vor Repressionen anonym bleiben will, aber eine Liste von Fakten erstellte.""'Hier läuft Integration völlig falsch, bitte helfen Sie uns'", so ein besorgter Vater, der eine Liste der teils rechtswidrigen, teils einfach Ärger hervorrufenden Fakten erstellte"
Der Pressesprecher des Wiener Stadtschulrats Matias Meißner antwortet in einer Presseaussendung auf die Vorwürfe der Zeitung. Zu diesem Punkt heißt es: "Bisher hat der Elternverein, der üblicherweise an Wiener Volksschulen einen Nikoloauftritt organisiert, dies nicht getan. Sollte dieser organisiert werden, würde sich die Schule freuen. Der Elternverein der Volksschule 21 Jochbergengasse organisiert jedoch eigene Nikolaussackerl für alle SchülerInnen, welche von den LehrerInnen ausgeteilt werden – es gibt und gab niemals ein 'Hausverbot' für den Nikolaus."Das heißt: Richtig, es kommt tatsächlich kein Nikolaus in die Schule. Aber, liebe Freunde der Verschwörung, laut Stadtschulrat liegt das nur daran, dass es bisher niemand organisiert hat. Vielleicht ein ganz dankbarer Job für anklagende Eltern, die anscheinend sehr viel Zeit (einen etwas zu ausgeprägten Fetisch) für diese Thematik haben."Der Nikolo hat seit Jahren Hausverbot, aus Rücksicht auf den hohen Anteil an nicht-christlichen Kindern sind alle christlichen Symbole verpönt."
Genauso übrigens wie Kobolde, Einhörner, Elfen und Zwerge, die ebenfalls ziemlich sicher nicht existieren, aber falls doch, sicher das Recht hätten, ein Eintrittsverbot zu brechen.Das Christkind muss ebenfalls draußen bleiben.
"Das Weihnachtsfest heißt jetzt Winterfest.
Super. Österreich sagt nicht nur NICHT, wer hier mit dieser Behauptung zitiert wird, sondern auch nicht, von wem die zugrundeliegende Weisung kommen soll. Von der Direktorin, dem Schulwart, dem Busfahrer? Seitens der Direktion heißt es übrigens, es gebe keine religiösen Hintergründe. Mit dem Schulwart und dem Busfahrer haben wir noch nicht geredet.'Weil wir Kinder aus anderen Religionen nicht unter Druck setzen', wurde den protestierenden Eltern beschieden."
OK, zugegeben: Hier habt ihr mich. Ich bin schuldig und ihr seid im Recht. Als ich gesagt habe, dass absolut jeder Punkt in diesem Artikel komplett falsch ist, hat sich in diese Behauptung von mir ein Fehler eingeschlichen. Es ist nämlich so: Dieser Punkt ist absolut richtig, liebes Österreich. Sagt auch der Stadtschulrat ungefähr so in seinem Weltklasse-Statement: "Diese Volksschule ist eine Halbtagsschule, daher ist der Vorwurf, dass es kein Schweinefleisch zum Essen gäbe, nicht nachvollziehbar: Die Schule bietet kein Essen an!""Schweinefleisch gibt es folgerichtig keines."
Stimmt nicht, sagt der Stadtschulrat: Das Kreuz hänge entsprechend der gesetzlichen Vorlagen. Und für alle, die sich schon an das Behauptungs-Stakkato gewöhnt haben: In den Behauptungen von oe24 ist weit und breit keine Quelle angeführt."In den Klassen wurde das Kruzifix abgenommen."
Das Wort "angeblich" ist einer der wenigen Lichtblicke in diesem Text, der aber sofort wieder zu Nichte gemacht wird. Wir erfahren nicht, von wem das angebliche Zitat stammt. Und zum – wie ich finde – sehr lustigen Vorwurf, dass die Schule gefälligst den grünen Bundespräsident aufhängen soll, hier ein Foto von der Schulleiterin Gabriele Mayer, aufgenommen am 4. Dezember um 07:30 Uhr. Das andere grüne Ding im Bild ist übrigens ganz sicher kein christlicher Weihnachtsbaum, sondern höchstwahrscheinlich eine geschmückte Minarett-Nachbildung. Dem sollte man nachgehen, oe24!!!"Auf die empörte Elternfrage, warum auch das Bild des Bundespräsidenten fehle, wurde angeblich gesagt: "Wenn eine Kontrolle kommt, hängen wir es halt wieder auf."
Der Stadtschulrat sagt dazu: "In der Volksschule gibt es 2 Mädchen (Schulneulinge) aus einer Familie, die ein Kopftuch tragen. Mit den Eltern wurden und werden pädagogische Gespräche geführt, um diese umzustimmen." Ein Kopftuch sei aber grundsätzlich erlaubt. Ein Kopftuch ist wohlgemerkt keine Vollverschleierung wie eine Burka oder ein Niqab."Die Verschleierung von Dutzenden Mädchen ab dem Alter von sieben Jahren ist dagegen keine Diskussion in der Lehrerschaft wert.
Mal davon abgesehen, dass wir wieder nicht erfahren, von wem es etwas "geheißen hat": Wo zur Hölle kommen wir denn hin, wenn wir an österreichischen Schulen auch noch die Religionsfreiheit ermöglichen? Und wie wird wohl der "empörte Vater" regieren, wenn er erfährt, dass diese seit gut 100 Jahren in unserer Verfassung steht – und damit quasi Teil unserer Leitkultur ist?'Das ist Religionsfreiheit, hat es geheißen', so der empörte Vater."
In diesem Punkt sind sich Eltern und Stadtschulrat endlich einmal einig: "Eine Abmeldung wäre gesetzlich gar nicht möglich", schreibt die Behörde mit dem Hinweis, dass es keine Abmeldungen gegeben habe."Abmeldungen vom Schwimm- und Turnunterricht aus religiösen Gründen werde – obwohl in Pflichtgegenständen eigentlich rechtswidrig – dagegen widerspruchslos toleriert."
"Türkischunterricht ist freilich wiederum verpflichtend, wie der staunende Vater erkennen musste: 'Beim Durchsehen der Hausaufgaben stellte ich fest, dass mein Sohn einen Türkisch-Sprachkurs machen muss. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass das sowohl Teil des Deutsch- als auch des Sachunterrichts sei. Die Direktorin findet das sehr positiv.'"
Toller Bad-Ass-Move, lieber "empörter Vater". Zuerst nicht den eigenen Namen nennen wollen, aber dann in einer großen Zeitung für alle Eltern stellvertretend das Wort ergreifen. Die gewählten Elternsprecher werden sicher viel Freude mit Ihnen haben."'Wir Eltern sagen, dass nicht unsere Kinder in die türkische Community, sondern die türkischen Kinder in Wien integriert werden sollen'".
OK, genug Spaß gemacht. Das ist ein sehr ernsthafter Punkt, in dem womöglich viel Agenda des Mediums erkennbar wird. Im Gespräch mit VICE bestätigt Matias Meißner, Pressesprecher des Stadtschulrats, dass kein Österreich-Reporter zu dieser Causa jemals Kontakt mit den zuständigen Stellen aufgenommen hat. Weder die Schulleiterin, noch das Amt des Stadtschulrats wurde kontaktiert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, etwas zu den Vorwürfe zu sagen. KEIN. EINZIGER. OE24-REPORTER. HAT. ANSCHEINEND. BEIM. LANDESSCHULRAT. DIESBEZÜGLICH. NACHGEFRAGT.Das ist eigentlich die einfachste Fingerübung des Journalismus: Wenn X etwas über Y behauptet, fragt man bei Y nach, was der dazu sagt. Ansonsten läuft man Gefahr, sich als Medium von X instrumentalisieren zu lassen.FPÖ-Stadtrat Toni Mahdalik fordert Stadtrat Jürgen Czernohorszky zum Handeln auf: "Die Unterwerfung vor dem Islam wird immer bizarrer. So kann Integration nicht funktionieren, so weiten sich Parallelgesellschaften immer mehr aus."
Der Österreich-Reporter Josef Galley kommentiert mit diesem Satz seinen Bericht. Er gibt dem empörten Vater sowie dem FPÖ-Stadtrat am Ende Recht – und zwar ohne das kenntlich zu machen. Diese Unschärfe gibt zudem Anlass für unnötige Spekulationen: Laut dieser Presseaussendung und eines übereinstimmenden LinkedIn-Profils war Galley drei Jahre lang Pressesprecher (Bereich Bildung) der ehemaligen Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Angesichts dessen stellen sich weitere Fragen:"Im Bezirk gilt diese Schule längst als Musterfall, warum die FPÖ hier so stark geworden ist…"
Steckt in diesem Artikel vielleicht eine persönliche Agenda?
Ist diese Geschichte der Österreich vielleicht von der FPÖ "zugesteckt" worden?
Diese Fragen und weitere hätte ich gerne mit dem oe24.at-Chefredakteur Niki Fellner, der den Artikel für rund zwei Stunden offline nehmen ließ, diskutiert. Fellner verweist jedoch auf VICE-Anfrage nur auf ein "Update", das die Redaktion am Ende des Online-Artikels hinzugefügt hat. Und weil dieses auch sehr absurd ist, gehen wir das Update auch gleich noch durch:Warum hat der Reporter nicht bei der zuständigen Stelle nachgefragt, wenn er das Thema und die zuständigen Behörden so gut kennt?
Dieser Satz über dem offiziellen Update wurde online nach der Presseaussendung des Stadtschulrats ergänzt (in der Print-Version steht er nicht). Die tendenziöse Zitierweise wird dadurch schön ersichtlich. Während der empörte Vater über dutzende Zeilen zu Wort kommt, wird das Statement des Stadtschulrats in zwei Zeilen abgespeist. Nur eine Erwiderung (Elternverein organisiert keinen Nikoloauftritt) von 10 wird überhaupt genannt. Das restliche Update gibt ausschließlich die Sichtweise der Eltern wieder."Der Wiener Stadtschulrat weist die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Der Elternverein habe keinen Nikoloauftritt an dieser Schule organisiert."
Das klingt ganz gut, aber was der Chefredakteur hier macht, ist Folgendes: Er schreibt einen Bericht, der ausschließlich auf Gerüchten von Eltern basiert. Dann widerspricht die zuständige Stelle in allen Punkten. Und er fragt die Eltern, was sie für richtig halten. Spoiler: Die Eltern halten die Sichtweise der Eltern für richtig. Duh. Das ist kein Beweis dafür, dass die Aussagen stimmen. Es ist mehr so, wie wenn Donald Trump Mexikaner für gefährlich hält und man anschließend schreibt: "Donald Trump hält seine eigene Ansicht, Mexikaner seien gefährlich, für richtig.""Eltern bestätigen ÖSTERREICH-Bericht über Nikolo-Konflikt in Wiener Volksschule"
"Zur Aussendung des Wiener Stadtschulrats bezüglich der Berichterstattung über die Volksschule Jochbergengasse stellt die Tageszeitung ÖSTERREICH folgendes fest (die wesentlichen Punkte beruhen auf Aussagen betroffener Eltern):"
Hallelujah, das ist mal eine brauchbare Ansage! Ich schicke dem oe24.at-Chefredakteur noch eine Mail mit der Bitte, die "überprüfbaren Fakten" (und Quellen) überprüfen zu wollen. Er antwortet nicht mehr."Die Fakten in der Österreich-Berichterstattung zur Volksschule Jochbergengasse sind überprüfbar und stimmen."
Das ist – anders kann man es nicht sagen – einfach haarsträubender Bullshit. Die Eltern bestätigen wie gesagt nicht die "Fakten des Österreich-Berichts", sondern sie bestätigen die Aussagen der Eltern. Und da Österreich uns wieder mal etwas nicht sagt – nämlich: sind das die gleichen Eltern? – können wir eventuell davon ausgehen, dass es die gleichen sind: Der empörte Vater bestätigt also, was er gesagt hat."Es haben sich empörte Eltern mit der Bitte um Wahrung ihrer Anonymität an die Tageszeitung ÖSTERREICH gewandt und sie bestätigen nun die Fakten des ersten ÖSTERREICH-Berichts."
"Es gab sehr wohl eine Diskussion unter den Eltern über die Abwicklung der Nikolausfeiern. Dabei wurde entschieden, dass alle Kinder Nikolaussackerln erhalten, aber ein Nikolaus in Person nicht an die Schule kommen solle, weil die Lehrerschaft argumentierte, dass die Kinder Angst hätten."
Ah, cool, es liegt euch vor, aber ihr habt es halt im ersten Artikel verschwiegen. Gute Arbeit, eigentlich."Tatsächlich liegt ÖSTERREICH auch die Einladung zu einem Winterfest vor, wo unter anderem auch Weihnachten erwähnt wird."
"Was aber die Eltern so empörte, ist die Tatsache, dass ihnen mitgeteilt wurde, dass aufgrund der Rücksichtnahme auf andere Religionen das Fest jedenfalls Winterfest zu heißen habe."
Für die Bewirtung des Horts ist die MA10 zuständig. Deren Pressesprecherin erklärt uns, dass es in allen Wiener Horten drei verschiedene Menüs gebe. Nämlich einmal mit Schweinefleisch, einmal ohne sowie ein vegetarisches Gericht. Die Gerichte würden rotieren und die österreichische Küche abbilden (es kann also sein, dass ganz ohne böse Absicht an einigen Tagen kein Gericht mit Schweinefleisch zubereitet wird). Von "nicht verabreicht" ist das aber weit entfernt."Zum Thema Schweinefleisch: Dieses wird tatsächlich nicht von der Schule, sondern vom im selben Gebäude befindlichen Hort nicht verabreicht, was in den Augen der Eltern auch Teil des Gesamtklimas an dieser Schule ist."
Auch hier rudert Österreich heimlicher zurück als es eigentlich fair wäre. Während es im Artikel "Abmeldung" heißt, steht hier "Nicht-Teilnahme". Das ist ein relevanter Unterschied. Natürlich komme es laut Direktorin vor, dass Kinder nicht am Turnunterricht teilnehmen, weil sie krank sind oder ihr Turnzeug vergessen haben. Aber es gebe sicher keine "Abmeldungen" vom Turnunterricht – und auch sonst keine Form der strukturellen Nichtteilnahme."Die Nicht-Teilnahme am Schwimmunterricht durch mehrere Mädchen islamischen Glaubens werde von den Lehrern hingenommen. Das wurde auch in Gesprächen den Eltern so mitgeteilt."
Super! Der Stadtschulrat hat nämlich ebenfalls nie behauptet, dass damit irgendwelche Gesetze verletzt wurden. Aber irgendwie ist es auch schön, dass sich die einzige Richtigstellung auf eine Behauptung bezieht, die niemand aufgestellt hat."ÖSTERREICH hat nie behauptet, dass beim Einsatz von muttersprachlichen Unterrichtsmaterialien in Türkisch irgendwelche Gesetze verletzt wurden, sondern gab nur den Eindruck der Eltern wieder, dass hier Integration in eine falsche Richtung laufe.