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Pseudowissenschaft

Die UCI Kinowelt will die Pseudo-Doku eines Impfgegners zeigen

Am Freitag, dem 12. Mai, soll in der Millennium City der Film 'Vaxxed' laufen – die Pseudo-Dokumentation eines erklärten Impfgegners. Damit gibt das Kino einer lebensgefährlichen Ideologie eine breite Bühne.

Foto: eric molina | Flickr | CC BY 2.0

Andrew Wakefield ist ehemaliger Arzt und überführter Betrüger. Er wurde in Großbritannien mit einem Berufsverbot belegt, eine Untersuchungskommission attestierte seiner Arbeit, "betrügerisch und unverantwortlich" zu sein.

Was war passiert? In einer Studie, die aus gerade mal einem guten Dutzend Kindern von Eltern bestand, versuchte Wakefield nachzuweisen, dass der MMR-Impfstoff Autismus verursacht. Nicht ganz zufälligerweise waren auch alle Eltern der Studienteilnehmer in eine Sammelklage involviert, die dasselbe behauptete. Wakefield hatte keinen Erfolg – aber zu dem Zeitpunkt ein Patent auf einen alternativen Impfstoff, der vielleicht auch seine Motive ein bisschen besser erklärt.

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Einige Jahre später zog die wissenschaftliche Publikation die betrügerische Studie zurück. Eine Untersuchungskommission befand, dass Wakefield unethisch und unwissenschaftlich gearbeitet habe und die Co-Autoren distanzierten sich von der Studie.

Es gibt auch keinen einzigen Beleg für die von Impfgegnern kolportierte Epidemie an Impfschäden.

Am Ende bekam Wakefield auch noch Berufsverbot erteilt, aber da war der Schaden bereits angerichtet: Wakefield war bereits der Guru der weltweiten Impfgegner-Sekte – und ist es bis heute. Für seine Jünger ist er ein Märtyrer. Jemand, der ihnen die Augen geöffnet hat. Die Crux: Für seine wilden Behauptungen gibt es über YouTube-Videos und die "Schule des Lebens" hinaus schlichtweg keine Beweise.

Im Gegenteil: Über 100 Studien konnten belegen, dass Impfungen nicht Autismus verursachen. Eine Studie untersuchte zum Beispiel über 95.000 Kinder und kam zu dem Ergebnis, dass keinerlei Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus festgestellt werden konnte. Es gibt auch keinen einzigen Beleg für die von Impfgegnern kolportierte Epidemie an Impfschäden. Tatsächlich gelten Impfungen als sicher und haben einen wesentlichen Beitrag zum Rückgang vieler Krankheiten geführt.

Jetzt kehrt Andrew Wakefield mit dem Rückenwind seines Fans Donald Trump und der Pseudo-Dokumentation Vaxxed zurück, mit der er eine breite Bühne für seine menschenverachtende und lebensgefährliche Verschwörungstheorie sucht, der zufolge Impfungen die Wurzel allen Übels ist. Angeblich sollen Impfungen nämlich neben Autismus auch noch viele weitere Schäden verursachen.

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So weit, so weit weg. Immerhin sind Wakefield und Trump beides sehr amerikanische Phänomene könnte man meinen. Und man hätte vielleicht auch recht damit, wenn sie nicht genauso Einfluss auf die Impfgegner-Bewegung hier in Österreich hätten.

Das neueste Beispiel dafür ist eben die geplante Aufführung in der UCI Kinowelt. Aber warum führt das Kino so einen schockierenden Unsinn auf? Vielleicht begreifen sie die Vorführung als Beitrag zur Debatte. Aber der Punkt ist, dass die Inhalte nicht in einem ausgewogenen Umfeld (wie zum Beispiel einer anschließenden Podiumsdiskussion) besprochen werden. Stattdessen wird Vaxxed unkommentiert gezeigt.


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Damit macht sich das Kino mit der lebensgefährlichen Lüge des betrügerischen Ex-Arztes gemein. Es ist völlig unverantwortlich, die Impfgegner-Propaganda, die weltweit bereits vielen Menschen das Leben gekostet hat, ohne jeden Diskurs einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

In seinem 90-Minüter inszeniert sich Wakefield als Opfer einer weltweiten Pharma-Verschwörung, die das Ziel verfolgt, der Menschheit gesundheitlich zu schaden, um so noch mehr Geld zu verdienen. Mit Robert DeNiro fand diese bizarre Verschwörungstheorie einen prominenten Unterstützer; trotzdem wurde sein Film nach Protesten vom renommierten Tribeca-Filmfestival abgelehnt.

Umso absurder wirkt es, dass Wakefields krude Ideen in Österreich, das vom Gesundheitssystem ziemlich gut versorgt wird, auf offene Ohren treffen. Der Kopp-Verlag begeistert sich ebenso dafür wie diverse Plattformen von Impfgegnern und Chemtrails-Gläubigen.

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Das hat auch ganz reale und erschreckende Auswirkungen: Während die Masern schon als nahezu ausgerottet galten, ist nun eine erschreckende Zunahme der gefährlichen Infektionskrankheit zu beobachten. Seit 2014 haben sich mehr als 22.000 Menschen in 7 europäischen Ländern mit den hoch ansteckenden Masern infiziert. Am häufigsten erkranken Babys und Kleinkinder. In Rumänien starben zuletzt 17 Kinder an den Masern. Schuld daran sind Impfgegner wie Andrew Wakefield.

Die Diskriminierung von Autist*innen und ihren Eltern durch einen auf manipulierten Fakten basierenden Film sollten wir nicht hinnehmen.

Masern gelten unter Impfgegnern als harmlose Kinderkrankheit. Aber dem ist nicht so. Zum Krankheitsverlauf sagt das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen in Österreich:
"Bei 20 von 100 Fällen von Masern treten Komplikationen wie Bronchitis, Mittelohr- und Lungenentzündung auf. Bei etwa einem von 1.000 Erkrankten kommt es zu einer lebensbedrohlichen Gehirnentzündung. Sehr selten kann Jahre später ein Gehirnzerfall auftreten, der immer tödlich verläuft. Man nennt diese Spätfolge subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Besonders gefährdet sind Kinder, die im ersten Lebensjahr erkranken oder während der Geburt angesteckt werden. Zudem verursachen die Masern durch Schwächung des Immunsystems ein mehrere Jahre anhaltendes erhöhtes Risiko, an anderen Infektionskrankheiten zu sterben."

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Masern bilden eine reale und tödliche Gefahr, der sich dank krankenkassenfinanzierten Schutzimpfungen heute wirklich niemand mehr aussetzen muss. Die Inszenierung dieser widerlegten, unwissenschaftlichen Impf-Intrige hat noch eine andere abstoßende Seite. Für Wakefield und damit auch für seine Produktion scheint Autismus das Schlimmste zu sein, was der Menschheit zustoßen kann: eine Epidemie, gegen die wir laut ihm wehrlos sind, ein grenzenloses Leiden.

Damit stigmatisiert und diskriminiert er bewusst etwa 1 Prozent der Menschheit. Bei einer Weltbevölkerung von rund 7,47 Milliarden Menschen sind das nicht gerade wenige. Und auch die Eltern autistischer Kinder sind durch derartige Aussagen betroffen. Sie haben einer Impfung zugestimmt und sind so – Wakefield zufolge – Schuld am Autismus ihrer Kinder.
Wakefield fördert durch die Verbreitung seines Machwerks die Ausbreitung einer schwerwiegend bis tödlich verlaufenden Infektionskrankheit und setzt Eltern einer massiven psychischen Belastung aus, indem er sie als die Schuldigen am Autismus ihrer Kinder identifiziert. Natürlich ist niemand Schuld an einer neurologischen Diversität wie Autismus – am wenigsten die Eltern.

Am 12. Mai will auch das Millenium City Kino in Wien Vaxxed – die schockierende Wahrheit zeigen. Ich persönlich wünsche mir, dass nicht nur Autist*innen und ihre Angehörige gegen diese offene Stigmatisierung und Diskriminierung vorgehen, sondern sich noch viele andere dem Protest gegen die Filmvorführungen dieses Machwerks anschließen. Die Diskriminierung von Autist*innen und ihren Eltern durch einen auf manipulierten Fakten basierenden Film sollten wir nicht hinnehmen.

Marlies Hübner ist Wahl-Wienerin, arbeitet als Autorin und beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Autismus, zum Beispiel hier. Als Betroffene ist es ihr wichtig, selbst darüber aufzuklären. Sie bloggt und ist auf Twitter: @outerspace_girl

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