FYI.

This story is over 5 years old.

Wiener Roof-Ride

Dieses Video zeigt einen Schwarzfahrer auf dem Dach einer fahrenden U-Bahn

Drei Jahre nach seinem "Schwarzfahrer-Weltrekord" legt der vermummte Künstler nach – und beweist den Wiener Linien, dass man die Waggons entgegen ihrer Behauptung sehr wohl riden kann.

Wie ernsthaft die Probleme einer Großstadt sind – und ob sie die Bezeichnung "Großstadt" überhaupt verdient –, erkennt man meistens ganz gut daran, wen sie sich als Feind hält. Sind es Drogenkartelle? Banker? Obdachlose? Reiche oder Arme, Skrupellose oder Ausgestoßene, Mächtige oder Entmachtete?

Im Fall von Wien ist die Antwort nichts davon, sondern eher: Sprayer, Skater und andere, die im öffentlichen Raum nicht ganz nach den Regeln spielen. (Obwohl wir auch ganz gut darin sind, Obdachlose und Junkies als Problem zu sehen, das man an den Stadtrand kehren sollte.) Das bedeutet erstens, dass man unsere Probleme wirklich mit der Lupe suchen muss, und zweitens, dass Wien zirka genauso viel Metropole ist wie Sebastian Kurz ein Politiker mit echten Neuerungen im Programm.

Anzeige

Auch bei VICE: Mike und Alice - People Who Just Had Sex


Das hat schon der künstliche Skandal um den Sprayer namens Puber gezeigt, der von den Wiener Hausverwaltungen allen Ernstes zum Staats- oder zumindest Stadtfeind erklärt wurde. Und es zeigt sich erneut am Fall von The Schwarzfahrer, der 2014 einen Schwarzfahrweltrekord in Wien aufgestellt hat und jetzt zurück ist, um die Wiener Linien zu ärgern. Aber der Reihe nach.

"Ich schaffe mir einen Freiraum, um mich nicht von allen Seiten budern zu lassen." - The Schwarzfahrer

Begonnen hat alles mit einem Foto, das den Schwarzfahrer auf dem Dach einer fahrenden U-Bahn zeigte. Die Spekulationen über die Echtheit gingen im Boulevard schnell los. Der Wiener Linien-Sprecher Dominik Gries erklärte damals gegenüber der Tageszeitung Heute, auch als Warnung an mögliche Nachahmer: "Auf einer fahrenden U-Bahn kann sich niemand halten."

Das Bild war tatsächlich eine Fotomontage, die ein Fan ins Netz gestellt hatte – aber die Ansage von Unternehmenssprecher Gries weckte beim Schwarzfahrer den Ehrgeiz, die Aktion in die Wirklichkeit umzusetzen. "Das wollte man nicht auf sich sitzen lassen", erklärt uns der Schwarzfahrer. Also habe man sich entschlossen, den Gegenbeweis anzutreten.

Seine neueste Aktion ist genau das: Ein Video davon, wie auf einem U-Bahn-Dach gesurft wird. "Niemand hat irgendwas bemerkt. Der Fahrer hat die ganze Zeit über nichts gesehen", sagt der Schwarzfahrer rückblickend. Das Ganze soll aber keine Aufforderung zur Nachahmung sein, wie er betont (zu Beginn des Videos heißt es deshalb auch "Think before you move"). Viel eher gehe es ihm darum, einen Kommentar auf die Nutzung des öffentlichen Raumes abzugeben.

Anzeige

Das Ride-Video wurde am Freitag im Rahmen der "Ridin' Dirty Show" in Wien präsentiert. Hier könnt ihr es in voller Länge sehen.

"Ich habe seit langem ein ganz besonderes Verhältnis zu den Wiener Linien", erklärt der Schwarzfahrer im Gespräch mit VICE. Das gilt spätestens seit der Weltrekord-Aktion im Jahr 2014. Damals reagierten die Wiener Linien tendenziell eher wenig amüsiert.

"Wäre ich deren PR-Typ gewesen, hätte ich ein Meeting mit mir organisiert und mir an ihrer Stelle ein Jahresticket geschenkt", meint der Schwarzfahrer heute. "Aber nein – stattdessen haben die sich von mir extrem ans Bein pissen lassen, als kleinen Mann. Und das, obwohl sie ein riesiges, teilprivatisiertes Unternehmen sind. Das hat mich umso mehr bestärkt, die Sache weiterzuführen."

Dabei gehe es ihm auch nicht nur um reine Provokation, sondern um die Frage, was "öffentlich" überhaupt bedeute – und für wen eine Gesellschaft ihre Dienstleistungen zugänglich mache, wie der Schwarzfahrer im VICE-Interview erklärt.

"Meiner Meinung nach ist die Formulierung 'öffentlicher Verkehr' problematisch, wenn man dafür zahlen muss. Da könnte ich auch sagen, dass meine Wohnung 'öffentlicher Raum' ist – zumindest für jeden der einen Schlüssel hat, was in dem Fall eben nur ich wäre", kritisiert der Schwarzfahrer die Zugangsbeschränkungen der Wiener Linien.

Das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau und vermutlich muss sich die Gesellschaftskritik des Schwarzfahrers auch die Lieblingsfrage aller Gabalier-Fans – nämlich "Haben wir keine größeren Probleme?" – gefallen lassen. Die Antwort könnte lauten: In einer Stadt, in der Schwarzfahren und U-Bahn-Riden ernsthaft noch für einen Skandal reichen, haben wir wohl insgesamt tatsächlich eher keine größeren Probleme.

Oder um es mit den Worten des Schwarzfahrers zu sagen: "In einer Welt voller Zwänge und Beschränkungen stelle ich mich wortwörtlich darüber – also aufs Dach – und schaffe mir einen Freiraum, um mich nicht von allen Seiten budern zu lassen."

Markus auf Twitter: @wurstzombie