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Dieser kanadische Politiker ist in Wirklichkeit Performancekünstler und hat jahrelang die Konservativen verarscht

15 Jahre lang. Wer ist Jan Böhmermann?

Chris Lloyd (links) mit Stephen Harper, dem kanadischen Premierminister. Foto via Chris Lloyds Website

Der plötzliche Rücktritt eines konservativen kanadischen Politikers hat sich als das neueste Kapitel einer künstlerischen Performance herausgestellt, die inzwischen schon 15 Jahre andauert.

Am Dienstag, den 12. Mai enthüllte CBC News, dass der „Politiker" Chris Lloyd, der um das Abgeordnetenamt für einen Wahlkreis in der Nähe von Montreal kandidierte, in Wahrheit ein Performancekünstler ist, dessen Ausflug in die Politik zum Ziel hatte, die kanadischen Torys „zu veräppeln".

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Lloyd, der im Wahlkreis Papineau gegen niemand Geringeren als den Chef der Liberal Party Justin Trudeau antrat, hat sich seitdem aus dem Rennen zurückgezogen. CBC gegenüber sagte er allerdings, seine „politische Karriere" sei „noch nicht vorbei."

Doch wenn man Lloyds Vergangenheit in Augenschein nimmt (ein Schritt, den die Torys wohl vernachlässigt hatten), dann wird deutlich, dass seine „Karriere" in Wirklichkeit der neueste Abschnitt in einer akribisch dokumentierten Serie künstlerischer Arbeit ist.

Auf einem seiner Blogs erklärt Lloyd, er schreibe während der Amtszeit von Jean Chrétien (1993-2003) angefangen, Briefe an die kanadischen Premierminister zu schreiben.

„Im Jahr 1999, zur Zeit meines ersten Studiums am Nova Scotia College of Art and Design, fing ich an, täglich tagebuchartige Briefe an Premierminister Jean Chrétien zu schreiben", schreibt er.

„Das Projekt begann als eine Art Charakterstudie. Ich wollte herausfinden, wie gut ich den Premier kannte", heißt es in dem Blogeintrag. „Wie gut kennt denn überhaupt jemand unsere politischen Vertreter, Fernsehstars und Sporthelden?"

Lloyds Briefe sind seitdem in mehrere künstlerische Ausstellungen aufgenommen worden. Die Synopse einer Ausstellung von 2009 in Val D'or beschreibt mehrere seiner Projekte, darunter hyperrealistische Gemälde, Videomontagen und Objekte, die aus den Briefen selbst hergestellt wurden, wie zum Beispiel Papierflieger und Hockey-Skulpturen aus Pappmache.

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Sein Blog erklärt, er habe auf seine mehr als 2.000 Briefe innerhalb eines Jahrzehnts der Korrespondenz nur „eine Handvoll" Antworten bekommen, und zwar „alles von Sekretariatsangestellten unterschriebene Standardschreiben."

In einer auf Video aufgezeichneten Rede, die er auf einer Kunstkonferenz in Fredericton hielt (und welche die CBC in ihren Besitz bringen konnte), erklärt Lloyd, wie er den Schritt von seiner „Briefkunst" zum tatsächlichen politischen Amtsanwärter machte.

Laut den CBC-Berichten beschreibt er, wie er das konservative Büro für seinen Wahlkreis kontaktierte und ihnen von einem künstlerisch inspirierten, politischen Projekt erzählte. Außerdem bat er darum, die bevorstehende Nationalversammlung besuchen zu dürfen.

Trotz seiner Ehrlichkeit gab man Lloyd immer mehr Verantwortung, was in seiner Ernennung zum offiziellen Tory-Kandidaten gipfelte—in einem Wahlkreis, der noch nie konservativ gestimmt hat.

All das geschah, obwohl Lloyd anfangs Hinweise auf seine Absichten gegeben hatte und obwohl Fotos seiner Ausstellungen und Verweise auf sein Briefprojekt so leicht zu finden sind.

Der Sprecher der konservativen Partei, Cory Hann, lehnte es ab, den Überprüfungsprozess für Kandidaten zu beschreiben, und nannte dies VICE gegenüber „eine interne Parteiangelegenheit".

Dennoch scheinen gewisse Teile von Lloyds Kampagne ernst gemeint gewesen zu sein. 2011, etwa zu der Zeit, als er die Nationalversammlung der Konservativen besuchte, spendete Lloyd 600 Dollar an die Partei (wobei es sich bei dem Betrag auch um die Kosten für die Versammlung handeln könnte). Und auf seinem offiziellen Blog ist eine Fotocollage, die Lloyd mit bekannten Torys und konservativem Eifer zeigt. Auf einem Bild posiert er zwischen dem Tory-Chef und Premierminister Stephen Harper und einem Baby; darunter steht: „Starke, stabile, nationale, konservative Mehrheitsregierung."

Lloyds wahre Gesinnung ist zwar nicht ganz so einfach zu ergründen, doch Elemente wie dieses Video und seine Mitgliedschaft in der Anti-Harper-Gruppe LeadNow legen nahe, dass Lloyd alles andere als konservativ eingestellt ist.

Als er auf Twitter gefragt wurde, ob sein Rücktritt bedeute, dass er nun auf die andere Seite wechseln werde, antwortete Lloyd: „Die andere Seite meines Büros, meiner Küche oder meines Schlafzimmers?"

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