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Nordkorea behauptet, erfolgreich eine Wasserstoffbombe getestet zu haben

In den nordkoreanischen Medien heißt es, dass eine kleine H-Bombe erfolgreich zur Detonation gebracht wurde. Experten stehen dieser Behauptung jedoch eher kritisch gegenüber.
Foto: Imago/Xinhua

Nordkorea hat verkündet, eine kleine Wasserstoffbombe erfolgreich zur Explosion gebracht zu haben. Diese Nachricht folgte auf ein verdächtiges Erdbeben, das in der Nähe der Gegend registriert worden war, wo das Land in der Vergangenheit schon drei Atomwaffentests durchgeführt hat.

In einer Wasserstoffbombe—auch unter der Bezeichnung „thermonukleare Bombe" bekannt—kommt fortschrittlichere Technologie zum Einsatz, um eine erheblich größere Explosion als andere nukleare Waffen zu verursachen. Der erfolgreiche Test einer Wasserstoffbombe wäre militärisch gesehen ein großer Fortschritt für Nordkorea—und gleichzeitig eine beunruhigende Entwicklung für Japan, Südkorea und die USA (die in der Region mehrere Militärstützpunkte haben).

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Kim Jong-un erzählte bereits Anfang Dezember davon, dass Nordkorea eine Wasserstoffbombe entwickelt hätte, aber diese Behauptung wurde von der Welt dann doch eher mit Zweifel zur Kenntnis genommen. Der Test erfolgte nun zwei Tage vor dem 33. Geburtstag des nordkoreanischen Staatsoberhaupts am 8. Januar.

Der angebliche H-Bomben-Test wurde in einer Fernsehübertragung verkündet und die nordkoreanischen Medien meinten dabei, dass das Ganze ein „Akt der Selbstverteidigung" gegen die USA und andere augenscheinliche Bedrohungen für das fernöstliche Land sei.

„Nordkorea sah sich aufgrund der feindseligen Politik der Vereinten Nationen gegen Korea dazu gezwungen, sein nukleares Waffenarsenal weiterzuentwickeln", sagte die nordkoreanische Nachrichtensprecherin laut einer von der Washington Post angefertigten Übersetzung. „Als friedliche und atomgetriebene Nation wird Nordkorea jedoch als verantwortungsvoller Staat auftreten, die nuklearen Waffen erst nach einem Angriff einsetzen und die Technologie nicht an Dritte weitergeben."

Atomwaffenexperten betonten direkt nach Nordkoreas Verkündung, dass der Wasserstoffbombentest noch nicht bestätigt worden sei.

„Nordkorea hat in der Vergangenheit schon viele Behauptungen bezüglich seines Nuklearprogramms aufgestellt, die durch intensive Nachforschungen dann nicht bestätigt werden konnten", meinte Melissa Manham, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center for Nonproliferation Studies, gegenüber VICE News. Sie erklärte uns, dass die USA nun wohl dabei seien, so nahe wie möglich an den Testort heranzukommen, um den dortigen Radionuklid-Wert zu messen. So könnte man feststellen, welcher Bombentyp getestet wurde. „Dann ist es ihnen vielleicht möglich, genau herauszufinden, ob es sich wirklich um eine H-Bombe handelt oder nicht", sagte sie.

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We won't know if it's an actual 'H-bomb' until radiation is detected. Even so, we have not always been able to detect it in time.

— Melissa Hanham (@mhanham)6. Januar 2016

Dem US Geological Survey (USGS) zufolge wurde im Nordosten des Landes (ungefähr 370 Kilometer nordöstlich von Pjöngjang) um 10:00 Uhr Ortszeit ein Erdbeben der Stärke 5,1 gemessen. Der Ort des Geschehens befindet sich knapp 50 Kilometer vom Atomtestgelände Punggye-ri entfernt, wo Nordkorea in der Vergangenheit drei Atomwaffentests durchgeführt hat. Das USGS gab zuerst an, dass das Beben ungefähr zehn Kilometer unter der Erdoberfläche stattgefunden hat, korrigierte sich dann jedoch und meinte, dass das Beben direkt an der Erdoberfläche aufgetreten wäre.

Der letzte nordkoreanische Atomwaffentest fand 2013 statt und dabei wurde vom US Geological Survey ebenfalls ein Beben mit einer Stärke von 5,1 registriert. Die gleichartige seismische Aktivität während der aktuellsten Detonation heizt nun Spekulationen darüber an, dass Nordkorea eine Nuklearwaffe getestet haben könnte, die den vorherigen gleicht und von den Behörden einfach nur als H-Bombe verkauft wird.

„Ich bin der Meinung, dass die [seismische] Welle dieses Tests vorhergegangenen Tests gleicht—und damals handelte es sich nicht um Wasserstoffbomben", meinte Hanham.

Die nordkoreanischen Staatsmedien beschrieben die H-Bombe als „miniaturisiert" (je nach Übersetzung auch als „klein"), was für die schwächeren seismischen Wellen verantwortlich sein könnte, die aufgezeichnet wurden. Hanham gab hierzu an, dass die Wortwahl wichtig sei, denn eine Verkleinerung der Waffen könnte es theoretisch möglich machen, diese an Raketen anzubringen und so Ziele außerhalb des Landes anzugreifen.

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„In der Vergangenheit hat Nordkorea auch die Wörter ‚miniaturisieren' oder ‚Miniaturisierung' benutzt", erzählte Hanham. „Leider ist ihnen auch klar, dass das für uns so etwas wie Trigger-Wörter sind. Eine Atomwaffen zu besitzen, ist eine Sache, eine Atomwaffe abzufeuern und ans Ziel zu bringen, eine andere. Man geht davon aus, dass sie den Sprengkopf miniaturisieren müssen, um ihn an einer Rakete anzubringen."

Overlay of seismic waveforms for station MDJ for North Korean tests suggests similar size to 2013 via — Jascha Polet (@CPPGeophysics)6. Januar 2016

Dr. Ferenc Dalnoki-Veress, ein Nuklearphysiker und Wissenschaftler am Middlebury Institute of International Studies in Monterey, sagte, dass es durchaus möglich sei, dass sich Nordkorea im Besitz der Materialien befindet, die für den Bau einer Wasserstoffbombe nötig sind. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass dort bereits die erforderliche Technologie vorhanden ist, um eine solche Bombe auch erfolgreich zur Detonation zu bringen.

„Sie haben vielleicht die nötige materielle Grundlage, aber die entscheidende Frage lautet eher, ob sie auch das Know-How oder fähige Nuklearphysiker und so weiter besitzen. Ich persönlich bezweifle das", erklärte er.

H-Bomben-Explosionen sind noch mal mehrere Stufen heftiger als die Atombomben, die von den USA während des Zweiten Weltkriegs über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Gemessen an den heutigen Standards sind diese beiden Waffen relativ primitiv und erzeugten Explosionen mit einer Stärke, die mit weniger als 20 Kilotonnen TNT vergleichbar ist. Moderne Wasserstoffbomben können Detonationen von mehr als 50.000 Kilotonnen verursachen.

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Dalnoki-Veress meinte, dass es zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich sei, dass Nordkoreas Bombe klein ausfällt, denn sie haben einfach nur die Technologie getestet und hatten wohl nicht das Ziel, eine größere Explosion hervorzurufen. Er betonte jedoch auch, dass das nur „sehr schwer durchzuführen" wäre.

„Wenn sie sagen, dass sie im Besitz einer Wasserstoffbombe sind, dann könnte das auch bedeuten, dass sie nur eine sehr schwache H-Bombe gebaut haben, mit der keine große Explosion hervorgerufen werden soll. Sie wollen einfach nur beweisen, dass sie zu dem Ganzen in der Lage sind", erklärte Dalnoki-Veress. „Es kann auch sein, dass sie nur einen Test kleineren Umfangs durchgeführt haben. Das wäre jedoch nicht der Sinn und Zweck einer Wasserstoffbombe, denn eigentlich will man damit eine möglichst große Explosion verursachen."

Das südkoreanische Präsidentschaftsamt hat sofort ein Notfall-Sicherheitsmeeting einberufen. Und auch der UN-Sicherheitsrat wird wohl zusammenkommen, um die Situation in Nordkorea zu besprechen.

Nordkoreas letzter Atomtest fand im Februar 2013 statt und hatte strenge Sanktionen von Seiten der Vereinten Nationen zur Folge. Damit sollten weitere Tests verhindert werden. Die anderen beiden Atomtests Nordkoreas ereigneten sich in den Jahren 2006 und 2009.

Experten von 38 North, einer Einrichtung der John's Hopkins University, die Nordkoreas Waffenprogramm observiert, hat vor Kurzem Satellitenbilder analysiert, die im Dezember gezeigt haben sollen, wie in Punggye-ri ein neuer Nukleartest-Tunnel gegraben wurde.

Aus dem Weißen Haus hieß es, dass man derzeit nicht sagen könnte, ob Nordkorea nun wirklich eine Wasserstoffbombe getestet hat oder nicht.

„Zwar können wir diese Behauptungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigen, aber trotzdem verurteilen wir jegliche Verletzung der Entschlüsse des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und fordern Nordkorea dazu auf, sich an seine internationalen Pflichten und Verbindlichkeiten zu halten", sagte Ned Price, der Pressesprecher des Sicherheitsrats des Weißen Hauses, in einem Statement.


Titelfoto: Imago/Xinhua