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Wahlen 2015

Was habt ihr nur? Die SVP war schon immer gegen Frauen

Die SVP macht wieder einen geschmacklosen Witz übers Schänden. Alle sind empört, obwohl das nichts Neues ist. Denn die Sonnenpartei politisiert und „witzelt" schon seit Jahrzehnten auf Kosten der Frauen.
Foto von Metropolico.org

Dass die (St. Galler) SVP und ihr Parteipräsident Toni Brunner sich erneut über K.O.-Tropfen lustig machen, sorgt für einen Aufschrei in der Schweizer Medienwelt. Obwohl diese Entrüstung nichts weniger als absolut berechtigt ist, sollte uns das Verhältnis der wählerstärksten Partei in der Schweiz zum Thema Vergewaltigung nicht im Geringsten überraschen. Und zwar nicht erst, seit Thomas Aeschi im „Welcome to SVP"-Video einen Shot kippt und dann mit dem Kopf auf den Tisch knallt, auf welchem ein Fläschchen K.O.-Tropfen steht.

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Die SVP versucht seit Jahrzehnten die Rechte der Frauen klein zu halten, ein veraltetes Rollenbild zu erhalten und Vergewaltigung zu verharmlosen. Dass dann einzelne Exponenten sogar mit Menschenhändlern und Zuhältern in Verbindung gebracht werden, passt leider schon fast ins Bild.

„Der Ehemann ist das Haupt der Gemeinschaft"

Wäre es in der Vergangenheit immer nach dem Willen der Sünneli-Machos gegangen, dann dürften Frauen nicht wählen und sich nicht wählen lassen dürfen—und arbeiten auch nur, wenn ihr Mann das erlaubt. Zugegeben existierte die Partei gar noch nicht, als die Schweiz nach Jahrzehnten des Kampfes das Frauenstimmrecht 1971 endlich annahm. SVP-Vater Christoph Blocher soll aber damals schon gemeint haben, dass sei „der grösste Fehler", den der Schweizer Souverän „je begangen" habe, wie die SVP-kritische Facebook-Seite Die Superschweizer) (leider ohne Quellenangabe) letzthin postete.

Im selben Duktus ging es dann weiter, von damals bis heute. Als 1988 das Schweizer Eherecht aus dem Mittelalter in moderne Zeiten überführt werden, also Sätze wie „Der Ehemann ist das Haupt der Gemeinschaft. Er bestimmt die eheliche Wohnung" oder „Der Ehemann verwaltet das eheliche Vermögen" gestrichen werden sollten, wehrte sich die SVP mit aller Kraft dagegen und Familienoberhaupt Blocher sah wiederum den Frieden in der Schweiz bedroht, wie er in diesem Video aus dem SRF-Archiv erklärt (ab 6:35).

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via Youtube.

„Frausein" ist kein politisches Programm

Im Jahr 2003 versuchten 38 von 44 SVP-Nationalräten zu verhindern, dass die Vergewaltigung in der Ehe als Offizialdelikt zu gelten kommt. Dankbarerweise erfolglos. Ebenso erfolglos sträubten sich 4 Jahre später 6 SVP Politiker gegen eine Mehrheit von 15 Mitgliedern der Rechtskommission des Nationalrats dagegen, den juristischen Begriff der Vergewaltigung auf Handlungen, die sich nicht auf den effektiven Geschlechtstakt beschränken, auszuweiten. In allfälligen Gerichtsfällen kommt es eben auf die Details an.

Im selben Jahr liessen die SVP-Politikerinnen zum Frauentag verlauten, dass „Frausein" sei für sie kein politisches Programm. So stellen sich auch die weiblichen Vertreterinnen der SVP seit jeher aktiv gegen das Recht über den eigenen Körper zu bestimmen (zum Beispiel im Falle einer Abtreibung), gegen Mutterschaftsurlaub und gegen die staatliche Unterstützung der Kinderbetreuung.

Foto von Yves Bachmann

Oder mit SVP-Bundesrat Ueli Maurer gesprochen, als er 2014 für neue Kampflugzeuge warb: „Wie viele Gebraucht-Gegenstände, die älter als 30 Jahre sind, haben sie noch Zuhause?" Antwort: „Bei uns sind das nicht mehr viele, ausser natürlich die Frau, die den Haushalt schmeisst." Ein Witz, natürlich. Ein Witz aber, wie man ihn beim Feierabendbier am Stammtisch reisst, bevor man nach Hause geht, wo das Essen und die liebe Frau auf einen wartet.

Mit brutalen Menschenhändlern zusammenzuarbeiten ist nicht so schlimm

Der SVP aber vorwerfen, sie würde die Frau nur als Kombi-Gerät aus Backofen, Staubsauger und Gebärmaschine betrachten, wäre ihr Unrecht getan. Sie weiss durchaus auch um die sinnliche, sexuelle Komponente der Weiblichkeit.

Der heutige Urner SVP-Politiker Christian Gerig etwa war vor fünf Jahren in einen Menschenhandel-Skandal involviert. Vor seiner Karriere als Gemeinderat war er Inhaber der Porno-Seite swissfuckers.ch. Dort arbeitete Gerig unter anderem mit einem Zuhälter zusammen, der später wegen Menschenhandels und weil er eine schwangere Prostituierte in den Bauch geboxt und getreten hat, bis sie eine Fehlgeburt erlitt, verurteilt wurde.

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Als Gerig von den Medien in seiner heutigen Rolle als Politiker damit konfrontiert wurde, antwortete er, dass er nicht gewusst habe wie brutal sein Geschäftspartner war. Der Präsident der SVP im Kanton Uri kommentierte die ihm anscheinend unbekannte Geschichte mit „solange sich Herr Gerig nicht strafbar gemacht hat, sehe ich kein Problem." Er antwortete nicht mit „diesem Vorwurf muss ich nachgehen", nicht mit „sowas darf nicht passieren"—stattdessen entschied er sich für ein verharmlosendes „das wird schon nicht so schlimm sein".

Das dachte übrigens auch Christoph Mörgeli, als er diesen Frühling auf die (mittlerweile fallen gelassene) Anklage gegen Parteifreund Markus Hürlimann angesprochen wurde. Ein Frau bezichtigt einen Mann der Vergewaltigung beziehungsweise Schändung, das Gerichtsurteil war noch nicht gefällt, das von Mörgeli aber schon. Auf Tele Züri bezeichnete er Jolanda Spiess-Hegglin als ein ganz „ausgekochtes Luder".

Swiss Girls Vote SVP! Really?

via Facebook.

Umso ironischer ist es, dass die SVP jetzt, auf den Wahlsonntag hin, ihre Kampagne mit Frauen zu bestücken, um nicht zu sagen schmücken versucht. Beziehungsweise die paar Wenigen, die sie hat—mit 19.3% der Kandidierenden bildet sie das Schlusslicht in Sachen Frauenanteil unter den Parteien—zur Abwechslung mal nach vorne stellt anstatt an den Herd.

Da wirkt Poster Nummer zwei unter diesem Motto schon fast emanzipatorisch: Zwei Frauen in Militäruniform und eine Feuerwehrfrau als Beweis gegen die Meinung „Die SVP will doch alle Frauen an den Herd stellen". Nein, wollen sie nicht. Oder nicht nur, denn scheinbar ist es für die SVP ganz OK, wenn die angehenden Mütter vorher noch schnell im Kämpfer und dann ab und zu als Feuerwehrdame abends anpacken lernen.

„Frei bleiben! SVP wählen", so befielt es seit einigen Wochen überall in der Schweiz von den Plakatwänden. Wie die Ritter im Märchen werfen sich die Recken der SVP begleitet vom treuen Willy in die Schlacht gegen Steuern erhebende Landvögte aus Bern, gegen die Regulierer zu Brüssel und gegen ausländische Diebe und Vergewaltiger. Und tragen danach die holden Jungfern zurück ins heimische Schloss. Was die Frauen dann dort erwartet, hat die SVP in der Vergangenheit nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten klar gemacht.

Vice Schweiz verfolgt und kommentiert die Wahlen auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild: Metropolico.org | Flickr | CC BY 2.0