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Als Teenager wurde Nialls Verhalten nicht auf ADHS zurückgeführt. „Wenn ich nicht genug Stimuli bekomme, dann erschaffe ich mir meine eigenen Stimuli", erklärt er. Für ihn waren diese Stimuli Alkohol und Drogen. Ab seinem 15. Geburtstag trank er jedes Mal bis zum Filmriss; mit 20 hatte sein Kokainkonsum zwanghafte Züge angenommen und manchmal schluckte er bis zu fünf Ecstasy-Tabletten auf einmal. Er betont, dass es ihm dabei nie um Spaß ging—er tat es aus Verzweiflung.Mit 18 zog er von Nordirland nach New York, wo er „jeden Cent für Alkohol ausgab". Danach ging es von Stadt zu Stadt: Liverpool, Galway, Dublin. Er konnte keinen Job über längere Zeit halten. Alles war instabil. Wenn er nicht trank, warf er sein Geld in Spielautomaten.„ADHS ist so", sagt er: „Du wachst auf, alles ist gut. Bis 17 Uhr ist dein Leben dann aber ein einziges Desaster. Du musst dir einen neuen Job suchen. Man hat dich aus der Wohnung geworfen. Sobald eine Sache schief läuft, läuft alles schief."„ADHS ist so: Du wachst auf, alles ist gut. Bis 17 Uhr ist dein Leben dann aber ein einziges Desaster. Sobald eine Sache schief läuft, läuft alles schief."—Niall Greene
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Nachdem er eine Entzugsklinik besucht hatte, ging Greene zu einem Psychiater, der die Vermutung nahe legte, dass Niall wahrscheinlich ADHS hat. Es war das erste Mal, dass jemand diese Diagnose in Erwägung gezogen hatte. Greene fand ein Buch über die Störung im einzigen Buchladen seines Ortes, aber darin stand nichts darüber, wie Erwachsene damit umgehen.Das liegt wahrscheinlich daran, dass laut Dr. Howard Schubiner, der mehrere Untersuchungen zu der Störung durchgeführt hat, bis vor Kurzem die Existenz von ADHS bei Erwachsenen nicht für möglich gehalten wurde. „Es wurde immer angenommen, dass es eine Störung sei, die nur Kinder betrifft und sich von selbst erledigt, sobald die Kinder in die Pubertät kommen."Die amerikanische Behörde Centers for Disease Control and Prevention schätzt, dass allein in den USA 6,4 Millionen Kinder im Alter zwischen 4 und 17 Jahren mit ADHS diagnostiziert wurden—diese Kinder werden dann allerdings älter und die Ärzte müssen feststellen, dass ADHS mit dem Alter nicht verschwunden ist. Etwa 4,4 Prozent aller erwachsenen Amerikaner sind von ADHS betroffen, was laut einer Schätzung aus dem Jahr 2000 das Gesundheitssystem und die Wirtschaft durch verlorene Arbeitszeit etwa 31,6 Milliarden US-Dollar kostet.Das Problem ist allerdings, dass sich ADHS im Erwachsenenalter in unterschiedlicher Form manifestiert. Die Hyperaktivität scheint zwar etwas zurückzugehen, wenn das Kind älter wird, aber die Aufmerksamkeitsdefizite bleiben. „Sie sind immer noch da, nur sind sie in gewisser Weise verinnerlicht", sagt Schubiner. Und eine der Formen, in denen sich das bei Erwachsenen zeigt, ist das Suchtverhalten. In einer Studie von 2005 gab Schubiner an, dass 20 bis 40 Prozent aller Erwachsenen mit ADHS irgendwann in ihrem Leben mit Drogenproblemen zu kämpfen hatten.
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Für Greene scheint das Gegenteil zu gelten. Die Behandlung seiner Alkohol- und Drogensucht eröffnete ihm die Möglichkeit, diagnostiziert zu werden, und endlich hat er das Gefühl, selbst die Kontrolle über sich zu haben. Vor drei Jahren rief Greene dann Adult ADHD NI ins Leben—eine Nonprofit-Organisation, die anderen Erwachsenen mit dieser Störung in Nordirland hilft. Er hat es sich vor allem zur Aufgabe gemacht, Kindern und Erwachsenen zu helfen, denen es so wie ihm früher geht—auch wenn manche Ärzte weiterhin der Meinung sind, dass ADHS nicht existiert. „Ich stelle mich gerne dieser Herausforderung", sagt er.Greene erinnert sich noch sehr gut an dieses Gefühl der Verlorenheit. Er sieht die Erleichterung in den Gesichtern seiner Klienten, wenn sie merken, dass sie nicht die einzigen sind, die sich so fühlen. Gemeinsam hat man es eben leichter.Sie seien alle begabt, sagt er—nur leicht abzulenken. Er kennt das Gefühl zu gut.Noisey: Ein Einblick in Pete Dohertys Leben in einer thailändischen Entzugsklinik