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Sex

Der VICE Guide zu temporären, sexuellen Winterbeziehungen

Der Thermometer sagt: Es ist wieder an der Zeit, sich einen vorübergehenden Bettpartner zuzulegen, denn niemand hat Bock auf Frostbeulen im Genitalbereich.
Hannah Ewens
London, GB

Die Blätter nehmen leuchtend bunte Farben an und fallen von den Bäumen. Ein kalter Windhauch kriecht deinen Rücken runter, während du deinen Mantel auf dem Weg zur Arbeit etwas fester um den Körper schlingst. Irgendetwas fühlt sich anders an, aber du bist dir nicht sicher, was und warum.

Veränderung liegt in der Luft und damit auch etwas Vages, Impulsives und Aufregendes. Diese Veränderung nennt man auch Gier. Gegen Ende des Jahres umhüllt uns diese Gier wie ein sexy Nebel und im Grunde handelt es sich dabei um Mutter Natur, die uns Menschen so dazu auffordert, uns wie notgeile Schraubstöcke aneinander festzuklammern, damit wir den Winter nicht nur mit einer Schüssel Suppe und einem Schal verbringen müssen.

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Wir befinden uns nun in der sogenannten "Cuffing"-Zeit, von "to cuff"—Handschellen anlegen. Laut Urban Dictionary bezeichnet dieser Ausdruck den Moment, in dem selbst überzeugte Singles und promiske Menschen zusammen mit dem Rest der Welt den Drang verspüren, eine ernsthafte Beziehung einzugehen. In anderen Worten: Die Wohnung zu verlassen, ist jetzt schrecklich, denn es ist arschkalt und die Sonne geht schon um 16:30 Uhr unter—wer will mich also oral befriedigen, während ich Netflix schaue?

Laut der Website HelloGiggles.com dauert die Cuffing-Zeit von November bis März. Es handelt sich hier nicht um irgendeinen weiteren dummen Millenial-Trend, sondern um eine weit zurückgehende, evolutionäre Tatsache. Als die Tage länger wurden und weniger Essen und Brennholz zur Verfügung standen, mussten sich schon unsere Vorfahren einen Partner bzw. eine Partnerin suchen und drauflos schnackseln—und zwar aus zwei Gründen: Körperwärme und der Wunsch nach Kindern, die sich später um sie kümmern.

Der Teil mit dem Nachwuchs rückt heutzutage sehr weit in den Hintergrund, aber das Verlangen nach einem Menschen, mit dem man gemeinsam masturbieren kann, ist weiterhin ungebrochen.

Aus diesem Grund haben wir für euch einen nützlichen Guide zusammengestellt, der euch ausführlich erklärt, wie man sich erfolgreich durch die dunklen Monate der winterlichen Partnersuche navigiert. Bitteschön!

Foto: Bruno Bayley

Die Jagd

Beim Cuffing kannst du alle bestehenden Flirtmuster getrost über Bord werfen, denn es ist egal, ob du normalerweise selbst auf die Pirsch gehst oder eher der Gejagte bist. In den kommenden Monaten geht es einfach nur darum, so viel Scheiße wie möglich an die Wand zu werfen und zu schauen, was kleben bleibt. Und mit Scheiße sind hier unbeholfene Nachrichten um 02:00 Uhr gemeint und mit Wand deine gesamten Social-Media-Freunde.

Die Vorbereitungsphase

Fahr dein inneres Navigationssystem hoch, denn du wirst es brauchen, um dich im Wirrwarr deines notgeilen sozialen Umfelds zurechtzufinden. Die Vorbereitungsphase dauert normalerweise von Mitte September bis Anfang November und in diesem Zeitraum kommen alle deine ehemaligen Bettpartner bzw. Bettpartnerin wieder aus ihren Löchern gekrochen und du heißt sie herzlich willkommen. Alles ist möglich und diese "Ich ficke nur mit Menschen, die mir wirklich gefallen"-Einstellung des Sommers ist passé.

Nein, stattdessen erweckst du drei Monate alte und längst im Sand verlaufene WhatsApp-Chats wieder zum Leben und interessierst dich auch wieder für Leute, die du aufgrund ihrer kruden Twitter-Posts eigentlich schon aussortiert hattest. Gegen Ende der Vorbereitungsphase hast du deine potenziellen Cuffing-Kandidaten bzw. Kandidatinnen dann gründlicher abgecheckt als das Sicherheitspersonal am Flughafen.

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niedliches Getue

Wenn dir deine sozialen Kontakte plötzlich Fotos von süßen Tierbabys zuschicken, allgemein viel netter und gesprächiger daherkommen, dir irgendwelche Gefallen tun wollen oder dir beim Treffen als Erstes einen dampfenden To-Go-Kaffee überreichen, dann bist du voll in der Cuffing-Zeit angekommen.

Du denkst dir: "Oha, schon irgendwie komisch. Der gleiche Typ, der mir letztes Jahr noch dieses unvorteilhafte und verschwommene Foto von seinem Schwanz geschickt hat, verziert seine Privatnachrichten jetzt plötzlich mit Kuss-Smileys und schreibt ganz ironiefrei 'Aaaaawww'." So läuft es in den kommenden Monate nun mal. Die Männerwelt sehnt sich nach Zweisamkeit, lass dir da keinen Bären aufbinden.

Alternativ kannst du diese falsche Süßholzgeraspelei auch sein lassen und den Kontakt auf Folgendes beschränken: Fahr spät abends einfach zur Wohnung deines Schwarms und schicke ihm oder ihr dabei ein verruchtes Selfie mit den Worten "Ich bin gleich bei dir". Mehr braucht es eigentlich gar nicht.

Die Sache mit den Ex-Partnern

Wenn es einen Menschen gibt, der dich mit Sicherheit an die Vorteile der Zweisamkeit erinnert, dann ist das deine verflossene Liebe, die demnächst wieder an deine Tür klopfen wird. Dieser Mensch weiß, wie du am schnellsten und ohne großen Aufwand zum Orgasmus kommst, wie anstrengend du sein kannst und wie viel Oralsex/Essen du brauchst.

Und auch du kennst dessen schlechte Angewohnheiten und kannst deswegen wohlüberlegt entscheiden, ob du dich wieder in alte Fahrwasser begeben willst. Daran ist übrigens überhaupt nichts verwerflich, denn Ex-Partner sind im frostigen Winter eine verlässliche Wärmequelle.

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Foto: Ryan Harvey

Die Deadline

Bis Ende November musst du eine Entscheidung getroffen haben: Welchen der Menschen, mit denen du jetzt wieder angebandelt hast, wirst du nun dazu zwingen, dich bis zum Ende der Cuffing-Zeit auszuhalten? Den, der dir in den vergangenen sechs Monaten nach jedem deiner hochgeladenen Selfies eine Nachricht geschickt hat, aber immer noch nicht weiß, wie man deinen Nachnamen buchstabiert?

Oder doch eher den Ex-Kommilitonen, zu dem du schon eine langjährige platonische Freundschaft pflegst? Du hast eigentlich keine Ahnung, was genau auf dich zukommt. Im Grunde handelt es sich hier nämlich um Deal or No Deal—halt bloß mit Genitalien. Es ist also Vorsicht geboten.

Der Sex

Warum kommen zwischen Juli und Oktober so viele Kinder auf die Welt? Natürlich wegen der Cuffing-Zeit. Deine Produktivität wird einen Jahrestiefstwert erreichen, weil du quasi deine gesamte Arbeitszeit nur darauf verwendest, versaute Nachrichten hin- und herzuschicken sowie deine Brüste auf der Firmentoilette zu fotografieren.

Du wirst jede der eigentlich ziemlich unbequemen Stellungen ausprobieren, die diverse Lifestyle-Magazine anpreisen. Nach dem Sex wirst du eine weitere Runde einläuten und danach vielleicht noch eine—vorausgesetzt, du hast dir da unten nicht schon alles weggerubbelt. Aber selbst dann erwägst du es, noch einmal unter die Bettdecke zu hüpfen.

Der Albtraum namens Weihnachten

Der Haken einer Winterbeziehung ist folgender: Es lässt sich quasi nicht vermeiden, dass irgendeiner der Involvierten plötzlich Gefühle bekommt—die tödliche Krankheit aller lockeren Winteraffären. Vor allem an Weihnachten kann unglaublich viel schiefgehen. Deswegen streng dich da nicht zu viel an.

Ihr datet euch jetzt seit maximal acht Wochen oder so? Es gibt Lebensmittel, die länger halten. Kauf dir einfach sexy Unterwäsche und behaupte, dass du das nur für ihn bzw. sie gemacht hast. Ansonsten wird sich einer von euch in irgendwelche Gefühlsduseleien verrennen und es ist dann richtig unangenehm, wenn plötzlich Tickets für ein Konzert, das erst in sechs Monaten stattfindet, unterm Weihnachtsbaum liegen.

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Die Partys

Der Winter an sich ist schon schrecklich—selbst ohne die Geburtstagsfeiern irgendwelcher Bekannten, bei denen nicht mal die Garantie auf einen One-Night-Stand besteht. Ist dir schon mal aufgefallen, dass zwischen Dezember und März niemand alleine in die Bar kommt? Dank der Cuffing-Zeit hat nämlich jeder einen Partner—selbst wenn es nur für die Trinkgelage ist.

Der Moment, der das Herz und das Ego der Person, die das Ganze für mehr als nur eine temporäre Sache hielt, brutal bricht

Wie bitte? Du wusstest nicht, dass es so etwas wie die Cuffing-Zeit gibt, und die niederschmetternde Realität der Millenial-Beziehungskiste hat deine Hoffnungen schneller weggewischt als ein uninteressantes Tinder-Profil? Achtung, Newsflash: Das Leben ist hart. Genauso wie die Cuffing-Zeit.

Die Alternative

Weißt du eigentlich, wie viel Zeug du erledigen könntest, wenn du dich nicht dazu entscheidest, ständig Sex zu haben und dich mit dem Ego eines anderen Menschen herumzuschlagen? OK, heutzutage ist eine solche Aussage fast schon ein Fauxpas, denn wir scrollen uns ja sogar auf der Toilette durch Instagram-Accounts, um nicht alleine scheißen zu müssen.

Aber glaub mir, einfach mal etwas Zeit mit sich selbst zu verbringen, ist ebenfalls eine Option. Lern eine neue Sprache, bastel irgendwas oder probier ein paar neue Masturbationstechniken aus. Dann wirst du aus der Cuffing-Zeit nämlich als selbstverbesserter Gewinner hervorgehen, während dein soziales Umfeld nur noch aus zerbrechlichen Körperhüllen voller Gefühlsdramen und Blasenentzündungen besteht.

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Foto: Ben Bentley

Das Ende

Der Frühling ist da! Die Lämmchen blöken leise vor sich hin, die ersten Knospen öffnen sich und auch du kannst langsam wieder positiv in die Zukunft blicken. Der ideale Abschluss einer Cuffing-Beziehung sieht nun folgendermaßen aus: Ihr beide wisst genau, dass die Sache in naher Zukunft einfach verpuffen wird und ihr so mit Freude im Herzen wieder frei seid. Die Cuffing-Zeit ist vorbei und ihr könnt euch frohen Mutes erneut durch die Weltgeschichte ficken.

Die Enttäuschung

Natürlich gibt es aber auch das Szenario, in dem du zwar alles versuchst, aber alle Mühen vergebens sind. Du schaffst es nicht, irgendjemanden für die kalte Jahreszeit an dich zu binden, und verbringst den Winter deswegen ganz allein—so wie den vorherigen Winter auch. Und den Winter davor. Eigentlich dein gesamtes bisheriges Erwachsenenleben.

Du hast dir diesen Artikel mit einem Lächeln auf den Lippen durchgelesen, obwohl du seit sechs Monaten oder länger keinen Sex mehr hattest. Manchmal fragst du dich, ob du überhaupt noch weißt, wie Sex funktioniert, und googelst deswegen. Anschließend lachst du deine Sorgen nervös weg. Manchmal wird dir in einem Moment des blanken Horrors klar, dass es 01:00 Uhr ist und du schon seit Stunden masturbierst, weil in deinem Leben sonst absolut gar nichts passiert.

Dann erinnerst du dich jedoch daran, dass die nächste Cuffing-Zeit auf jeden Fall kommen wird. Aber teilen wir unser Leben jetzt wirklich in Sexzyklen ein? Cuffing, Sex, Cuffing, Sex? Egal, du masturbierst einfach weiter.