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Hitler, der größte Popstar aller Zeiten

Für uns hat Daniel Erk, der Autor des Hitlerblogs, seine Top 5 der überraschendsten, geschmacklosesten und irrsten Videos zu Hitler und dem Holocaust zusammengestellt.

Keine Woche vergeht, in der Hitler nicht in irgendeiner Weise in Hollywoodschnulzen, Internetforen, Popsongs, Pointen oder in der Werbung auftaucht. Seit 2006 schreibt der VICE-Autor Daniel Erk für die Zeitung taz das sogenannte Hitlerblog, in dem er mit besessener Akribie die vielen Hitler-Auftritte sammelt, einordnet und hinterfragt; gerade ist außerdem sein erstes Buch zu Hitler in der Popkultur erschienen.

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Für uns hat Daniel Erk seine Top 5 der überraschendsten, geschmacklosesten und irrsten Videos zu Hitler, dem Drittem Reich und dem Holocaust zusammengestellt.

Walt Disney: The Führer’s Face (1943)

Adolf Hitler: lächerlich. Mussolini und Hirohito: Trottel. Die Nazis: lächerlich. Die Deutschen: arme Schweine. In Walt Disneys The Führer’s Face bekommen alle hübsch ihr Fett weg. Dabei beschönigt der Disney-Film kaum und ist, hinter der niedlichen Optik, überraschend akkurat: Der irre deutsche Kriegsapparat, die verlogenen Durchhalteparolen, der Kontrollstaat der Nazis, alles, alles wird gezeigt. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, bin ich fast vom Stuhl gefallen: So politisch und treffend hatte ich Disneys Cartoons nicht in Erinnerung. Und im Disney Club haben sie das Video auch nicht gezeigt. Warum eigentlich nicht?

Saturday Night Life: What if… (1973)

Als Dani Levys Film Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler 2007 in die Kinos kam, war die Aufregung im Feuilleton groß: „Darf man das?“, fragten die nervösen Journalisten: Über Hitler lachen? Als hätte es Mel Brooks’ Frühling für Hitler nie gegeben—und nie die Witz von Saturday Night Life in den 70ern. Dabei macht sich der ebenso fabel- wie schmerzhafte Sketch What if… von ’73 nicht nur über den paranoiden Antisemitismus und die lächerliche Zackigkeit der Nazis lustig, sondern auch über die oberflächliche moralische Arroganz der Amerikaner—und über das Gewäsch der Nazi-Experten im Fernsehen. Würde Harald Schmidt heute solche Witze machen, würden die Gelegenheitsantifaschisten schrill aufschreien.

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Nazi UFO Commander: „Sacrificial War“ (2006)

Eines der irrsten und hartnäckigsten rechts-esoterischen Gerüchte über die Zeit nach 1945 besagt, die Nazi hätten nicht bloß mit der V2 die Grenze zum Weltraum erstmals überwunden, sondern gleich ganze Raumschiffe gebaut. So genannte Reichsflugscheiben gab es zwar nie, der Mythos aber hat ein veritables Eigenleben entwickelt. Und mit diesem Mythos spielen Nazi UFO Commander aus Italien. Selbst erklären Nazi UFO Commander ihre Musik so: „Nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung ist in der Lage mit der Großen Vision und Stimme, weil nur sie den Ausbruch des Unterbewusstseins in die Sphäre des Bewusstseins haben. Per Übertragung aus dem Süden Neuschwabenlandes beschwören Nazi UFO Commander einen Katalysator aus dem Chaos aus Raum, Radiowellen und Elektronik, der das zerfallene Bewusstsein wird zusammenfügen wird in dem er Eindrücke durch anhaltendes und aufmerksames Hören wieder verschlüsselt.“
In den verlässlich tumben Nazi-Foren im Netz wird zwar vermutet, es handle sich um „NS-Industrial“, aber was an diesem Unfug ernsthaft nationalsozialistisch sein soll, das wissen die Nazis natürlich auch nicht. Wenn einem der Bandname nicht schon Kopfzerbrechen bereitet, besorgt die Musik die entsprechenden Schmerzen nämlich im Handumdrehen: 9:23 Minuten wirres Geraune und Gefiepe, die Sounds anfahrender Autos und eine Stimme, die unverständlichen Quark erzählt.

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Slur: Hitler (2010)

Ob DAF das mit „Tanz’ den Adolf Hitler“ meinten? Vier Thais in NS-artigen, schwarzen Uniformen, die zu generischem Powerpop wie einer Mischung aus „Ketchup Song“ und Tai Chi tanzen und passend zum Refrain den Hitlergruß machen. Der Song „Hitler“ der thailändischen Indierockband Slur ist ein recht klassischer Fall von Hipstertum + Ahnungslosigkeit + Wille zur Provokation, und das alles auf maximal beknackten Abwegen. Jonathan Meese hätte sich das nicht schöner ausdenken können. Aber wie kamen diese jungen Herren in Bangkok bloß auf die Idee, das könnte lustig sein, was sie da machen? Immerhin waren Slur 2008 auf Deutschlandtournee.

Kenny Hotz: Rememberance Day (2010)

Der kanadische Komiker Kenny Hotz ist nicht dafür bekannt, sonderlich zimperlich zu Werke zu gehen. Er hat Episoden für South Park geschrieben und in seiner eigenen Serie Kenny vs. Spenny unter anderem Kotze gegessen oder Vogelscheiße von einer Windschutzscheibe geleckt. Auch dieser kurze Animationsspot zum Volkstrauertag ist brachial, geschmacklos und äußerst derb: Hotz persifliert in recht drastischer Manier den Sonderangebotswahn von Elektrodiscountern und den Hang so an den Haaren herbeigezogenen Anlässen für Preissenkungen. Ein Hitler, der in einem Kampfflieger zu hohe Preise bombardiert? Ein Sonderangebotsholocaust? Das ist nicht mehr hart an der Grenze – sondern meilenweit darüber hinaus. Überhaupt scheint Hotz, der aus einer jüdischen Familie stammt, von Holocaust und Drittem Reich bzw. deren medialer Verarbeitung besessen zu sein: Seine neue Serie heißt nämlich Kenny Hotz's Triumph of the Will.

Daniel Erk: Soviel Hitler war selten. Die Banalisierung des Bösen oder warum der Mann mit dem kleinen Bart nicht totzukriegen ist.
Heyne Verlag, München 2012. 240 S. 9,99 Euro.