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So viele Schüler wissen nicht, was Auschwitz war

Warum das gerade jetzt ein riesiges Problem ist.
Einfahrtsgebäude des KZ Auschwitz-Birkenau | Foto: imago | imagebroker

Es gibt Dinge, die muss man nicht zwingend wissen: dass die meisten Garnelen als Männchen geboren werden und erst später zu Weibchen werden. Dass sich in Hugh Hefners Playboy Mansion mal 123 Gäste im Pool die Legionärskrankheit einfingen. Dass der letzte Freitag im September der Tag des Deutschen Butterbrotes ist. Dann wiederum gibt es Dinge, die sollte man wissen. Zum Beispiel, dass Auschwitz-Birkenau ein Vernichtungslager war.

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Kein anderer Ort steht so sehr für den Holocaust: Zwischen 1940 und 1945 deportierten die Nazis schätzungsweise 1,3 Millionen Menschen dorthin und ermordeten die meisten von ihnen.


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Man kann davon ausgehen, dass die meisten Schüler die Grundlagen der Integralrechnung sofort nach ihrem Schulabschluss in die Tonne treten. Wenn ihnen vom Unterricht an deutschen Schulen aber eine Sache im Kopf bleiben sollte, dann, dass sie in einem Land leben, das für eines der größten und grausamsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte verantwortlich ist.

Eine Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung fand nun aber heraus: Vier von zehn Schülern hierzulande wissen nicht, dass Auschwitz-Birkenau ein Konzentrationslager war. Schaut man sich die Ergebnisse, wer weiß, was Auschwitz war, genauer an, sieht das wie folgt aus:

Screenshot: Körber-Stiftung

Bei den 14- bis 16-Jährigen wissen demnach sogar weniger als die Hälfte der Schüler, was in Auschwitz geschehen ist. In der Gesamtbevölkerung wissen es immerhin 86 Prozent.

Mehr als 1.000 Deutsche ab 14 Jahren, davon etwa die Hälfte Schüler, befragte das Meinungsforschungsinstitut forsa. Die Mehrheit der Schüler gab an, ihr Interesse an Geschichte sei "sehr groß" oder "eher groß". Neben dem Wissen über historische Ereignisse sind den Schülern im Geschichtsunterricht laut Umfrage besonders die Fähigkeiten wichtig, Lehren aus der Geschichte für aktuelle gesellschaftliche Themen ziehen und Inhalte kritisch hinterfragen zu können.

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Screenshot: Körber-Stiftung

Aus den Geschehnissen in Auschwitz-Birkenau könnte man eben diese Lehren ziehen: Der Einzug der AfD in den Bundestag mit ihren teils rassistischen Parolen und Aufmärsche von Neonazis überall in Deutschland zeigen, wie wichtig es ist, über den Holocaust Bescheid zu wissen. Sich bewusst zu sein, wozu es führen kann, wenn Menschen wie Alexander Gauland sagen: "Wir holen uns unser Land zurück." Lehren aus der deutschen Vergangenheit zu ziehen, bedeutet auch, kritisch zu hinterfragen, wenn gegen Minderheiten wie Ausländer und LGBTQs gehetzt wird.

Schuld sind nach Ansicht von Sven Tetzlaff, Leiter des Bereichs Bildung der Körber-Stiftung, weniger die Schüler, sondern vor allem die Bildungspolitik. "Mit Sorge beobachten wir, dass es in der Mittelstufe in immer weniger Bundesländern Geschichte als eigenständiges Schulfach gibt. Dies ist für mich einer der Gründe, warum erschreckend viele Schüler das Konzentrationslager nicht kennen", sagt er. "Ein weiterer Grund: Der Stundenumfang für Geschichte wird immer geringer."

Dabei ist es gerade jetzt, in einem Deutschland, das sich spürbar nach rechts bewegt, wichtig, dass Schüler sich mit dem Holocaust auseinandersetzen. Das gilt auch für den Rest der Bundesbürger. Zwar mögen die meisten wissen, was in Auschwitz passiert ist, aber erst Anfang des Jahres veröffentlichte die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau die Besucherzahlen von 2016. Das Ergebnis: Von insgesamt mehr als zwei Millionen Menschen kamen nur 92.000 aus Deutschland.

Das ist vermutlich im Sinne einiger Menschen in der AfD. Björn Höcke sprach bei einer Rede im Januar von einer "dämlichen Bewältigungspolitik". Fast gleichzeitig brachte die baden-württembergische Fraktion einen Antrag ein, Fördergelder für die NS-Gedenkstätte Gurs in Frankreich zu streichen. Die Schulen sollten diese Studie ernst nehmen, um zu verhindern, dass Schüler Geschichte so lernen, als hätte die AfD den Lernplan geschrieben.

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