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Scheißheiß: Der Sommer auf VICE

So wird der Sommer in Wien in 50 Jahren

Auf der "Wärmeinsel Wien" sollen sich die sehr heißen Tage bis 2050 verdoppeln. Außerdem wird mit zusätzlichen 1000 Toten pro Jahr gerechnet.

Ja, der gemeine Wiener sudert gerne. Über den Sommer genauso wie über den Winter und eigentlich auch über alles andere, außer die eigene Stadt (und manchmal sogar über die). Das Gesuder über den Sommer in Wien ist also weder neu, noch besonders originell. Wo mehr Asphalt ist als am Land, da ist es eben auch heißer als am Land – und damit ist eigentlich schon alles gesagt.

Für alle, denen das aber noch nicht reicht, weil sie eine sehr ausgeprägte Meinung zum Sommer in Wien haben und zu den Zurückgebliebenen zählen, die nicht Hot-Dog-Schenkel aus Lateinamerika posten, sondern eher Frankfurter Würstel von der Alten Donau, hat Ernst Palicek schon vor zwei Jahren den Hitze-Wut-Song "Summer in Wien" geschrieben.

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Und auch wir in der VICE-Redaktion haben euch schon zur Genüge erklärt, wieso Sommer der größte Scheiß ist und warum Ulrich Seidl an unserer Abneigung Schuld hat. Die wohlverdiente Konsequenz daraus bestand übrigens darin, dass unser unklimatisiertes Büro ausgerechnet bei über 30 Grad in den obersten Stock verlegt wurde.

Dabei gäbe es eigentlich ein paar ganz gute Gründe, den Sommer so, wie er jetzt ist, gefälligst zu genießen, solange wir noch können – denn so, wie es aussieht, wird alles (gute Nachrichten!) in Zukunft noch viel, viel schlimmer. Das versichern uns Experten im Gespräch.

"Wir gehen davon aus, dass sich Hitzetage von über 30 Grad, von denen es derzeit etwa fünfzehn jährlich gibt, bis zum Jahr 2050 verdoppeln", meint Johannes Wahlmüller von der Umwelt-NGO Global 2000. Städte wie Wien werden dabei mehr und mehr zu "Wärmeinseln", die von der Hitze besonders betroffen sind. "Wüstentage über 35 Grad und Tropennächte ohne ausreichende Abkühlung sind auch jetzt schon keine Seltenheit mehr", so Wahlmüller.

"Im Jahr 2050 gibt es in Wien bis zu 20 Tropennächte."

Diesen Prognosen kann man beim ZAMG, der Zentralanstalt für Meteorologie auf der Hohen Warte, in weiten Teilen zustimmen: "Was Anfang der 2000er-Jahre noch ein ungewöhnlich heißer Sommer war, fällt 2050 unter normal", heißt es in einer Antwort an VICE.

Das soll in Österreich vor allem für Wien gelten: "Besonders in den Großstädten sind auch die Nächte extrem warm. In Wien zum Beispiel gab es Anfang des Jahrtausends zwischen 4 und 16 Tropennächte, bei denen die Tiefsttemperatur nicht unter 20° Celsius lag. Im Jahr 2050 sind es in einem durchschnittlichen Jahr zwischen 10 und 20 Tropennächte."

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Dass sich Wien als "Wärmeinsel" auszeichnet, liegt logischerweise an der dichteren, städtischen Bebauung, die sich nach einem Tag weit über 30 Grad folglich auch in der Nacht nicht wirklich abkühlt. Wien gehört außerdem zur besonders warmen, weil tiefgelegenen Donauregion. Dazu kommt laut ZAMG, dass sich der Osten Österreichs in der kontinentalen Klimazone befindet, die im Sommer ebenfalls zu mehr Hitze tendiert als Westösterreich, das noch im Einflussbereich des atlantischen Klimas steht.

"Die Klimaforschung geht von zusätzlich 1.000 hitzebedingten Todesfällen pro Jahr aus. In Extremjahren könnte es auch zu 6.000 bis 9.000 zusätzlichen Todesfällen kommen."

Tropennächte, Wüstentage, Wärmeinseln – Begriffe, die zur Abwechslung mal nicht aus einer apokalyptischen oe24-Meldung stammen, sondern von seriösen Klimaforschern so verwendet werden.

Der Umweltaktivist von Global 2000 nennt auch beunruhigende Zahlen, was die Opfer dieser Entwicklung betrifft: "Die Klimaforschung geht von zusätzlich 1.000 hitzebedingten Todesfällen pro Jahr aus – in Extremjahren könnte es auch zu 6.000 bis 9.000 zusätzlichen Todesfällen kommen", meint Johannes Wahlmüller. "Auch Extremereignisse werden zunehmen; also Hochwasser, Dürren oder Einbrüche im Wintertourismus. Man erwartet dadurch bis Mitte des Jahrhunderts Schäden von bis zu 8,8 Milliarden Euro pro Jahr."

Falls ihr jetzt schon dabei seid, den ultimativen Wien-Hitze-Song für das Jahr 2050 zu schreiben, solltet ihr noch eine Sache wissen: Laut Ansicht des Umweltaktivisten ist das noch nicht mal das Worst-Case-Szenario, sondern quasi fixer Ausgangspunkt. Selbst mit der geplanten Einsparung der Treibhausgase ließe sich eine Erwärmung des trägen Klimasystems nicht mehr gänzlich aufhalten.

"Wie viel noch dazukommt, entscheidet sich jedes Jahr durch unser Handeln", so Wahlmüller. Bis es soweit ist, wird uns jedenfalls das zaghafte Vorgehen der Politik und der Umstand, dass die derzeit umfragestärkste Partei "Liste Kurz" ausgerechnet jemanden als Wissenschaftssprecher nominiert, der dem Konzept des Klimawandels skeptisch gegenübersteht, mehr zum Schwitzen bringen als jeder Saharawind, der durch unsere Redaktion bläst.

Thomas auf Twitter: @T_Moonshine

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