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Menschen

Warum kann ich mich nicht verlieben?

Meine Unfähigkeit, mich zu verlieben, lässt mich glauben, ich wäre ein Stein. Irgendwie tut sich bei mir einfach nichts.
Foto: CC0 Public Domain

Wäre Verliebtheit ein Song, wäre es in meinen Ohren so was wie „Run Away With Me" von Carly Rae Jepsen. Das pulsiert und knallt so schön, wie ein Herz, das sich ganz arg freut. Und das ist eigentlich alles, was ich will—mich so zu fühlen, wie „Run Away With Me" klingt. Stattdessen fühle ich mich lieblos, eintönig, müde, fast schon frigide. Wie ein Robin Schulz-Song eigentlich. Ich will mich nicht fühlen wie ein Robin Schulz-Song.

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Viel lieber würde ich mich verlieben. So richtig. Ich will Schmetterlinge, ich will Kribbeln, ich will Herz-Emojis, das volle Programm. Ich will peinlich in mein Handy grinsen und ganz zittrig werden beim Knutschen. Ich will, dass der Geruch von jemand anderem an meiner Kleidung klebt und ich will, dass ich jedes Mal wieder nervös werde, wenn ich das bemerke. Ich will Herzflattern, ich will dieses gute Gefühl. Oder zumindest eine kleine Verknalltheit. Irgendwas. Aber es tut sich einfach nichts.

Tippt man bei Google die Wörter „Warum kann" ein, gibt es seitens des Suchmaschinen-Orakels einige Versuche der Vervollständigung. Die großen Fragen der Menschheit: Warum kann die Hummel fliegen? Warum kann ich nicht abnehmen? Warum kann man die Zeit nicht anhalten? Außerdem im Angebot ist eben auch dieses eine Leiden, das inzwischen wohl zur Volkskrankheit mutiert ist: Warum kann ich mich nicht verlieben?

„Wenn du sie zu krampfhaft suchst, wirst du sie auch nicht finden" ist so etwas, das Omas über die Liebe sagen. Und Omas wissen halt in der Regel, wovon sie reden. Ich versuche ja auch wirklich, diesen Rat zu befolgen: Alles ganz easy auf mich zukommen lassen, keinen Druck machen, den Dingen und vor allem mir selbst Zeit lassen, nichts überstürzen, es langsam angehen und vor allem nicht zu verzweifelt nach jemandem suchen, in den man sich vielleicht verlieben könnte.

Und irgendwie klappt das. So halb. Es ist ja nicht so, als ob mir niemand Gutes über den Weg laufen würde. Ja, es gibt sie, die Menschen in meinem Umfeld, in die ich mich eigentlich verlieben könnte, möchte, vielleicht sogar sollte. Bei manchen will ich mich fast schon aus reiner Höflichkeit in sie verlieben, einfach nur als eine Art Gegenleistung dafür, dass sie so leiwand sind. Tu ich aber nun mal nicht—egal, wie sehr ich es mir einrede. Egal, wie sehr ich mir auch einrede, es mir nicht einzureden. Es ist ein scheiß Teufelskreis und ich komme einfach nicht raus.

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Zwei Personen halten Händchen

Foto: Stefanie Katzinger via VICE Media

Ich bin so neidisch auf die anderen, denen die ganze Sache mit dem Verlieben so unfassbar leicht zu fallen scheint. Die schmusen ganz einfach mit jemandem beim Fortgehen, texten dann zwei Wochen lang, treffen sich wieder, bum—verliebt und fix zam. Noch bevor sich überhaupt so was wie ein Gspusi entwickeln konnte. Und dann schweben sie auf ihrer frisch verliebten Wolke davon, während ich und der Großteil meiner Freunde hier in dieser vereinsamten Single-Blase verkümmern, in der wir uns konsequent über unser Alleinsein beschweren.

Mittlerweile bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich sogar eine unglückliche, nicht erwiderte Verliebtheit, die mir das Herz zerfetzt, mit Handkuss annehmen würde. Sei es nur, um zumindest Bestätigung dafür zu erhalten, dass ich doch noch irgendwo imstande dazu bin, so was wie romantische Gefühle für jemanden aufzubauen. Um mich davon zu überzeugen, dass ich kein Stein bin, dem alles egal ist. Ich will kein Stein sein. Ich will verliebt sein.

Aber warum kann ich nicht, wo ich doch so gerne will? Aus dem Beziehungs-Einmaleins kann man sich recht schnell einen ganzen Haufen an Gründen dafür zusammenkehren: Angst vor Verpflichtungen. Angst vor Enttäuschungen. Generell Angst. Zu hohe Ansprüche. Zu verkrampftes Suchen. Tinder. Zu viele Optionen. Bis jetzt nicht den richtigen Menschen getroffen. All das frustriert.

Versuchen, sich zu verlieben—und es so hart zu versuchen—kann unfassbar anstrengend sein. Alleine der Prozess, jemanden von Grund auf kennenzulernen, kann so langwierig und mühsam sein, dass man es oft gar nicht erst versucht. Wenn man schon in ersten Gesprächen Eigenschaften am anderen erkennt, die einem nicht so ganz passen, erstickt man eine mögliche Beziehung oft lieber im Keim. Wofür auch Zeit und Aufmerksamkeit investieren, wenn die Wahrscheinlichkeit auf einen Liebesflop vergleichsweise hoch liegt?

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Wie oft stolpern wir über vollkommen fremde Facebook-Profile und sind uns bereits nach zehn Minuten Intensiv-Stalking hundertprozentig sicher, diesmal unsere große Liebe gefunden zu haben (diesmal wirklich)? Ich persönlich hatte diese Momente so oft, dass es mir gar nicht mehr peinlich ist. Vor allem, weil ich in der Regel kurz darauf auch schon wieder einen Status oder ein Foto finde, von dem ich nicht so ganz überzeugt bin—und weg ist mein Herzständer. Demnach hatte ich eigentlich schon so viele Beziehungen, nur fanden sie eben immer in meinem Kopf statt und zogen nach fünf Minuten auch schon wieder eine nicht allzu schwere, imaginäre Trennung nach sich.

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Laut Experten kann die Unfähigkeit, sich zu verlieben, viele unterschiedliche Ursachen haben. Dr. Sigrun Roßmanith, Fachärztin für Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin und Neurologie in Wien, sieht den ausschlaggebenden Punkt—wo sonst—in moderner Kommunikation: „Man muss sich überlegen, inwieweit man durch ständiges Chatten Gefühle vielleicht schlechter zum Schwingen bringt."

Kontur einer Frau vor blauem Himmel, symbolisch für einen Menschen, der darüber nachdenkt, warum er sich nicht verlieben kann

Foto: CC0 | Public Domain

„Sigmund Freud hat bereits gesagt, Verliebtheit gleiche einer Psychose. Ein Rauschzustand, der uns den anderen so wahrnehmen lässt, wie wir ihn durch unsere Brille sehen möchten." Laut Dr. Roßmanith liege die Schwierigkeit aber vor allem darin, jemanden zu finden, der etwas in einem bewegt—„Etwas, worin man sich wohlfühlt." Worin man sich wohlfühlt, gehe dabei meistens auf die eigene Kindheit zurück. Ist das gegeben, geht der Rest schlagartig. „Man spürt rasch, wenn man von jemandem erfasst oder fasziniert ist."

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Aber was, wenn ich genau das eben nicht spüre? Wenn mich niemand erfasst oder fasziniert oder sonst was? „Amor wird dir keinen Pfeil schießen", so Dr. Roßmanith und zerplatzt damit meine letzte Hoffnung auf jegliche Form von Erleuchtung. „So antiquarisch das auch klingen mag—man muss zuerst fähig sein, alleine leben zu können, um überhaupt in einer Partnerschaft leben zu können. Sonst ist man ja immer nur ein Anhängsel des Anderen."

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„Wenn man fortgeht in der Erwartung, heute endlich jemanden kennenzulernen, wird das von Vornherein nichts. Viele haben darüberhinaus auch noch ganz fixe Vorstellungen davon, wie der Partner zu sein hat—dadurch nehmen sich die meisten schon viel zu früh den Zugang." Das Geheimnis, so Dr. Roßmanith, sei Offenheit. „Wer mit sich selbst gut auskommt, der kann auch mit anderen gut." Und wenn ich glaube, so ein bisschen Verliebtheit würde sich über alles andere wie ein rosa Aufbesserungs-Schleier drüberlegen, dann will ich mich wohl aus den falschen Gründen verlieben.

Um mich also verlieben zu können, müsste ich aufhören, es so hart zu wollen und erst mal mit mir selbst klarkommen. Die größte 0815-Theorie aus dem Handbuch der Beziehungen soll also die Antwort auf meinen hartherzigen Frust sein. Aber vielleicht liegt ja genau da mein Fehler—vielleicht ist das wirklich die Lösung, und ich habe sie viel zu früh als totalen Blödsinn abgetan, weil sie viel zu banal und viel zu einfach erscheint.

Vielleicht hatte Oma recht, vielleicht hatte Freud recht und vielleicht hat Dr. Roßmanith immer noch recht: „Man muss bei sich selbst beginnen." Und vielleicht laufe ich dann irgendwann die Straße entlang und schaue dämlich in die Luft, während mein Herz „Run Away With Me" dudelt.

Franz twittert über Liebe und Carly Rae Jepsen: @FranzLicht