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Vice Blog

Wir haben mit einer Nonne über das Burkaverbot gesprochen

Nonnen und Burkaträgerinnen sind beide konservativ gekleidet. Was hält eine Ordensschwester vom Verhüllungsverbot?

An der Burka scheiden sich momentan die nationalen Geister Österreichs. Zuletzt wurde der Vorschlag des Burkaverbots im Jahr 2014 im Nationalrat abgewiesen. Sebastian Kurz bezeichnete den Ansatz der FPÖ als ungeeignete Methode zur Integration. Doch nun ist es der Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) selbst, der das Verbot befürwortet. Zusammen mit Innenminister Sobotka (ÖVP) will er schärfere Integrationsmaßnahmen. Nach eher zurückhaltenden Statements hat mittlerweile auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder seine Unterstützung angekündigt. Sein Vorschlag: Die Durchsetzung eines Burkaverbots und eine gleichzeitige Einführung der Homosexuellenehe. Für Schieder wären das "liberale Schritte nach vorn".

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Auch in der Schweiz wird die europaweit angeheizte Debatte um ein Burkaverbot wieder geführt. Das Egerkinger Komitee, dem man übrigens schon das kontroverse Minarettverbot zu verdanken hat, verzichtete in der im März lancierten Initiative "Ja zum Verhüllungsverbot" auf einen Verweis auf die muslimische Ganzkörperbekleidung und umgeht somit geschickt das Diskriminierungsverbot.

Während die einen im Gesichtsschleier den Untergang des christlichen Abendlandes sehen, entlarven die anderen diese Argumentation als feministischen Mantel, der rassistische Argumente bedeckt. Dazwischen gibt es ganz viel Raum, aber sehr wenig Positionen. Deswegen haben wir das getan, was man in Zeiten der generellen Orientierungslosigkeit schon einmal tun kann: Wir haben mit unseren mondänen Fragen die Geistlichkeit konsultiert. Genauer gesagt Schwester Elisabeth vom Zuger Orden hl. Petrus Claver.

VICE: Welche Bedeutung messen Sie Ihren Kleidern zu?
Schwester Elisabeth: Das ist meine Kleidung, ich habe keine andere. Sie drückt meine Identität als Ordensschwester aus. Sie ist ein Glaubensbekenntnis. Die Gesellschaft erkennt mich dadurch als eine gottgeweihte Schwester. Sie ist sehr wichtig für mich.

Was ist die Mission Ihres Ordens?
Wir Missionsschwestern vom heiligen Petrus Claver gehören einer internationalen Missionskongregation an, die in den Südländern Menschen in Not hilft. Wir sammeln Spendengelder und stellen sie lokalen Hilfsprojekten und Missionen zur Verfügung. Unlängst zum Beispiel hat eine Schwester in einem Flüchtlingscamp im Irak eine Schule gegründet, in der Geflüchtete eine bezahlte Arbeit als Lehrer finden und Schulkinder ihre Ausbildung während des Krieges fortsetzen können. Neben der Bildung investieren wir auch viel Geld in medizinische Versorgung, pastorale Arbeit und nachhaltige Hilfe.

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Sieben Jahre nachdem das Egerkinger Komitee die Initiative zum Minarettverbot lancierte, fordert es nun ein nationales Burkaverbot. Wird diese Initiative in Ihrem Orden diskutiert?
Wir haben uns in dieser Debatte bisher nicht positioniert, da unser Orden politisch eigentlich nicht aktiv ist. Worauf bezieht sich denn das Verschleierungsverbot? Wir tragen ja auch einen Schleier, der unser Haar bedeckt. Oder ist damit etwa die Vollverschleierung gemeint?

Schwester Elisabeth zeigt uns Schätze aus dem Afrikamuseum ihres Ordens

Genau, im Initiativtext heisst es, niemand dürfe sein Gesicht im öffentlichen Raum verhüllen. Auf der Homepage der Initianten sind Frauen in Burkas und Molotov-Cocktail schmeissende Männer in Balaclavas abgebildet. Inwiefern sollte der Staat in religiöse Kleidungsnormen eingreifen dürfen?
Politik und Glauben sind zwei verschiedene Welten, die sich gegenseitig nicht einschränken sollten. Wobei ich nicht weiss, inwiefern die Burka ein Ausdruck der Religion ist. Viele Musliminnen tragen ja bloss ein Kopftuch. Natürlich, es gibt unterschiedliche regionale Ausprägungen, aber die Schweizer Musliminnen tragen ja in der Regel keine Burkas.

Am ehesten wären wohl saudische, pakistanische und afghanische Touristinnen betroffen.
Wenn es sowieso nur ein paar Touristinnen betrifft, dann finde ich ein Gesetz etwas übertrieben.

Wie stehen Sie denn persönlich zur Burka?
Grundsätzlich sollten Menschen die Freiheit haben, sich so zu kleiden wie sie wollen. Diese Freiheit hört allerdings dort auf, wo die Freiheit eines anderen Bürgers beschnitten wird. Ich persönlich finde es unheimlich, einem vollverschleierten Menschen zu begegnen. Das Gesicht ist ja ein Spiegel der Seele. Und ohne Seele, kann ich einem Menschen nicht wirklich begegnen. So gesehen beschneidet in diesem Moment die Freiheit, eine Burka zu tragen, meine Freiheit, diesem Menschen ins Gesicht zu schauen.

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Welche Rolle spielt dabei die Politik?
Die Politiker tragen ja die Verantwortung für das Wohl, die Geborgenheit und die Sicherheit der Bevölkerung. Von dem her sollten sie schon in den Bereich von Kleidungsregeln vordringen dürfen. Ich finde jedoch bei Touristinnen, die das Land in einigen Tagen wieder verlassen, ist es nochmals etwas anderes. Menschen die sich hier permanent niederlassen wollen, sollten sich jedoch soweit integrieren müssen, dass ihnen andere Bürger ins Gesicht schauen können. Sonst beschneiden wir uns unsere eigene Freiheit.

Wenn eine Familie ihrer Frau vorschreibt, das Haus nur mit Burka verlassen zu dürfen, beschneidet das Burkaverbot dann nicht die Freiheit dieser Frau, sich überhaupt in der Öffentlichkeit bewegen zu dürfen?
Das ist eine schwierige Frage. Es ist wichtig, sich für die Freiheit und Rechte der Frauen einzusetzen, aber es geht auch darum, die Rechte diesen Frauen überhaupt erst zu signalisieren. Durch Regeln kommuniziert eine Gesellschaft ja ihre Werthaltung nach aussen. Eine Frau, die in einem konservativen Milieu aufwächst, weiss unter Umständen gar nicht, dass eine Burka bei uns anders wahrgenommen wird als bei ihr zuhause. Und diesen Regeln gilt es sich im Rahmen der Integration schliesslich anzupassen, zumindest in der Öffentlichkeit. So wie wir das ja auch machen, wenn wir in arabische Länder reisen. Dann ziehen wir das Kopftuch auch nur im Hotelzimmer ab. Hinzu kommt noch, dass heutzutage viele Menschen ohnehin schon verunsichert sind. Verdeckte Gesichter helfen in diesem Fall sicherlich nicht weiter.

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Unser Bild des Islams ist von Unkenntnis geprägt und von Gefühlen geleitet.

Ist die Burka nicht Ausdruck der unterdrückten Frau?
Ich bin zwar keine Expertin, aber ich glaube, wenn ich in so einem Land aufwachsen würde, wo ich eine Burka tragen müsste, dann fände ich das vielleicht ganz normal. Es geht ja mehr darum, die weibliche Schönheit für den Ehemann aufzubewahren. Es ist Ausdruck der ehelichen Exklusivität.

Einer sehr einseitigen Exklusivität.
Das stimmt. Aber Sie müssten muslimische Frauen dazu befragen. Unser Bild des Islams ist von Unkenntnis geprägt und von Gefühlen geleitet. Da müssen sie jemand anderen fragen. Wenn Sie in einem konservativen Milieu aufwachsen, dann sind die dort vermittelten Normen die einzig guten.

Jesusfigur aus dem Afrikamuseum des Klosters

Wie würden Sie reagieren, wenn fünf Jahre nach dem Burkaverbot ein Kopftuchverbot gefordert würde? Davon wären Sie dann ja auch betroffen.
Ich müsste mich dem Verbot wohl oder übel unterordnen. In der Nachkriegszeit mussten unsere Schwestern aus dem Westen auf Grund der politischen Situation auch auf ihre Ordenskleider verzichten, als sie ihre Schwestern in den Ostblockstaaten besuchen wollten. Denen war die Begegnung mit den Mitschwestern allerdings wichtiger, als auf ihrer Kleiderordnung zu beharren, also sind sie zivil nach Polen gereist.

Viele Befürworter der Initiative sehen das Erbe des christlichen Abendlandes durch die Einwanderung aus muslimischen Ländern bedroht. Teilen Sie diese Ansicht?
Nein. Der Verlust der christlichen Tradition in unserer Gesellschaft liegt nicht in der Zuwanderung begründet. Ich sehe die Ursache der Erodierung unserer christlichen Kultur viel mehr im zunehmenden Materialismus, Individualismus und Wohlstand. Hier liegt die wahre Gefahr für Europa. Im Gegensatz dazu hat der Glaube bei den Moslems noch einen ganz anderen Stellenwert. Die Konfrontation dieser beiden Kulturen kann sogar etwas Positives haben, wenn wir sie als Anregung zum Nachdenken sehen. Wir sollten uns fragen, welchen Stellenwert wir unserer Religion eigentlich beimessen wollen. Anstatt uns über eine zunehmende Islamisierung des Abendlandes zu sorgen.

Hat die katholische Kirche durch die Missionierung in Afrika nicht auch ihren Glauben in die Fremde exportiert? Ja natürlich, durch die Taten der Nächstenliebe. Die Missionare haben den Naturglauben der Lokalbevölkerung und deren Fetische mit grossem Respekt behandelt. Natürlich haben sie auch christliche Werte vermittelt, aber die lokalen Traditionen wurden respektiert und so wurde auch der Weg zur Inkulturation des Glaubens und der Liturgie angebahnt.

Gibt es sonst noch etwas, was Sie unseren jungen Lesern mitteilen möchten?
Nehmt das Leben als Chance wahr, Gutes zu tun. Wir sind hier, um die Menschheit weiterzubringen. Wenn wir die Möglichkeit, Gutes zu tun, ausschlagen, so tun wir dadurch etwas Schlechtes. Es gibt keine Neutralität. Jeder Mensch hat eine Mission. Es ist wichtig, dass man sie findet und lebt. Dann findet man echtes Glück.

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