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Ich wurde nach unserer WG-Party von Robocops geweckt

Mit einem Schlagstock geweckt werden und danach Dosen einsammeln müssen ist so scheisse, wie es klingt.
Foto von Tony Webster

Man soll aufhören, wenn es am besten ist. Diese alte Binsenweisheit nahm ich mir immer zu Herzen. Das gilt für komplexe Dinge wie Liebesbeziehungen, wie auch für noch viel komplexere Dinge wie WG-Partys. Damit du am Schluss nicht selbst die letzten Partyleichen aus der Badewanne kratzen musst, erledigt das—vorausgesetzt die Party war auch gut genug—die Polizei für dich. Vor gut einer Woche hatten die Gesetzeshüter aber scheinbar etwas dagegen, dass auch diese Party mal ein Ende fand.

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Während sich am heissen Spätsommer-Samstag am Zürcher Seebecken eine Million Menschen von einigen guten und vielen schlechten Beats der Street Parade berieseln liessen, öffneten wir unsere Dachterrasse für eine kleine Off-Party im Kreis 4. Die Voraussetzungen waren perfekt: Wolkenloser Himmel bei 31 Grad, die schwierigen Nachbarn waren am Tag zuvor ausgezogen und wir hatten viel zu viele Facebook-Zusagen.

Die Party selbst war ausgezeichnet. Friedlich und ausgelassen tanzten Freunde in einer vollen Bude bis in die Morgenstunden. Einziger Zwischenfall: Irgendein Besoffener ass mein Curry auf und schlief danach in meinem Bett ein.

Gegen 07:10 Uhr nahm die Party ein abruptes Ende. Gut sechs Polizisten stürmten mit lautem Geschrei nervös auf die Dachterrasse. Zuvor kamen sie einfach zur Wohnungstür rein und platzten nacheinander in die Zimmer—keine Ahnung ob sie das dürfen—mein Mitbewohner hat vergeblich versucht, sie daran zu hindern, doch sie schoben ihn einfach zur Seite.

Auf der Dachterrasse trafen die Polizisten auf die letzten 15 Partykrieger, die gerade zu Africa von Toto den Morgen und sich selbst feierten. Der Alpha-Polizist blickte mich hinter einer dieser schrecklichen Sportsonnenbrillen an und diskutierte mit seinen Kollegen, was sie von unserer Musikanlage konfiszieren würden. Sie entschieden sich—wohl mangels funktionierenden Aufzugs—nur für den DJ-Mixer, obwohl ich liebend gern zugesehen hätte, wie sie den Subwoofer vom fünften Stock runter getragen hätten.

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Foto vom Autor

Für uns hiess das: Die Party—so gemächlich sie zu diesem Zeitpunkt auch schon dahinplätscherte—war vorbei. Ohne eine Verwarnung von der Polizei zu bekommen, standen wir ohne Musik da. Und mein Mitbewohner ohne sein konfisziertes Gras oben drauf. Das war für uns O.K., damit muss man rechnen, wenn man eine WG-Party veranstaltet, die bis in die Morgenstunden dauert. Was ich nicht O.K. fand, war das Verhalten der Polizisten uns gegenüber. Anstatt mich bei meinem Namen zu nennen, nannte mich ihr Alpha-Polizist nur „Blondschopf" (irgendwie lustig), bezeichnete meine Schwester die bereits schlief als „die Perle alleine im Bett" (weniger lustig) und eine Freundin als „Putzfrau des Hauses" (noch weniger lustig).

In diesem Moment nahmen wir die ganze Sache noch ziemlich locker: Ein Polizeieinsatz mit gereizten Polizisten und einer beendeten Party—kaum unüblich in der Streetparade-Nacht. Wir holten uns also beim 24h-Bäcker unseres Vertrauens viel zu fettige Gipfeli, genossen zur aufgehenden Sonne das letzte Bier zu viel und legten uns anschliessend schlafen.

Keine zwei Stunden später musste ich im Bett liegend hören wie die Wohnungstüre erneut aufging. Eine Kollegin, die gerade die Wohnung verlassen wollte, redete mit einer Stimme, die mir bereits bekannt war. Es war der Polizist, der vor knapp drei Stunden unsere Party beendet hatte und uns ins Bett geschickt hatte. Ich zog mir ein Shirt über, legte mir aber meine Kontaktlinsen nicht mehr ein und lief zur Türe. Es dauerte, bis ich realisierte, dass sich die Polizisten vor ihrem Besuch bei uns verkleidet hatten. Drei von ihnen standen bereits in der Wohnung: Mit einem Schlagstock in der rechten, einem Schild in der linken Hand und geschützt durch einen Ganzkörperpanzer und Helm.

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Die folgenden Minuten gehören zu den unwirklichsten meines Lebens: Nachdem ihr Anführer erneut meine Personalien abfragte, sagte er mir, Nachbarn hätten angerufen und reklamiert, dass Leergut auf die Strasse gefallen sei. Als die Polizisten mir auf die Terrasse folgten, sah ich wie sieben weitere Polizisten in voller Kampfmontur die Wohnung betraten, sich stramm mit Schild und

Nicht diese, aber ähnlich ausgerüstete Polizisten stürmten die Wohnung.Foto von Simon Engel | Flickr | CC BY 2.0

Schlagstock in Zweiergruppen vor jedes Zimmer stellten und jedes überprüften. Als meine Schwester dem Beamten noch im Bett liegend bestätigte, sie sei allein im Zimmer, gab er ihr die Erlaubnis liegen zu bleiben. Meine Mitbewohner, die teilweise schon den ersten Besuch in der Nacht verpennt hatten, bekamen auch vom zweiten nichts mit.

Als ich dann mit den Polizisten die Terrasse betrat, reihten sie sich nervös und akribisch zu einem Halbkreis. Auf dem Holzboden fanden wir drei unserer Freunde vor, eingeschlafen mit einem Bier in der Hand und in der prallen Sonne liegend. Einen weckte der Beamte indem er ihn mit seinen Stiefel anschubste und „Aufstehen, Polizei!" rief, ein anderer Polizist tat das gleiche mit seinem Schlagstock beim nächsten Freund.

Nun sahen wir auch, dass ein Müllsack mit leeren Bierdosen sich durch die Sonneneinstrahlung vom Geländer gelöst und ein Teil seines Inhalts über die Dachkante ergossen hatte. Als Konsequenz verdonnerte uns der Alpha-Polizist noch einmal aufzuräumen. Während meine Freunde also durch viel zu viel Sonne auf dem Kopf und viel zu viel Alkohol im Blut kaum zurechnungsfähig auf dem Boden vor dem Polizisten-Halbkreis herumrobbten, versuchte ich mangels Sehhilfe auf allen Vieren die letzten Bierdosen aufzusammeln.

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Irgendwann realisierte ich dann: Ich räume gerade mit einem halben Dutzend Robocops im Genick auf deren Befehl meine eigene Terrasse auf, während meine verpeilten Freunde wohl hofften noch zu träumen, wenn sie überhaupt etwas dachten. In seiner Hilflosigkeit nahm einer der Freunde eine der Dosen vom Boden auf und blieb dann vor den Polizisten einfach stehen, die Dose in der Hand. In seinem Delirium hatte er einfach vergessen, was er eigentlich damit wollte.

Die Situation war an Abstrusität kaum mehr zu überbieten. Wobei: Als mein völlig besoffener Freund auf Anweisung des Polizisten lebensgefährlich über dem Geländer hing, um den Müllsack zu holen, kam keiner der Polizisten auf die Idee ihn wenigstens abzusichern. Stattdessen berieten sie sich über die von uns ausgehende Gefahr: „Meinst du das eskaliert hier noch?"—„Eher nicht, etwas Gummischrot wird reichen."

Kamil nimmt Tipps zur Mülltrennung gerne auf Twitter entgegen: @kamilbiedermann

Und Vice Schweiz schaut der Polizei auf Twitter auf die Finger: @ViceSwitzerland


Titelbild: Tony Webster | Flickr | CC BY 2.0