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Ein Kind der 90er hat sich für uns Filmklassiker der 90er angesehen

Haben die Streifen von damals inzwischen ihren Glanz verloren oder kommen sie auch heute noch bei nicht-nostalgischen Menschen gut an?

„Das Empire Team" (Foto: YouTube-Screenshot)

Normalerweise ist Nostalgie ziemlicher Scheißdreck, aber die 90er Jahre waren (zumindest in den USA) wirklich besser: Die Wirtschaft boomte, die Sowjetunion lag in Trümmern, die Simpsons befanden sich qualitativ gesehen am Höhepunkt, das World Trade Center stand noch, die Dotcom-Blase war noch nicht geplatzt und die Welt schien so entspannt zu sein, dass der US-Präsident sogar Zeit dafür hatte, Praktikantinnen den Hof zu machen. Auch in der Filmwelt waren die Dinge noch etwas einfacher. Damals gab es so Konzepte wie „Was, wenn sich zwei Typen in einem kleinen Supermarkt unterhalten?", „Was, wenn ein paar Jugendliche in einem Plattenladen abhängen?", „Was, wenn eine Gruppe Surfer plötzlich Banken ausraubt?" oder „Was, wenn Goodfellas mehr Gangster-Rap und weniger italienisch wäre?". Wer hätte gedacht, dass man solche Ideen in echte Filmklassiker verwandeln könnte?

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Aber diejenigen unter uns, die in den 90er Jahren geboren wurden, haben nicht nur den wirtschaftlichen Wohlstand und das Modehoch von bequemen Flanell-Hemden kaum bewusst miterlebt, sondern sind damals auch nicht über die Filme des „entstpannten Jahrzehnts" gestolpert. Unsere Kollegin Lauren erblickte zum Beispiel im Jahr 1992 das Licht der Welt und kam so nie in den Genuss vieler Schlüsselfilme der 90er Jahre. Aus diesem Grund haben wir sie darum gebeten, sich Gefährliche Brandung, Menace II Society, Das Empire Team, Clerks – Die Ladenhüter, Terminator 2 sowie American Pie anzuschauen und die Filme danach für uns zu bewerten. Folgendes hatte sie zu sagen:

GEFÄHRLICHE BRANDUNG (1991)

Dieser Film hat einfach alles: Waffen, Bankräuber, Surfen, Football, Auto-Verfolgungsjagden, Kampfszenen, nackte Mädels, eine Entführung und ein paar eingestreute Fallschirmsprung-Szenen. Warum auch nicht?

In Gefährliche Brandung geht es um einen für seine Verhältnisse fast schon schauspielernden Keanu Reeves, der sich in eine Gruppe Banken ausraubender Surfer einschleust, die von einem jungen Patrick Swayze angeführt wird (mein Mitbewohner dachte eine ganze Weile, dass es sich bei Swayze um Owen Wilson handeln würde). Außerdem kommt noch Gary Busey vor, was bei mir für einen echten Aha-Moment sorgte: So hat er sich also beschäftigt, bevor er zum Stammgast aller Reality-TV-Entzugskliniken und zum „durchgepeitschten Schreihals aus diesen Amazon-Werbungen" avancierte.

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Eigentlich ist Gefährliche Brandung ein richtig bro-tastischer Film—was allerdings bei jedem Streifen über Bankräuber-Surfer, die sich beim Fallschirmspringen gegenseitig das Herz ausschütten, der Fall sein sollte. Außerdem sind so viele starke One-Liner enthalten, dass mein Mitbewohner das Ganze eine „schlechte Version von Männlichkeits-‚Mad Libs'" nannte. Zum Beispiel bezeichnet der FBI-Chef Keanu Reeves Charakter als „jung, dumm und eingebildet" und Busey lässt bei seinem Nervenzusammenbruch Sätze wie „Jetzt reicht es mir, du vorlautes Arschloch! Mir sind schon die Granatsplitter um die Ohren geflogen, als du dir noch die Scheiße aus dem Nachttopf ins Gesicht geschmiert hast" vom Stapel. Trotz der schlechten schauspielerischen Leistungen und dem ganzen Geschrei stellt der Film im Grunde nur dar, wie Männerfreundschaften durch Leidenschaft und gegenseitigen Respekt gefestigt werden. Ach ja, Kathryn Bigelow führte Regie?

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TERMINATOR 2 – TAG DER ABRECHNUNG (1991)

Meine Eltern hatten mich noch nicht mal gezeugt, als dieser Film in die Kinos kam (das muss man sich mal vorstellen), und deswegen habe ich mich auch noch nie bewusst mit der Terminator-Reihe befasst. So schossen mir beim Anschauen des zweiten Teils einige Fragen in den Kopf: Wie geht das mit den Zeitreisen? Ist Arnold Schwarzenegger jetzt gut oder böse? Ist der junge John Connor der abgebrühteste Zehnjährige aller Zeiten oder doch das nervigste Kind der Welt? Wie tötet man einen Terminator? Wer zum Teufel ist eigentlich Kyle? Zum Glück befinden wir uns im Jahr 2015 und Wikipedia ist immer nur einen Mausklick entfernt.

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Auf diese Weise lernte ich schnell, warum es gefühlte 617 Terminator-Filme gibt: Ein aus der Zukunft kommender Cyborg ist die perfekte Rolle für Arnold Schwarzenegger, weil er dafür einfach nur schweigend herumstehen und -rennen sowie mit seinem muskelbepackten und stahlharten Körper glänzen muss.

Was mir an Terminator 2 außerdem noch gefiel, waren die Spezialeffekte (die für die frühen 90er Jahre wohl ziemlich gut sind) sowie die starke und komplexe weibliche Hauptrolle (etwas, das selbst heutzutage in vielen Mainstream-Filme noch Mangelware ist). Dazu breitete sich in mir ein sehr befriedigendes Gefühl aus, als Arnie sein berühmtes „Hasta la visty, baby" aufsagte.

MENACE II SOCIETY (1993)

Alles klar, dieser Film kam quasi ganz ohne platte Sprüche aus. Menace II Society gibt uns einen ungefilterten und harten Einblick in das Leben mehrerer junger, schwarzer Teenager, die in South Central L.A. aufwachsen. Der Protagonist Caine und seine Freunde sind ständig umgeben von Chaos und Gewalt, was am Anfang noch ziemlich schockierend ist, aber mit der Zeit dann schon fast normal wird—denn die Charaktere benutzen Gewalt als Mittel zum Überleben, obwohl sie sich so direkt ins Verderben stürzen. Dieser Film zeigt eine andere Seite des Aufwachsens in den 90er Jahren, die ich so in vielen anderen Filmen noch nicht gesehen habe. Typische Handlungsstränge wie das Aufeinandertreffen mit dem Schulrowdy, die Suche nach der Begleitung für den Abschlussball oder das Arbeiten am eigentlich freien Tag wirken im Vergleich zu dem, was Jugendliche wie aus diesem Film täglich durchmachen müssen, fast schon lächerlich. Menace II Society ist düster und unnachgiebig—ein Film, den man mal gesehen haben muss (denn es ist wichtig, die Kamera auch mal auf die Gegenden und Gemeinden zu richten, die von Hollywood oft klischeehaft dargestellt oder gleich gänzlich ignoriert werden), aber dann trotzdem nicht wirklich scharf drauf ist, ihn noch mal anzuschauen, weil er fast zu echt daherkommt.

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AMERICAN PIE (1999)

Irgendwie scheint es immer mindestens einen oder zwei Filme zu geben, die die „coolen Kids" einer Generation von den Nerds trennen. Ich war sieben Jahre alt, als der erste Teil von American Pie in die Kinos kam und der Film machte direkt den Eindruck, eine dieser geschätzten Ansammlungen von nicht jugendfreiem Wissen zu sein—jedes Mal, wenn der Streifen im Beisein von Erwachsenen Erwähnung fand, wurden Augen gerollt und man verfiel sofort in einen Flüsterton. Natürlich machte dieser Umstand den Film für mich umso interessanter.

Leider ist diese Teenie-Komödie ein richtiger Griff ins Klo. Es geht um vier spitze High-School-Absolventen, die sich verzweifelt auf die Suche nach Vaginen begeben, in die sie ihre Penisse stecken können—und dabei tut es jede Vagina, so lange der Geschlechtsverkehr vor dem Abschluss der High School stattfindet. Dabei wird der Zuschauer einer Menge Frauenfeindlichkeiten, Objektivierung, einer Prise Nacktheit, einem schrecklichen Soundtrack, einer verstörenden Szene mit einem Apfelkuchen und natürlich dem berüchtigten „Und einmal im Ferienlager, … "-Satz ausgesetzt. Da es sich bei Filmen jedoch nicht um die Realität handelt, schaffen es alle vier Jungs wie durch ein Wunder, irgendwie doch noch ein Mädel ins Bett zu kriegen.

American Pie hat mich weder gut unterhalten noch irgendwie beeindruckt. Ich musste mir öfter an den Kopf langen als lauthals lachen. Dazu kam noch die gehörige Portion Fremdscham und ich war sogar ein wenig traurig darüber, wie eindimensional der männliche US-Teenager in diesem Film dargestellt wird—von der fehlenden Kreativität und dem nicht vorhandenen Wortwitz will ich gar nicht erst anfangen. Hoffentlich hat sich die Art und Weise, wie man Frauen angräbt, nach all den Jahren in einer positivere Richtung entwickelt.

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CLERKS – DIE LADENHÜTER (1994)

Dieser Film hingegen hat mich im Anbetracht dessen, dass es sich um ein Schwarz-Weiß-Werk von Cop Out-Regisseur Kevin Smith handelt, doch angenehm überrascht. Natürlich ist das Ganze aber trotzdem nicht perfekt, kommt ziemlich billig daher (anscheinend lag das Budget unter 30.000 Dollar) und es geht die meiste Zeit nur um zwei Typen namens Randal und Dante, die rumalbern. Viel Action gibt es nicht, eine wirkliche Handlung ist kaum vorhanden und die einzelnen Szenen sind einfach aufgebaut—dadurch hat Clerks jedoch einen gewissen authentischen Charme. Der Film ist eine sehr gute Darstellung der Vorhölle, in der sich viele Mitt-Zwanziger befinden: Man wacht jeden Morgen auf und fragt sich, was zum Teufel man eigentlich mit dem Rest seines Lebens anstellen soll.

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DAS EMPIRE TEAM (1995)

Nichts schreit mehr nach den 90er Jahren als ein Film über eine Gruppe Außenseiter-Teenager, die im coolsten Plattenladen aller Zeiten arbeiten—irgendwie füht sich das Ganze so an, wie den Mad Men mit ihren Wählscheiben-Telefonen, Sekretärinnen und handgemalten Werbeanzeigen über die Schulter zu schauen. Hat man damals wirklich so gearbeitet? Kann man allein durch den Verkauf von Schallplatten wirklich einen so riesigen Laden anmieten?

Das Setting ist in diesem Fall jedoch völlig egal: Im Grunde geht es in Das Empire Team nämlich um die Ungewissheit der Zukunft—sowohl im Bezug auf die Musikindustrie als auch auf zerbrechliche Teenie-Beziehungen. Die Hauptrollen werden von einer jungen Liv Tyler und Renee Zellweger übernommen. Außerdem spielt der relativ unbekannte Mädchenschwarm Johnny Whitworth mit. Verdammt, wer ist der Typ und warum war er nicht in noch mehr Filmen zu sehen?

Der Film nimmt sich den Themen Sexualität und Erwachsenwerden viel besser an als American Pie—vor allem wenn man die weiblichen Charaktere betrachtet. Liv Tyler (ihre Rolle ist eine tugendhafte junge Frau, die ihre Jungfräulichkeit unbedingt an den Rockstar Rex Manning verlieren will) verkörpert viele der Schwierigkeiten und den Druck, die mit dem Dasein als ausgezeichnete Schülerin einhergehen—wenn man außerdem noch begehrenswert und sexy daherkommen, eine gute Freundin sein und im Allgemeinen alles auf die Reihe bekommen will.

Manchmal kommen gewisse Dinge etwas unerwartet—wie zum Beispiel die ganze Selbstmord-Nebenhandlung oder die Speed-Sucht—, aber insgesamt ist Das Empire Team ein lustiger und unterhaltsamer Film mit gutem Soundtrack. Durch ihn habe ich das Gefühl, irgendwie endlich verstanden zu haben, warum alle immer so von den 90er Jahren schwärmen.