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Warum du zur Vienna Pride gehen solltest

Es gibt ein Autodrom, aber das ist nicht der einzige Grund.

Foto: Martin Darling

Ich habe mal in meinem Bekanntenkreis nachgefragt, warum man eigentlich auf die Vienna Pride gehen wollen sollte. „Um schwul Party zu machen", „wegen der ganzen lustigen Leute" oder „zum Feiern" waren die Antworten. Genau das ist auch ein bisschen die Problematik mit dem Event, ähnlich wie mit dem Life Ball—die meisten sehen die Vienna Pride, mit der Regenbogenparade als Höhepunkt, ganz einfach als eine Gelegenheit zum Feiern.

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Noisey weiß, wie man schwul feiert.

Das ist grundsätzlich super. Die Pride ist ja nicht zuletzt auch ein Fest der Vielfalt, das es zu zelebrieren gilt. Die LGBTIQ-Community ist ein herrlich bunter Haufen, innen wie außen—das darf man ruhig herzeigen. Außerdem kann man sich hin und wieder auch schon mal selbst auf die Schulter klopfen und feiern, was man in den vergangenen 20 Jahren alles erreicht hat. Trotzdem sollte man dabei auch nicht vergessen, was eben alles noch nicht erreicht wurde. Eheöffnung zum Beispiel.

Die rund 1.000 Leute, die 1996 bei der ersten Regenbogenparade dabei waren, sind inzwischen zu einem einzigen großen Partyzug mit über 150.000 Teilnehmern angeschwollen. Entgegen der Fahrtrichtung—weil andersrum—marschiert die übergroße Liebeskarawane vom Rathausplatz die Ringstraße entlang. Dass da die ursprünglichen politischen Inhalte etwas verloren gehen, ist wahrscheinlich wenig überraschend, aber deshalb auch nicht weniger fragwürdig.

Im Vergleich zu den stark kommerzialisierten CSDs in Deutschland ist die österreichische Version laut Mitorganisator Dorian Rammer aber noch ganz gut dabei. Die VeranstalterInnen der Parade versuchen die Teilnehmer im Vorfeld an die politischen Botschaften zu erinnern und am Ende gelingt das auch irgendwie immer.

Foto: HOSI Wien/Hochmuth

Eine Bekannte meinte, sie fände die Parade total cool, weil sie Schwule „so süß" findet und sich die ganzen schrillen Kostüme gerne anschaut. Das klingt ein bisschen, als ob sie sich auf den Zirkus freuen würde. Dass die aufwendigen Inszenierungen gerne mal als Freakshow belächelt werden, ist zwar nicht wirklich was Neues, aber eben ein allgemeines Problem in Bezug auf das öffentliche Image der Community und die teils fehlende Ernsthaftigkeit, mit der ihr immer noch manche gegenübertreten. Die australische Version der Parade erfreut sich zwar großer Beliebtheit, wurde aber mit dem Mardi Gras-Karneval zusammengelegt, als wäre es ein Faschingsumzug.

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„Ich seh das nicht wirklich als Demo" sagt ein Freund. Ja eh. Ich eigentlich auch nicht. „Demo" hat aber auch immer gleich diesen Polizei-Unruhe-Gewalt-Beigeschmack. Kann man die Regenbogenparade denn überhaupt noch als Demo sehen? Eigentlich ja, nur dass sie viel mehr Spaß macht. Wenn man auf der Parade jemanden nach Stonewall fragen würde, wird man wahrscheinlich nicht oft eine Antwort bekommen—aber das ist auch vollkommen wurscht. Solange 150.000 völlig verschiedene Menschen zusammengebracht werden und gemeinsam eine gute Zeit haben, ist doch alles gut.

Die Eröffnung vom Pride Village am Rathausplatz habe ich gestern nicht ganz so intensiv mitbekommen wie ich das vielleicht gerne gehabt hätte—aus dem einfachen Grund, dass ich viel zu spät dort war. Gegen 23:00 Uhr war außer einem Bier und Gery Keszler leider nicht mehr wirklich viel zu holen, und die letzten Menschentrauben wackelten auch schon in Richtung Ausgang. Trotzdem fand ich die Atmosphäre—oder zumindest das, was zu dem Zeitpunkt noch davon übrig war—richtig gut.

Das lag nicht etwa an diesen Liegestühlen und dem Sand—ich werde nie, wirklich nie verstehen wie man irgendwo Sand hinschütten und das geil finden kann—sondern hauptsächlich daran, dass es im Pride Village ein verdammtes Autodrom gibt. Ja, ein Autodrom. Das wiederum trägt neben den Bierbänken und den aufgebauten Zelten dazu bei, dass die allgemeine Stimmung einen leichten Wiesn-Charakter hat, und das meine ich im positivsten Sinn. Ich hab ständig darauf gewartet oder gehofft, dass vielleicht doch noch ein Brezenverkäufer in Lederhosen (und nur in Lederhosen) aus irgendeiner dunklen Ecke raushüpft.

Foto: Martin Darling

Bereits im Vorfeld hingen Regenbogenfahnen von Straßenbahnen, Hotels, dem Bundesamtsgebäude in der Radetzkystraße, dem AKH, dem Rathaus und eigentlich überall. Wir haben immer noch süße Ampelpärchen und ein bisschen fühlt es sich an, als wäre der Geist der Eurovision zurückgekehrt. Nicht die schlechteste Zeit, um [in Wien zu leben](, immerhin ist in Wien 2015 sowas wie die schwule Hauptstadt Europas). Warum also zur Vienna Pride gehen? Einfach, um sich aktiv zu beteiligen und sich solidarisch mit der österreichischen LGBTIQ-Bewegung zu zeigen. Und sei es nur für eine Runde Autodrom.

Franz regt sich auch auf Twitter über Sand auf: @FranzLicht