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GAMES

Das Erntedankfest der Games 2014

Es ist wieder Herbst. Allein im Oktober sind geneigte Videospieler mit einer Flut an neuen Releases überschüttet worden. Wir schaffen Überblick.

Warum hält sich eigentlich seit Jahren hartnäckig die Praxis, die hochkarätigsten Releases des Videospieljahres immer zusammengepfercht im Herbst auf den Markt zu schmeißen? Es muss sich wohl allen Ernstes rentieren, auch wenn sich etliche Titel beim erbitterten Kampf um Zeit und Geld der Gamer-Gemeinde zwangsweise gegenseitig ausstechen.

Ich war diesen Oktober über mehr mit Heiraten und Hochzeitsreise beschäftigt und habe deshalb vergleichsweise wenig von dem ganzen Irrsinn mitbekommen. Ein erfrischendes Erlebnis übrigens, das ich jedem empfehlen kann, also nicht nur Heiraten, sondern überhaupt mal ein paar Wochen lang Urlaub von der Videospiellandschaft zu nehmen—am besten in einer intensiven Phase wie eben Oktober.

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Man kehrt nach ein paar Wochen zurück und hat ein Erntedank-Buffet voller Köstlichkeiten zu entdecken. Auch wenn für November noch ein paar hochkarätige Leckerbissen wie neue Teile von Assassin's Creed und Far Cry bevorstehen, folgt hier einmal ein Oktober-Überblick über die größten und spannendsten Releases aus dem wahnsinnigen Videospiel-Herbstes.

Middle-Earth: Shadow of Mordor

Offizieller Screenshot (Warner Bros. Entertainment)

Monolith Productions, die seit vielen Jahren großteils mit tollen First-Person-Shootern wie Blood, No One Lives Forever, Tron 2.0 oder F.E.A.R. brilliert haben, legen mit Middle-Earth: Shadow of Mordor eine der Überraschungen des Jahres vor. Das leckere Rezept dafür: Man nehme die Grundprinzipien von Assassin's Creed und den Arkham-Spielen, stülpe die idiotensichere Herr der Ringe-Lizenz darüber und füge ein absolut geniales neues Element in das Genre ein, das die Spielwelt in ungeahnter Weise mit Leben füllt.

Dieses neue Element nennt sich das „Nemesis System" und eleviert Saurons Ork-Armee von gesichtslosem Metzelmaterial zu einem intriganten Haufen Love-To-Hate-Bösewichter mit einer dynamischen hierarchischen Struktur. Die Orks in Mordor haben prozedural generierte Namen, Persönlichkeiten, Stärken und Schwächen. Sie erinnern sich an den Spieler, verhöhnen ihn oder bringen Schrammen aus dem letzten Gefecht mit. Sie werden befördert, wenn sie den Spieler besiegen und werden durch andere Orks ersetzt, wenn sie sterben. Die Beziehungen, die man zu bestimmten Orks aufbaut und die fortlaufenden Geschichten, die sich daraus ergeben, können dazu führen, dass man zeitweise komplett auf die (gar nicht mal schlechte) Hauptstory vergisst.

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Bayonetta 2

Offizieller Screenshot (Nintendo)

Die Fetisch-Hexe mit dem zu kleinen Kopf—aber sonst ganz anständigen Proportionen—ist zurück, und diesmal bekämpft sie die Mächte von Himmel und Hölle im Dienste Nintendos, exklusiv auf der Wii U. Da es den barock-punkigen ersten Teil der Camp-Saga bisher nur auf Xbox 360 und PS3 gab, ist er dem Nachfolger freundlicherweise gleich als Port beigelegt, man bekommt also zwei Games zum Preis von einem.

Beide sind hervorragende Actiongewitter in der reizüberflutenden Tradition von Devil May Cry, mit einem befriedigenden, herausfordernden Kampfsystem und spektakulären Schauwerten. Gleich das Tutorial bietet von einem friedlichen Weihnachtseinkauf über eine Rauferei auf einem fliegenden Jet bis zu einem Kampf gegen einen Drachen mehrere Kilometer über den Dächern der Stadt einen kompakten Vorgeschmack auf alles, was den Spieler in Bayonetta 2 erwartet—und spätestens da weiß man auch, ob man schwer verstört oder hemmungslos verliebt ist.

Sunset Overdrive

Offizieller Screenshot (Insomniac Games)

Entwickler Insomniac Games war bisher vor allem für Sony-exklusive Titel bekannt ( Ratchet & Clank, Resistance, Spyro) —bis auf das peinliche Fuse—und hat mit seinem neuesten Werk nun den unerbittlichen Zorn sämtlicher PlayStation-Fanboys herausgefordert. Sunset Overdrive erscheint nämlich ausschließlich für die Xbox One. Ein nicht unerhebliches Risiko, sind große Teile der Videospielgemeinde doch jüngst vor allem für kreative Todesdrohungen bekannt, aber eines, das sich ausgezahlt hat: Sunset Overdrive ist eine Spaßkanone sondergleichen.

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In dieser post-apokalyptischen, aber nichtsdestotrotz knallbunten Regenbogenparade eines Open-World-Spiels, das ein bisschen an den Sega-Klassiker Jet Set Radioerinnert, bewegt man sich durch Sunset City, indem man über Stromkabel grindet und zippt, an Wänden entlangläuft und sich von Autowracks und Sonnenschirmen abstößt wie von Gummibällen. Während der kunstvoll-stylishen Navigation durch die Stadt bekämpft man durch einen dubiosen neuen Energy Drink mutierte Monster mit Eiskanonen, Harpunen oder automatischen Bowlingkugel-Werfern. Es gibt sogar einen Freddy Mercury-Mod, der dich den besten Frontman aller Zeiten, als deinen Protagonisten spielen lässt. Sunset Overdrive ist so dumm, wie es klingt—Figuren, Dialoge und Humor sind in der Tat ärgstes Fremdschäm-Material—aber die Mechaniken an sich sind einfach zu verdammt brilliant und sorgen laufend für „Holy shit, that's awesome!"-Momente.

Borderland: The Pre-Sequel

Offizieller Screenshot (2K Australia)

Davon abgesehen, dass der Mond von Pandora offensichtlich von Plünderern mit australischen Akzent bevölkert zu sein scheint, ist Borderlands altgenerativer Ausflug ins All eigentlich nur ein ziemlich mediokres Imitat seiner Vorgänger. Versteht mich nicht falsch, Borderlands 2 war völlig in Ordnung und in diesem aktuellen Release—der sich mehr wie DLC anfühlt als ein eigenständiger Titel—endlich Claptrap als Charakterklasse wählen zu können ist herrlich, aber sobald der Sauerstoff knapp wird und ich die tausendste Waffe finde, die mir eigentlich nur mäßig Spaß bereitet, sinkt die Begeisterung. Da kann die Hyperion Mondstation noch so fucking riesig sein und es mechanische Kampf-Anzüge regnen, ein obligates Gähnen bleibt uns nicht erspart.

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Forza Horizon 2

Offizieller Screenshot (Microsoft Corporation)

Auch die sperrangelweit offene Welt des Rennspiels Forza Horizon 2 ist Microsoft-exklusiv, den es sowohl auf Xbox One als auch etwas abgespeckt auf der guten alten 360er gibt. Wer sich zurücklehnen, Spaß haben und mit sündteuren Sportautos durch traumhafte Landschaften in Südfrankreich und Norditalien rasen will, der ist hier genau richtig. Falsch machen kann man in Forza Horizon 2 sehr wenig. Wer gegen einen Baum knallt oder in eine Sandgrube schlittert, spult einfach Prince of Persia-style die Zeit zurück. Und wenn jemand meint, ein Rennen sei leichter zu gewinnen, wenn er querfeldein durch ein paar Weinstöcke brettert, dann sei es ihm gegönnt.

Man möchte fast von der pfeilschnellen Edelkarosse aufs Pferd oder Fahrrad wechseln, um die sonnige Umgebung wie ein Tourist erforschen und genießen zu können, aber dann würden einem auf Dauer die ganzen schönen Erfahrungspunkte und Credits und Unlocks entgehen. Wer die Belohnungen maximieren will, kann auch alle möglichen Fahrhilfen wie die erwähnte Rewind-Funktion, automatisches Schalten oder die Anzeige der Ideallinie Stück für Stück abschalten, um der authentischen Hardcore-Simulations-Erfahrung näherzukommen. Wer danach sucht, ist allerdings wahrscheinlich bei der Schwesternserie Forza Motorsport oder bei Gran Turismo auf der PlayStation besser aufgehoben. Horizon 2 ist vielmehr wie ein schöner Urlaub.

WWE 2K15

Offizieller Screenshot (Copyright Yuke's/Visual Concepts/WWE)

Auch, wenn ich sonst wirklich zu den Kulturoptimisten gehöre, glaube ich ganz ehrlich, dass wir die letzte große Ära des Wrestling—und damit auch der Wrestling-Games—bereits hinter uns haben. Das klingt zwar ziemlich genau nach der Art von Bullshit, die Goethe und Nestroy losgelassen haben, als sie zu ihren Lebzeiten voller Überzeugung behaupteten, dass die Menschheit bereits alles erfunden hätte oder nicht mehr lang stünde. Aber wenn man sich den mangels Roster-Tiefe immer noch anhaltenden Geniekult um John Cena und den seit Stone Cold Steve Austin chronischen Mangel an echten Helden, die beim Publikum „over" wären, ansieht, beschleicht einen doch irgendwie das ungute Gefühl, dass Wrestling im Hipster-Jahrzehnt nie wieder mehr als eine Seifenoper von vielen sein wird. Umso erstaunlicher ist es aber, welche Videospiele der Entwickler Yuke's gemeinsam mit Visual Concepts jedes Jahr wieder aus dem WWE-Material herausholt (und eigentlich auch, welches Material die WWE selbst aus ihrem dünnen Athleten- und Autoren-Stall hervorzaubert).

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Sicher, WWE 2K15 ist nur der alljährliche Sauna-Aufguss für die Buttonmash-Schwitzer, die jeden Herbst wieder das tiefe Bedürfnis haben, den Preis eines vollwertigen PlayStation- oder Xbox-Games für nicht viel mehr als drei neue Storylines und einen upgedateten Roster zu bezahlen (ohne je die Frage zu stellen, weshalb neue Wrestler oder deren neue Gimmicks nicht einfach als Downloadable Content zur Verfügung stehen). Aber dieses Jahr bekommen wir dafür zum ersten Mal seit langem ein Spiel serviert, das sich nicht durch Verschlechtbesserung einzelner Features—wie fehlerhafte Moderation oder Cut-Scenes ohne voll animierte Halle—auszeichnet.

Das Gameplay ist dasselbe, der Look nur unwesentlich detaillierter und die Match-Mechanik kaum verändert; dafür spielen sich die Story-Modi besser und flüssiger denn je und die Einbindung von NXT und der historischen Fehden, die sich jetzt „2K15 Showcase" nennen, erhöhen den Suchtfaktor. Dank der NXT-Prüfungen, bei denen man mit jedem der Nachfolge-Stars gegen John Cena antreten muss, werden übrigens bald auch die jüngsten Fans den Überwrestler hassen. In Anlehnung an Woody Allen könnte man sagen: Jede Generation bekommt den Hulk Hogan, den sie verdient—und das ist in unserem Fall anscheinend ein weißer, privilegierter Rapper aus West Newbury, der mit seinen gestelzten Poopoo-Kacka-Witzeleien den Jar-Jar Binks der Wrestling-Welt mimt. Das Schöne am Game ist, dass es ein Ventil dafür bietet.

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Markus zockt auch auf Twitter: @wurstzombie

The Evil Within

Offizieller Screenshot (Zenimax Media)

Was The Evil Within von zig anderen Survival-Horror-Spielen abhebt, ist Game Director Shinji Mikami, seines Zeichens Erfinder nicht nur des wegweisenden Resident Evil, sondern auch des unerreichten Genre-Höhepunkts Resident Evil 4. Schon mit dem internationalen Titel (im japanischen Original nennt sich das Spiel Psycho Break) möchte man ganz offenbar an diese früheren Glanzmomente gemahnen. Hauptsache Resident Evil 6bleibt tot.

Ganz gelingt das nicht, dazu ist The Evil Within, wenn auch mit grundsolidem Verständnis von krankem Survival-Design gemacht, einfach nicht innovativ und interessant genug. Dass es sich langsam, hölzern und frustrierend spielt, mag für Genrefans ein Pluspunkt sein, aber einige Entscheidungen sind einfach nur verblüffend. Wer etwa hatte die Wahnsinns-Idee, das ganze Spiel im cineastischen Breitwand-Format von 2,5:1 zu präsentieren? Grundsätzlich können solche Experimente spannend sein und ja, filmartige Kamerawinkel zur Störung der Orientierung waren in frühen Horror Spielen dieser Artein beliebtes Stilmittel, aber hier wirkt der ungewöhnliche Bildausschnitt vor allem unpassend und ablenkend, vor allem im Zusammenspiel mit einem sehr beschränkten Sichtfeld.

Klaustrophobie schön und gut, aber wahrer Horror kommt von dem, was zwischen den schwarzen Balken passiert, und das haben wir leider alles schon zu oft gesehen, als dass es uns noch erschaudern lassen könnte.

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Sleeping Dogs

Screenshot von Josef Zorn

Es ist verdammt verwirrend nach 10 Jahren GTA-Erfahrung plötzlich mit gestohlenen Autos auf der linken Straßenseiten Hong Kongs herum zu düsen. Aber einen großen Vorteil hat das bilinguale und moralisch nicht annähernd so verwerfliche Sleeping Dogs, dessen Protagonisten alle aussehen als würden sie als Darsteller in einem Vin Diesel-Film vorsprechen wollen, gegenüber den inspirierenden Rockstar-Klassikern: Endlich gibt es eine ordentliche Portion Martial Arts im Gameplay, und das in Kombination mit den klassischen Spielmechaniken wie man sie aus Vice City und Co kennt.

Square Enix haben ihr eigenes, detailreiches, teils klobiges und teils erstaunlich herausforderndes Sandkasten-Game abgeliefert mit genug Verbrechen und brutaler Details—wie die Umweltimplementierung von Lautsprecherboxen bis Rollläden ins Combat-System um schmerzhaft kreativ Gegner auszuschalten—dass jeder Fan von Bruce Lee und extrem vielschichtiger Plots seine Freude haben wird. Sleeping Dogs steht also definitiv auf eigenen, Roundhouse-kickenden Beinen. Ein Minuspunkt ist, dass sich manche Autos unnachvollziehbar scheiße, ähnlich wie Autodrom-Wägen, steuern. Gepaart mit dem Linksverkehr ist das echt manchmal zu viel.

Super Smash Bros. for 3DS

Offizieller Screenshot (Nintendo)

Die Idee eines chaotischen Hahnenkampfspiels mit Nintendo-Figuren war von Beginn an viel zu gut, um in einer Nische steckenzubleiben, und so gewann die Smash Bros.-Serie seit ihren bescheidenen Anfängen als zunächst Japan-exklusiver N64-Titel mit jeder neuen Iteration an Beliebtheit und Ambition.

Jetzt liegt uns der erste Teil für ein Handheld-System vor, und trotz der offensichtlich suboptimalen Plattform für ein Multiplayer-Partyspiel enttäuscht Super Smash Bros. for 3DS keineswegs. Abgesehen davon, dass wir endlich mit Mega Man spielen dürfen (ja sogar mit Pac Man!), bietet die 3DS-Fassung massig Content auch für den asozial orientierten Spieler. Wer sich darin wiederfinden kann, der möge also beim neuesten Smash Bros. zugreifen. Wer gerne Parties gibt, sollte auf die für Ende November angekündigte Wii U-Version warten, die vermutlich auch hübscher aussehen und noch einmal eine ganze Ecke zusätzliche Features mitbringen wird.

Driveclub

Offizieller Screenshot (Sony)

Wer sich bereits 2013 eine PS4 zugelegt hat und Rennspielfan war, musste sich wohl ein bisschen veralbert vorkommen. Die Xbox-One-Fraktion bekam mit Forza Motorsport 5 ein exklusives hochkarätiges Racing-Game, während Gran Turismo 6 noch für die am Abstellgleis befindliche PS3 erschien. Das angekündigte Driveclub wurde verschoben und ist erst jetzt mit rund einem Jahr Verspätung endlich da.

Das Kernelement, ein innovativer Multiplayer-Modus, in dem man sich in Clubs zusammenschließen und gemeinsam Punkte sammeln kann, funktioniert nach anfänglichen Totalausfällen immer noch eher schlecht als recht. Lags und Verbindungsabrüche nötigen zur Beschränkung auf den Einzelspieler-Modus zu spielen, aber auch hier fühlt sich DriveClub irgendwie unfertig und lieblos an. Beim Spielen hat man den Eindruck, das Rennspiel-Pendant zu Destiny vor sich zu haben. Stinklangweilige Aufgaben (fahre Strecke XY in unter drei Minuten, ohne Gegner), ein unterm Strich eher demotivierendes Punktesystem und—um es noch einmal zu sagen—ein nicht richtig funktionierender Online-Modus lassen Driveclub vor allem in Relation zu Forza alt aussehen.

Andi auf Twitter: @schirmsprung