Freitag, 15. Juli, ca. 21:30 Uhr (MESZ): Das Militär sperrt die Bosporus-Brücken in Istanbul
Freitag, 15. Juli, ca. 23:00 Uhr: Das Militär verkündet, es habe die Regierung gestürzt
Freitag, 15. Juli, ca. 23:30 Uhr: Erdoğan mobilisiert via Facetime seine Anhänger
Inzwischen können wir mit unseren türkischen IP-Adressen nicht mehr auf YouTube, Twitter und Facebook zugreifen und auch die meisten Fernsehstationen haben seit etwa 15 Minuten kein Bild mehr. Das Ausfallen der meisten Kommunikationskanäle sorgt für ein noch mulmigeres Gefühl. Als wieder ein Bild auf dem Fernsehschirm erscheint, zeigt er ein Facetime-Video eines Interviews mit Erdoğan. Er spricht von einer hinterhältigen Verschwörung einer Clique innerhalb der türkischen Streitkräfte und fordert das Volk auf, die Strassen, die wichtigsten Plätze und Flughäfen des Landes zu belagern und sich der Armee in den Weg zu stellen.Away game for Erdoğan supporters: People at Taksim and Gezi Park. 'Allah is great' Now light show with cell phones — Deniz Yücel (@Besser_Deniz)16. Juli 2016
Vor zwei Jahren kam es zu Protesten in der Türkei –Trauer und Krawall:
Eine Freundin, die sich in der Innenstadt von Izmir befindet, teilt mir mit, dort komme es—wie in vielen anderen Städten—zu schweren Zusammenstössen zwischen den Putschisten und der Zivilbevölkerung. Tausende AKP-Anhänger würden auf den Strassen demonstrieren, im ersten Moment könnte man meinen, die türkische Fussballnationalmannschaft habe gerade die EM gewonnen. Uns fällt es sehr schwer, die Situation einzuordnen.Die islamistisch-nationalistische Parolen, die zu hören sind, machen uns Angst. Innerhalb der Familie sind wir uns darüber einig, dass ein Putsch etwas Undemokratisches ist und die Türkei nicht vorantreiben kann. Wir fragen uns aber auch, ob es den Regierenden nicht in die Hände spielt und sie dadurch legitimiert werden, die Türkei noch autoritärer zu regieren.
Samstag, 16. Juli, 03:00 Uhr: Es kursiert die Nachricht, der Putsch sei gescheitert
Samstag, 16. Juli, ca. 13:00 Uhr: Erdoğan schreibt eine SMS an alle Türken
"An alle Sprösslinge der Türkischen Nation. Diese Aktion wurde in Istanbul und Ankara von einem kleinen Kader durchgeführt, das sich unrechtmässig Panzer und Waffen des Staates zu eigen gemacht hat. Ähnlich wie in den 70er Jahren war es ein Aufbegehren gegen das türkische Volk. Oh, ehrenvolles türkisches Volk, verteidige deine Demokratie und deinen Frieden. Dieses kleine Kader wollte das türkische Volk in die Knie zwingen. Ich rufe euch alle dazu auf, die Strassen zu bevölkern und euer Volk zu verteidigen. Steh ein für deinen Staat und dein Volk."
– Recep Tayyip Erdoğan
SONNTAG, 17. JULI: DIE TÜRKEI IST NICHT MEHR DIESELBE
Ich kann persönlich unter keinen Umständen einen Militärputsch unterstützen, jedoch machen mir die Bilder der aufgebrachten Massen nicht unbedingt weniger Angst. Diese Menschen sagen, sie würden die Strassen bevölkern, um die Demokratie zu verteidigen. Ich frage mich, wo sie waren, als vor genau zwei Monaten die Immunität der linksgerichteten HDP-Parlamentarier aufgehoben worden ist.Warum sie sich nicht gegen das unsäglich undemokratische Wahlsystem der Türkei auflehnen, das alle Parteien, die unter zehn Prozent Wähleranteil haben, vom politischen System ausschliesst. Wo sie sind, wenn es um Minderheitenrechte geht und warum sie nicht gegen die systematische Ausgrenzung von Andersdenkenden, die Gleichschaltung aller Medien, die Verfolgung von Journalisten demonstrieren, die in den letzten Jahren in der Türkei drastisch zugenommen hat. Ich verstehe diese Menschen nicht.Ankara, Kızılay Square, AKP politician: 'So you want death penalty?' Democracy loving crowd: 'Yeah!' AKP guy: 'Ok.' — Deniz Yücel (@Besser_Deniz)19. Juli 2016
Die Regisseurin Esen Isik zeigt in ihrem Film 'Köpek' diese hierarchische und autoritäre Gesellschaftsstruktur der Türkei, wo die Unterdrückungsmechanismen bis tief in den Alltag reichen, eindrücklich auf.
Mittwoch, 20. Juli 2016, ca. 22:00 Uhr: Erdoğan verhängt den Ausnahmezustand
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